"Hohe Exporte, schwacher Binnenmarkt. Trotz Gewinnexplosion gehen die
Investitionen der Unternehmen im vierten Jahr in Folge zurück. Neue
Arbeitsplätze entstehen nicht. Dafür hat die Zahl der Arbeitslosen
2004 den höchsten Augustwert seit 1990 erreicht. Zur
isw-Halbjahresbilanz
...
Defizit stranguliert Staatskonsum
Fast ein Fünftel (19,6 Prozent) des BIP wird vom Staat nachgefragt.
Da mittlerweile 80 Prozent der Steuereinnahmen über Lohn- und
Verbrauchssteuern aufgebracht werden, hängt auch der Staatskonsum
(einschließlich staatliche Investitionen) entscheidend von der
Einkommenssituation der Lohn- und Gehaltsempfänger und der Bezieher
von Transfereinkommen (Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger)
ab. Drei Viertel der Verwendung des BIP – 57 Prozent Privatkonsum
plus 20 Prozent Staatskonsum – stehen damit in unmittelbarem
Zusammenhang mit der volkswirtschaftlichen Lohnquote. Da sich die
Einkommens- und damit Verbrauchssituation dieser Haushalte, wie oben
ausgeführt, verschlechtert hat, brechen dem Staat zunehmend die
Steuereinnahmen weg. Die Lohnsteuer ging im ersten Halbjahr gegenüber
dem Vorjahreszeitraum um über drei Milliarden Euro zurück, die
Umsatzsteuer um etwa eine Milliarde. Das Statistische Bundesamt
schreckte Ende August mit der Horrormeldung auf: »42,7 Milliarden
Euro Defizit des Staates im ersten Halbjahr 2004«
(Destatis-Pressemitteilung 355/04). Trotz höherer Wachstumsraten
liegt dieses Defizit um vier Milliarden Euro über dem Rekordwert des
Vorjahreszeitraums. Der Miniaufschwung geht an den Staatskassen
völlig vorbei.
Vor allem die Gewinnsteuern sind in den vergangenen Jahren dank
rot-grüner Steuerreform erheblich zurückgegangen und tragen gerade
noch ein Zehntel zum Steueraufkommen bei. Wie das isw berechnete,
betrugen die addierten Steuerausfälle bei den fünf Gewinnsteuern in
den Jahren 2001–2004 im Vergleich zum Jahr 2000, dem letzten Jahr vor
der Unternehmenssteuerreform, 101 Milliarden Euro. Trotz
Gewinnexplosion sind sie im ersten Halbjahr 2004 gegenüber dem
Vorjahreszeitraum nicht nennenswert gestiegen.
Explodierende Profite
Trotz jahrelanger Exportrekorde gehen die Unternehmensinvestitionen
heute im vierten Jahr in Folge zurück. Im ersten Halbjahr 2004 sanken
sie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,7 Prozent. Real liegen
sie heute unter dem Niveau von 1991. Von selbsttragendem Aufschwung
und »klassischem deutschen Muster« kann also nicht die Rede sein.
Wenn gleichzeitig im Inland die Kaufkraft und der Staatskonsum
gekappt werden, dann reichen die zusätzlichen Bestellungen aus dem
Ausland für einen nachhaltigen Konjunkturimpuls nicht aus. Die
Konzerne können das zusätzliche Auslandsgeschäft im wesentlichen aus
ihren leerstehenden Kapazitäten bedienen. Für die wenigsten
Unternehmen besteht deshalb Anlaß zu Erweiterungsinvestitionen und
damit zusätzlichen Arbeitsplätzen. Kommt hinzu, daß seit Jahren die
sogenannte Kapitalproduktivität steigt, d.h. der selbe output kann
mit einem geringeren Einsatz an Produktionsmitteln erzielt werden.
Relativ teures Sachkapital wird durch weniger kapitalintensive
Produktionsmittel ersetzt. Konkret ist das im wesentlichen bewirkt
durch die Miniaturisierung, die Computerisierung und die flexiblere
Auslastung der Anlagen.
An den Profiten kann es jedenfalls nicht liegen, wenn die Unternehmen
nicht investieren. Beginnend mit 2001 sind die Investitionen von Jahr
zu Jahr gesunken. Die Gewinne der Kapital-, aber auch der
Personengesellschaften lagen in jedem der Jahre 2001, 2002, 2003 über
dem Niveau von 2000.
In diesem Jahr explodieren die Profite geradezu. Hierzu liefert der
Quartalsbericht des Statistischen Bundesamtes bereits einen
Anhaltspunkt: Danach stiegen die »Unternehmens- und
Vermögenseinkommen« im zweiten Quartal um 20,7 Prozent gegenüber dem
entsprechenden Vorjahresquartal. Im ersten Quartal 2004 betrug die
Gewinnsteigerung erst 9,0 Prozent. Hierbei handelt es sich um eine
Durchschnittsgröße – die Spannbreite reicht vom Ich-AGler bis zur
Siemens AG.
Apropos Siemens. Kaum waren die Tarifbrüche und erpreßten
Kostensenkungen bei Siemens und DaimlerChrysler unter Dach und Fach,
präsentierten die beiden Konzerne Rekord-Profitzahlen. Siemens hat in
den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres seinen Gewinn
nach Steuern um 60 Prozent erhöht – gegenüber dem Rekordprofit vom
Vorjahr. DaimlerChrysler verdreifachte im ersten Halbjahr das
Betriebsergebnis gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Der Trend ist allgemein. Die Gewinne der deutschen Konzerne sprudeln
kräftig. Für die 30 Unternehmen im Deutschen Aktienindex (DAX) werden
nach Angaben des Finanzdatenanbieters Ibes Gewinnsteigerungen von 54
Prozent im laufenden Jahr und weitere 22 Prozent im nächsten Jahr
erwartet. Ibes beruft sich dabei auf Berechnungen der Unternehmen und
Bankanalysten. Dabei werden die Prognosen noch laufend nach oben
korrigiert. Energiekonzerne wie RWE und E.on profitieren von dem
anhaltend hohen Ölpreis und im zweiten Halbjahr von ihren maßlosen
Preiserhöhungen bei Strom und Gas. Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern
EADS erzielte im ersten Halbjahr einen um 119 Prozent höheren
Nettogewinn, nicht zuletzt wegen zusätzlicher Waffenbestellungen.
Nach Angaben der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz
(DWS) stiegen die Gewinne der DAX-30-Konzerne im Vorjahr um 30
Prozent.
Eine Krise der Profite gibt es bei den Multis nicht. Trotz
dreijähriger Stagnation der Gesamtwirtschaft und Miniwachstum in
diesem Jahr, boomen deren Gewinne. Und das bei verhaltener Nachfrage.
Wegen des Kaufkraftschwundes stagnieren die Umsätze bei den meisten
Konzernen. Siemens hat seinen Rekordprofit in den ersten drei
Quartalen des laufenden Geschäftsjahres mit einem Umsatzrückgang von
0,2 Prozent erzielt. Auch im Automobilsektor werden die Märkte enger.
Der Ausweg für die Konzerne lautet: Profitsteigerung durch
Kostensenkungen und Personalabbau. Ein Aktionärsvertreter formulierte
die Marschrichtung offen und brutal auf der Siemens-Hauptversammlung
2003 in München: »Wenn die Märkte nichts mehr hergeben, dann muß man
die Rendite aus den Kosten holen.« Vor der Olympiahalle
demonstrierten gekündigte Kolleginnen und Kollegen von
Siemens-Hofmannstraße, darunter einer mit dem Schild an die Aktionäre
gerichtet: »Mein Arbeitsplatzverlust ist euer Aktiengewinn.«
Hinzu kommt jetzt Gratisarbeit zugunsten der Aktionärsdividenden. Die
Aktienmärkte haben jedenfalls den neuen Trend zur unbezahlten
Verlängerung der Arbeitszeit verstanden. »Börsianer fahnden nach
weiteren Daimlers«, titelte Die Welt (24.7.04), nachdem die
Konzernleitung ihr 500-Millionen-Euro-Kostensenkungspaket
durchgedrückt hatte. »Die Konsequenzen sind dramatisch – das
Aufbrechen der Tarifverträge wird vor keiner Branche Halt machen«,
sagt Bernd Laux, Stratege bei der französischen Investmentbank
Cheuvreux. Der Daimler-Abschluß wurde vom Präsidenten der
amerikanischen Handelskammer, Fred Irvin, als »gutes Signal für
ausländische Investoren« wahrgenommen. »Die Revolution geht weiter«,
überschrieb der Europa-Chefvolkswirt der Bank of America, Holger
Schmieding, seine Analyse.
Brutales Kostendumping insbesondere in Form unentgeltlicher
Mehrarbeit ist der neoliberale Profitausweg aus den sich verengenden
Weltmärkten. Die Profitmargen lassen sich so auch bei stagnierenden
Umsätzen steigern. Neue Jobs entstehen dadurch nicht. Im Gegenteil.
Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) meldete, hat die Zahl der
Arbeitslosen im August 2004 den höchsten Augustwert seit dem Anschluß
der DDR 1990 erreicht. »Im Vergleich zum August 2003 entspricht dies
einem Anstieg von 110 000.« (Süddeutsche Zeitung, 3.9.2004)
Welle unbezahlter Mehrarbeit
Die Financial Times Deutschland (2.7.04) schrieb in einer Kolumne
unter dem Titel »Schildbürgerstreich Mehrarbeit«: »Bislang galt die
Faustregel, daß zwischen einem und zwei Prozent Wirtschaftswachstum
notwendig seien, bevor die Zahl der Beschäftigten wieder wächst. Die
Mehrarbeit droht diese Schwelle in schwindelerregende Höhen zu
verschieben. Würde in allen Betrieben eine Arbeitszeitverlängerung um
fünf Stunden pro Woche nachvollzogen, könnten die Firmen 15 Prozent
mehr produzieren, ohne einen einzigen Angestellten einzustellen.
Anders ausgedrückt: Bevor die Kapazitäten voll ausgelastet sind und
neue Mitarbeiter notwendig werden, müßte die Wirtschaft um 15 Prozent
wachsen. Selbst die lautesten Befürworter unbezahlter Mehrarbeit
behaupten nicht, daß die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche einen solchen
Konjunkturimpuls auslösen könnte«.
Die Quartalszahlen des Statistischen Bundesamtes zur Entwicklung des
BIP bestätigen die Aussage: Im zweiten Quartal wuchs das BIP
gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozent. Diese Wirtschaftsleistung
wurde mit 112 000 weniger Beschäftigten (- 0,3 Prozent) erbracht. Der
Grund: Die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen nahm im
Vorjahresvergleich um 2,3 Prozent zu. Dabei rollt die Welle
unbezahlter Mehrarbeit und gigantischer Kostensenkungen erst an.
Sindelfingen ist überall. Weitere Konzerne wie VW, Opel, MAN,
ThyssenKrupp, Thomas Cook, KarstadtQuelle, Stihl, Bosch, Viessmann,
Continental, Voith griffen das Signal auf und versuchen, umfangreiche
Kostensenkungen zu Lasten ihrer Belegschaften vorzunehmen. Wenn ein
hochprofitabler Premiumhersteller wie Mercedes ein solches Sparpaket
schnüre, steige der Druck bei den margenschwachen Volumenherstellern
wie VW und Opel natürlich immens, sagte der stellvertretende
Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peter Klein. Der Häuserkampf hat
erst begonnen. VW-Personalvorstand Peter Hartz will der Belegschaft
in den westdeutschen VW-Werken zwei Nullrunden verpassen und bis 2011
ganze 30 Prozent der Arbeitskosten einsparen.
Selbst Bild fiel da was auf (23.8.04): »Bei VW fordert die IG Metall
vernünftige vier Prozent mehr Löhne und Gehälter. VW-Personalvorstand
Peter Hartz
..."
http://www.jungewelt.de/2004/09-20/005.php
Investitionen der Unternehmen im vierten Jahr in Folge zurück. Neue
Arbeitsplätze entstehen nicht. Dafür hat die Zahl der Arbeitslosen
2004 den höchsten Augustwert seit 1990 erreicht. Zur
isw-Halbjahresbilanz
...
Defizit stranguliert Staatskonsum
Fast ein Fünftel (19,6 Prozent) des BIP wird vom Staat nachgefragt.
Da mittlerweile 80 Prozent der Steuereinnahmen über Lohn- und
Verbrauchssteuern aufgebracht werden, hängt auch der Staatskonsum
(einschließlich staatliche Investitionen) entscheidend von der
Einkommenssituation der Lohn- und Gehaltsempfänger und der Bezieher
von Transfereinkommen (Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger)
ab. Drei Viertel der Verwendung des BIP – 57 Prozent Privatkonsum
plus 20 Prozent Staatskonsum – stehen damit in unmittelbarem
Zusammenhang mit der volkswirtschaftlichen Lohnquote. Da sich die
Einkommens- und damit Verbrauchssituation dieser Haushalte, wie oben
ausgeführt, verschlechtert hat, brechen dem Staat zunehmend die
Steuereinnahmen weg. Die Lohnsteuer ging im ersten Halbjahr gegenüber
dem Vorjahreszeitraum um über drei Milliarden Euro zurück, die
Umsatzsteuer um etwa eine Milliarde. Das Statistische Bundesamt
schreckte Ende August mit der Horrormeldung auf: »42,7 Milliarden
Euro Defizit des Staates im ersten Halbjahr 2004«
(Destatis-Pressemitteilung 355/04). Trotz höherer Wachstumsraten
liegt dieses Defizit um vier Milliarden Euro über dem Rekordwert des
Vorjahreszeitraums. Der Miniaufschwung geht an den Staatskassen
völlig vorbei.
Vor allem die Gewinnsteuern sind in den vergangenen Jahren dank
rot-grüner Steuerreform erheblich zurückgegangen und tragen gerade
noch ein Zehntel zum Steueraufkommen bei. Wie das isw berechnete,
betrugen die addierten Steuerausfälle bei den fünf Gewinnsteuern in
den Jahren 2001–2004 im Vergleich zum Jahr 2000, dem letzten Jahr vor
der Unternehmenssteuerreform, 101 Milliarden Euro. Trotz
Gewinnexplosion sind sie im ersten Halbjahr 2004 gegenüber dem
Vorjahreszeitraum nicht nennenswert gestiegen.
Explodierende Profite
Trotz jahrelanger Exportrekorde gehen die Unternehmensinvestitionen
heute im vierten Jahr in Folge zurück. Im ersten Halbjahr 2004 sanken
sie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,7 Prozent. Real liegen
sie heute unter dem Niveau von 1991. Von selbsttragendem Aufschwung
und »klassischem deutschen Muster« kann also nicht die Rede sein.
Wenn gleichzeitig im Inland die Kaufkraft und der Staatskonsum
gekappt werden, dann reichen die zusätzlichen Bestellungen aus dem
Ausland für einen nachhaltigen Konjunkturimpuls nicht aus. Die
Konzerne können das zusätzliche Auslandsgeschäft im wesentlichen aus
ihren leerstehenden Kapazitäten bedienen. Für die wenigsten
Unternehmen besteht deshalb Anlaß zu Erweiterungsinvestitionen und
damit zusätzlichen Arbeitsplätzen. Kommt hinzu, daß seit Jahren die
sogenannte Kapitalproduktivität steigt, d.h. der selbe output kann
mit einem geringeren Einsatz an Produktionsmitteln erzielt werden.
Relativ teures Sachkapital wird durch weniger kapitalintensive
Produktionsmittel ersetzt. Konkret ist das im wesentlichen bewirkt
durch die Miniaturisierung, die Computerisierung und die flexiblere
Auslastung der Anlagen.
An den Profiten kann es jedenfalls nicht liegen, wenn die Unternehmen
nicht investieren. Beginnend mit 2001 sind die Investitionen von Jahr
zu Jahr gesunken. Die Gewinne der Kapital-, aber auch der
Personengesellschaften lagen in jedem der Jahre 2001, 2002, 2003 über
dem Niveau von 2000.
In diesem Jahr explodieren die Profite geradezu. Hierzu liefert der
Quartalsbericht des Statistischen Bundesamtes bereits einen
Anhaltspunkt: Danach stiegen die »Unternehmens- und
Vermögenseinkommen« im zweiten Quartal um 20,7 Prozent gegenüber dem
entsprechenden Vorjahresquartal. Im ersten Quartal 2004 betrug die
Gewinnsteigerung erst 9,0 Prozent. Hierbei handelt es sich um eine
Durchschnittsgröße – die Spannbreite reicht vom Ich-AGler bis zur
Siemens AG.
Apropos Siemens. Kaum waren die Tarifbrüche und erpreßten
Kostensenkungen bei Siemens und DaimlerChrysler unter Dach und Fach,
präsentierten die beiden Konzerne Rekord-Profitzahlen. Siemens hat in
den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres seinen Gewinn
nach Steuern um 60 Prozent erhöht – gegenüber dem Rekordprofit vom
Vorjahr. DaimlerChrysler verdreifachte im ersten Halbjahr das
Betriebsergebnis gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Der Trend ist allgemein. Die Gewinne der deutschen Konzerne sprudeln
kräftig. Für die 30 Unternehmen im Deutschen Aktienindex (DAX) werden
nach Angaben des Finanzdatenanbieters Ibes Gewinnsteigerungen von 54
Prozent im laufenden Jahr und weitere 22 Prozent im nächsten Jahr
erwartet. Ibes beruft sich dabei auf Berechnungen der Unternehmen und
Bankanalysten. Dabei werden die Prognosen noch laufend nach oben
korrigiert. Energiekonzerne wie RWE und E.on profitieren von dem
anhaltend hohen Ölpreis und im zweiten Halbjahr von ihren maßlosen
Preiserhöhungen bei Strom und Gas. Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern
EADS erzielte im ersten Halbjahr einen um 119 Prozent höheren
Nettogewinn, nicht zuletzt wegen zusätzlicher Waffenbestellungen.
Nach Angaben der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz
(DWS) stiegen die Gewinne der DAX-30-Konzerne im Vorjahr um 30
Prozent.
Eine Krise der Profite gibt es bei den Multis nicht. Trotz
dreijähriger Stagnation der Gesamtwirtschaft und Miniwachstum in
diesem Jahr, boomen deren Gewinne. Und das bei verhaltener Nachfrage.
Wegen des Kaufkraftschwundes stagnieren die Umsätze bei den meisten
Konzernen. Siemens hat seinen Rekordprofit in den ersten drei
Quartalen des laufenden Geschäftsjahres mit einem Umsatzrückgang von
0,2 Prozent erzielt. Auch im Automobilsektor werden die Märkte enger.
Der Ausweg für die Konzerne lautet: Profitsteigerung durch
Kostensenkungen und Personalabbau. Ein Aktionärsvertreter formulierte
die Marschrichtung offen und brutal auf der Siemens-Hauptversammlung
2003 in München: »Wenn die Märkte nichts mehr hergeben, dann muß man
die Rendite aus den Kosten holen.« Vor der Olympiahalle
demonstrierten gekündigte Kolleginnen und Kollegen von
Siemens-Hofmannstraße, darunter einer mit dem Schild an die Aktionäre
gerichtet: »Mein Arbeitsplatzverlust ist euer Aktiengewinn.«
Hinzu kommt jetzt Gratisarbeit zugunsten der Aktionärsdividenden. Die
Aktienmärkte haben jedenfalls den neuen Trend zur unbezahlten
Verlängerung der Arbeitszeit verstanden. »Börsianer fahnden nach
weiteren Daimlers«, titelte Die Welt (24.7.04), nachdem die
Konzernleitung ihr 500-Millionen-Euro-Kostensenkungspaket
durchgedrückt hatte. »Die Konsequenzen sind dramatisch – das
Aufbrechen der Tarifverträge wird vor keiner Branche Halt machen«,
sagt Bernd Laux, Stratege bei der französischen Investmentbank
Cheuvreux. Der Daimler-Abschluß wurde vom Präsidenten der
amerikanischen Handelskammer, Fred Irvin, als »gutes Signal für
ausländische Investoren« wahrgenommen. »Die Revolution geht weiter«,
überschrieb der Europa-Chefvolkswirt der Bank of America, Holger
Schmieding, seine Analyse.
Brutales Kostendumping insbesondere in Form unentgeltlicher
Mehrarbeit ist der neoliberale Profitausweg aus den sich verengenden
Weltmärkten. Die Profitmargen lassen sich so auch bei stagnierenden
Umsätzen steigern. Neue Jobs entstehen dadurch nicht. Im Gegenteil.
Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) meldete, hat die Zahl der
Arbeitslosen im August 2004 den höchsten Augustwert seit dem Anschluß
der DDR 1990 erreicht. »Im Vergleich zum August 2003 entspricht dies
einem Anstieg von 110 000.« (Süddeutsche Zeitung, 3.9.2004)
Welle unbezahlter Mehrarbeit
Die Financial Times Deutschland (2.7.04) schrieb in einer Kolumne
unter dem Titel »Schildbürgerstreich Mehrarbeit«: »Bislang galt die
Faustregel, daß zwischen einem und zwei Prozent Wirtschaftswachstum
notwendig seien, bevor die Zahl der Beschäftigten wieder wächst. Die
Mehrarbeit droht diese Schwelle in schwindelerregende Höhen zu
verschieben. Würde in allen Betrieben eine Arbeitszeitverlängerung um
fünf Stunden pro Woche nachvollzogen, könnten die Firmen 15 Prozent
mehr produzieren, ohne einen einzigen Angestellten einzustellen.
Anders ausgedrückt: Bevor die Kapazitäten voll ausgelastet sind und
neue Mitarbeiter notwendig werden, müßte die Wirtschaft um 15 Prozent
wachsen. Selbst die lautesten Befürworter unbezahlter Mehrarbeit
behaupten nicht, daß die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche einen solchen
Konjunkturimpuls auslösen könnte«.
Die Quartalszahlen des Statistischen Bundesamtes zur Entwicklung des
BIP bestätigen die Aussage: Im zweiten Quartal wuchs das BIP
gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozent. Diese Wirtschaftsleistung
wurde mit 112 000 weniger Beschäftigten (- 0,3 Prozent) erbracht. Der
Grund: Die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen nahm im
Vorjahresvergleich um 2,3 Prozent zu. Dabei rollt die Welle
unbezahlter Mehrarbeit und gigantischer Kostensenkungen erst an.
Sindelfingen ist überall. Weitere Konzerne wie VW, Opel, MAN,
ThyssenKrupp, Thomas Cook, KarstadtQuelle, Stihl, Bosch, Viessmann,
Continental, Voith griffen das Signal auf und versuchen, umfangreiche
Kostensenkungen zu Lasten ihrer Belegschaften vorzunehmen. Wenn ein
hochprofitabler Premiumhersteller wie Mercedes ein solches Sparpaket
schnüre, steige der Druck bei den margenschwachen Volumenherstellern
wie VW und Opel natürlich immens, sagte der stellvertretende
Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peter Klein. Der Häuserkampf hat
erst begonnen. VW-Personalvorstand Peter Hartz will der Belegschaft
in den westdeutschen VW-Werken zwei Nullrunden verpassen und bis 2011
ganze 30 Prozent der Arbeitskosten einsparen.
Selbst Bild fiel da was auf (23.8.04): »Bei VW fordert die IG Metall
vernünftige vier Prozent mehr Löhne und Gehälter. VW-Personalvorstand
Peter Hartz
..."
http://www.jungewelt.de/2004/09-20/005.php