Wenn ich als bekennender Linker darauf mal antworten darf...
Der Widerspruch, den du siehst, spielt sich sozusagen auf zwei Argumentationsebenen ab. Auf der einen geht es darum, in der gegenwärtigen Situation, mit dem System, das wir nunmal haben, das Richtige zu tun. Konkret hält man als Linker in einer Krisensituation Austeritätspolitik für falsch und schädlich: Alle geben weniger aus, darum nehmen alle weniger ein, und am Ende stehen alle ärmer da als zuvor. An Griechenland hat man gesehen, wohin dieser Irrsinn führt.
Daß es nun ausgerechnet der Staat sein soll, der Geld in die Hand nimmt, liegt einfach daran, daß es sonst niemand tut. Die Rolle des Schuldners sollte in unserem Geldsystem eigentlich die Realwirtschaft spielen,die sind der einzige Sektor, der tatsächlich Mehrwert schafft, und daher können sich Investitionen auszahlen. Nach 2007 haben die Unternehmen allerdings angefangen zu "konsolidieren", eigene Aktien zurückgekauft, auf Investitionen verzichtet usw. Privathaushalte sparen vernünftigerweise immer, und der Finanzsektor ist immer ungefähr bei plusminus Null. Bleibt noch der Staat, wenn ein Abrutschen der gesamten Volkswirtschaft vermieden werden soll.
Auf einer grundsätzlicheren Ebene ist man als Linker natürlich für ein ganz anderes Wirtschaftssystem, inklusive eines modernen Geldsystems, das nicht den Finanzsektor so obszön bevorteilt, sondern echte Wertschöpfung belohnt. Geld ist eine "öffentliche Einrichtung", kein Vermögensgegenstand, und sollte entsprechend reguliert werden. Der Staat sollte, unter den wachsamen Augen der Bürger, sein eigenes Geld emittieren und sich dafür nur bei seiner eigenen Zentralbank "verschulden" (was eher Buchungstechnik wäre als alles andere). Etc pp, aber das sind "linke Spinnereien", die sicher nicht in näherer Zukunft verwirklicht werden können.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (06.06.2019 16:39).