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  • etwasvernunft

mehr als 1000 Beiträge seit 03.09.2012

Wenn Wissenschaft missionierend auftritt, ...

..., dann ist sie keine Wissenschaft mehr. Und das per Definitionem, denn sie "schafft" Wissen, was seinerseits immer nur vorläufig sein kann, allerdings mit einem weiten Spektrum an Sicherheit.

Dass die Schwerkraft praktisch immer wirkt, beweist die Existenz des Erde-Mond-Systems über mehrere Milliarden Jahre, aber wie der Mond entstanden ist, ist immer noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen. Wissenschaft ist so verstanden immer ein Prozess, dessen Ergebnisse nur mehr oder weniger vorläufig sind. Damit diese Ergebnisse aber nicht willkürlich sind und beliebig manipuliert werden können, benötigt jede echte Wissenschaft ein Korrektiv, das in der Realität verankert sein muss.

Dieser Realitätsbezug unterscheidet Wissenschaft von Ideologien wie Religionen, die sich an anderen überindividuellen Artefakten festmachen, seien es alte Schriften oder mündlich überlieferte Glaubenssätze. Nebenbei: Historisch ist eine Quelle der Naturwissenschaft, die sich bekanntlich im christlichen Raum entwickelt hat, eine objektivere Suche nach Gott als durch das Studieren der Bibel, indem man im Buch der - von Gott geschaffenen Natur - liest. Dass das dann in Konsequenz zur Agnostik oder zum Atheismus geführt hat, hat unsere liberale Gesellschaft wesentlich mit ermöglicht.

Sie betonen interessanterweise die Mathematik als Faktengrundlage und es ist in der Tat erstaunlich, dass die Mathematik so gut zur Physik passt. Aber sie ist keine Naturwissenschaft sondern eigentlich die reinste Form der Geisteswissenschaft. In der Naturwissenschaft liefert sie nur die Sprache zur Formulierung von in der Natur gewonnenem Wissen, weil sie in sich widerspruchsfrei im Sinne der Logik konstruiert ist. Damit nimmt sie der Kommunikation zwischen den Betrachtern eines Phänomens die in jeder menschlichen Kommunikation normale Mehrdeutigkeit und erlaubt es dadurch, Wissen objektiv zu transportieren. Sie stellt also sicher, dass zwei verschiedene Menschen das identisch gleiche Wissen haben. Diese Eigenschaft macht die mathematisch formulierbaren Wissenschaften - es gibt auch andere - zu sogenannten "harten Wissenschaften", die sich durch eine geringe Manipulierbarkeit auszeichnen.

Aber da Wissenschaft Geld kostet, weil Menschen Interessen haben und sie durchsetzen wollen und auch persönliche Eitelkeiten eine Rolle spielen, ist die real praktizierte Wissenschaft nicht immer deckungsgleich mit dem oben skizzierten Ideal. Gänzlich unwissenschaftlich wird es, wenn wissenschaftliche Erkenntisse normativ verstanden und als Handlungsanweisungen missbraucht werden. Beispiel Krankheit: die Erkenntnis, dass eine Krankheit vorliegt ist deskriptiv und damit wissenschaftlich, was jetzt zu tun ist, ist normativ und muss zwischen Patient und Arzt ausgehandelt werden, denn dabei spielen alle möglichen persönlichen Abwägungen und Wertvorstellungen eine Rolle, die der überindividuellen Objektivität nicht zugänglich sind. Die medizinische/pharmazeutische Wissenschaft kann nur den Beipackzettel liefern, der Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken auflistet.

Dieses hier uns allen aus den täglichen Leben bekannte Muster gilt auch im Großen, aber weil die Erfolge der naturwissenschaftlichen Forschung und Wissenschaft in unserer Gesellschaft unübersehbar sind, ist die Versuchung von Herrschaft Ausübenden groß, ihre Ziele hinter "wissenschaftlichen Notwendigkeiten" zu verstecken und damit dem Bereich des politischen Diskurses zu entziehen. Und weil das so ist und weil auch Wissenschaftler "nach Brot" gehen müssen, hat sich eine schwer zu durchschauende Auftragsforschung an den Universitäten breit gemacht, deren wissenschaftliche Qualität durchaus fragwürdig ist und wissenschaftsfremden Zielen dient. Das ist der Grund, warum der science march eine so fragwürdige Veranstaltung ist, denn die eigentliche Aufgabe für Wissenschaftler wäre, sich gegenüber den sie finanzierenden Organisationen durchzusetzen und die eigenen Reihen von fremdinteressengeleiteter Arbeit zu befreien.

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