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Avatar von marenghi
  • marenghi

mehr als 1000 Beiträge seit 03.12.2020

Re: Warum muss man Corona Tote verhindern?

Das erklärt aber immer noch nicht, warum man früher jährlich zehntausende Tote für nix einfach so akzeptiert hat

Hat man das? Zuerst einmal gibt es viele Unterschiede zwischen Corona und anderen Todesursachen.

Aber kurz Ihre Annahme beantwortet: Nein, andere Todesursachen akzeptiert man natürlich auch nicht "einfach so": Deutschland gibt im Jahr Milliarden Euro für die Gesundheitsversorgung aus. Wenn Sie einen Schlaganfall oder Herzinfarkt haben, werden Sie mit a) Krankenwagen, in denen b) ausgebildetes Personal sitzt zu c) einem Krankenhaus, ausgestattet mit d) sündhaft teurer Technik und e) sehr vielen ausgebildeten Menschen verschiedener Berufsgruppen gefahren. Je nachdem, wie es ausgeht, sind Sie danach in der Reha, womöglich bekommen Sie eine Arbeitsunfähigkeit attestiert, Pflege über Jahr(zehnte) usw.

Das erscheint mir deutlich anders als "einfach so akzeptieren" - finden Sie nicht auch?

Leider lassen sich Herzinfarkte nicht durch Masken verhindern. Könnte man es, würde man womöglich welche empfehlen.

Herzinfarkte und Corona unterscheidet sich aber deutlich auch in dem Punkt, dass das eine eine chronische gleichmäßige Todesursache ist, das andere eine akute, dynamische.

Wir bewerten diese zwei Risiken unterschiedlich, genauso wie wir die paar Tausend jährlichen Verkehrstoten im Autoverkehr anders bewerten als wenn innerhalb paar Monate zehn Flugzeuge in Deutschland a 300 Personen abstürzen.

A propos Verkehrstote: Auch diese akzeptieren wir nicht "einfach so". Es gibt 4000 Vekerhstote jährlich in D - ein Zehntel der Coronatoten (Achtung: bei beiden Beispielen ist natürlcih das Präventionsparadox, komme ich noch dazu, zu beachten). Trotzdem wird Ihre Freiheit massiv eingeschränkt: Sie dürfen nicht einfach fahren wie Sie wollen, Sie dürfen nicht einmal mit dem Auto fahren, mit dem Sie wollen: Sie brauchen TÜV, müssen hunderte von Regeln einhalten, bezahlen viel Geld in Zwangsversicherungen.Und wenn Sie nicht diesen Stück Riemen um Ihren Körper schnallen, zahlen Sie eine Strafe, obwohl Sie damit sich eigentlich nur selbst gefährden können, wenn Sies nicht tun. (Der Staat mischt sich hier natürlich deshalb ein, weil in einem Solidarstaat dann Sie nicht die KH-Kosten zahlen, wenn Sie ohne Gurt aus dem Auto geschleudert werden. Sondern die Summe aller Bürger.)

Aber Sie haben Recht: Sie treten bei mir - und übrigens auch bei Medizinern wie am RKI - offene Türen ein, wenn Sie fordern, dass man auch viel mehr für die Prävention anderer Todesursachen macht.

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und dabei mit den "Massnahmen" so viel Schaden anrichtet, die aber trotzdem nicht viel ausrichten.

Ist das so? Zuerst einmal müssen wir davon ausgehen, dass die Maßnahmen effektiv sind: Weil ein Virus, das sich nicht über Schnitzel in der Pfanne oder dem Trinkwasser verbreitet, sondern über Tröpfchen- und Aerosolübertragungen zwischen Menschen, natürlich dann an der Übertragung gehindert wird, wenn der menschliche Kontakt verringert wird.

Deshalb verstehe ich es nicht, wie eigentlich intelligente Menschen überhaupt GRUNDSÄTZLICH daran zweifeln können, dass Maßnahmen etwas bringen, wenn man sich simpel den Übertragungsweg vor Augen hält.

Sie sehen eher die Effektivität und die Effizienz schlecht. Gut, das kann man untersuchen: Hier ist eine Arbeit über die Effektivität von verschiedenen Maßnahmen in mehreren Dutzend Ländern: https://science.sciencemag.org/content/early/2020/12/15/science.abd9338 Hier können Sie selbst ausprobieren, welche Maßnahmen wieviel bringen: http://epidemicforecasting.org/calc

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Für eine Kosten-Nutzen-Rechnung, also die Effizienz, braucht man den Nutzen und die Kosten.

Die Kosten sind schwer zu beziffern. Finanziell und in Toten. Die Toten werden eher mittel- und langfristig zu sehen sein. Bisher kann man aber keine großen Anstiege von bspw Herzinfarktoten sehen, weil sich Menschen nicht getraut haben, in die Notaufnahme zu gehen (übrigens ist das ein vermeidbarer Schaden von Maßnahmen - man sollte natürlich alle auffordern, bei Herzinfarktsymptomen auf jeden Fall eine Notaufnahme aufzusuchen - da ist das Sterberisiko eines unbehandelten Infarkts viel höher als eine Anstekcung und Tod durch Corona. Das sagen alle Mediziner glasklar.).

Auch die Katastrophenvermutungen von Suiziden sind nicht eingetroffen: Bis Jahresmitte ergab sich wsl sogar ein leichter Rückgang von Suiziden: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/117216/Moeglicherweise-weniger-Suizide-seit-Corona

Es erscheint also sehr unwahrscheinlich, dass die Toten durch die Maßnahmen auch nur in die Nähe der Coronatoten kommen.

Finanziell ist es schwierig, Euro in Tote gegenzurechnen. Aber man kann das natürlich machen und einen Standpunkt haben, dass 1 Toter X Euro wert ist.

DEnn die Toten kann man besser schätzen, weil wir wissen, wie viele Menschen von Infizierten sterben. Wenn man sich bei den Antikörperstudien die Letalität ansieht, liegt diese bei 0,37% (Streeck et al.) bis 0,76% (Münchner Studie). Sagen wir 0,5%. Ohne Maßnahmen könnte das Virus bis zur Herdenimmunität (die vom Virus und Maßnahmen abhängt) frei durchseuchen. Ca. 50-60%, mit der leichter übertragbaren Mutation aus England wsl eher an die 70%.

So, einfache Rechnung (die erschreckend wenige gemacht haben, die fleißig mitdiskutieren): 0,5% * 70% * 80Mio Deutsche = 280.0000 Tote. Man kann da gerne noch rumfeilschen, ob es nicht 10k, 30k oder gar 50k weniger sein können (und andere feilschen die Zahlen nach oben). Aber das ist so die Größenordnung, die leider kaum einer, der hier fleißig diskutiert, sich jemals selbst ausgerechnet hat.

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Diese Toten können sich, und tun das auch, mit den normal zu erwartenden Toten zu eine gewissen Teil überschneiden. Länder, die sehr viele Infektionen hatten (mehr als zur Zeit noch D) hatten allerdings eine Übersterblichkeit. Eine Übersterblichkeit, die zeitlich und örtlich (bspw waren in Italien und USA ja nicht zeitgleich alle Regionen betroffen) sehr gut mit den Infektionszahlen und Coronatoten zusammen passen. Was darauf hinweist, dass mehr Infektionen mehr Tote und damit eine Übersterblichkeit erzeugt haben. Eigentlich keine sehr schwierig zu akzeptierende Sache würde man meinen...

Insofern:

Gibt es zb eine "Pneumonie bei Patienten über 70" als Todesursache Statistik?

Meine Mutter ist vor Jahren daran gestorben (letzlich), trotzdem würde ich sie nicht als "Pneumonie Tote" bezeichnen, sie war mit 91 einfach am Ende.

Ja, die gibt es. Und Ihre Mutter wird dann auch mit Pneumonie auf dem Totenschein so geführt, auch wenn Pneumonie in diesem Alter - wie so viele Krankheiten, zB Krebs - eben häufig und häufig auf Vorerkrankungen und Alterssschwäche trifft.

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Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Einblick in meine Gedanken zu einigen Punkten geben.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (13.01.2021 15:40).

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