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  • Philipp Müller_952

123 Beiträge seit 08.10.2015

Der Elefant im Raum: Die Nachschubfrage

Keine Nahrung, keine Medikamente. In Jemen läuft ein Völkermord ab. Das ist allen gut informierten Beobachtern bewusst.
Aber etwas konnte mir bis heute niemand erklären: Woher bekommen Ansarollah (aka die Houthis) und ihre Verbündeten ihren militärischen Nachschub (also Waffen, Munition etc.)?
Alle anderen Parteien von den Jihadisten bis hin zu den Hadi-Truppen können darauf bauen von den erzreaktionären Golfstaaten beliefert zu werden.

Der Jemen dürfte kaum über große industrielle Kapazitäten verfügen, um alles selber herzustellen, vor allem nicht nach 3 Jahren Bürgerkrieg.
Wer einen auf eine Übersichtskarte zum Bürgerkrieg wirft, stellt fest, dass der Jemen nur zwei Landgrenzen hat (mit Saudi Arabien und dem Oman) und ansonsten eine lange Küste zum Indischen Ozean und zum Roten Meer.
Nachschub, der aus dem Oman zu Ansarollah kommt, muss vorher durch Hadi- und Jihadisten-Gebiet und dann wieder durch Hadi-Gebiet (siehe Übersichtskarte: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/96/Yemeni_Civil_War.svg/1625px-Yemeni_Civil_War.svg.png ).
Das ist zwar durchaus eine Möglichkeit (im Syrien-Krieg haben auch alle Fraktionen untereinander Geschäfte gemacht und die jemenitische Topographie ist durchaus für Schmuggel geeignet), aber es deutet nichts daraufhin, dass der Oman dies zulässt. Denn im Gegensatz zu Qatar sind die Beziehungen zwischen SA und dem Oman nicht einmal angespannt.

Der besser zugängliche Weg wäre natürlich über Saudi-Arabien. Aus offensichtlichen Gründen ist auch das eher unwahrscheinlich.
Es bleibt also der Weg über das Meer, insbesondere über die westlichen Häfen (deshalb auch Al Hudaydah). Deshalb ja auch die Blockade. Anscheinend ist die jedoch äußerst löchrig.
Aber damit kommen wir zur direkt damit verbundenen Frage. Wer beliefert sie?
Na klar, der Iran. Kann man ja überall hören und lesen.
Ergibt nur leider keinen Sinn.

Zum einen weil er das seit 3 Jahren tun soll, also zufälligerweise seitdem das Atomabkommen unterzeichnet wurde.
Zum anderen ist es zweifelhaft, ob der Iran über genügend finanzielle Mittel und/oder industrielle Kapazitäten besitzt, um für ausreichend Nachschub zu sorgen.
Aber am wichtigsten ist vielleicht: Die Blockade muss verdammt schlecht organisiert und durchgeführt sein. Denn eigentlich würde man erwarten, dass es immer wieder zu ausfällen in der militärischen Versorgung von Ansarollah kommt. Darüber gibt es genausowenig Berichte wie darüber, dass Lieferungen abgefangen worden wären.
Sehr ungewöhnlich wenn man bedenkt, dass die arabische Koalition derartige Ereignisse massiv zu ihrem propagandistischen Vorteil ausschlachten könnte (und es wohl auch tun würde).

Es bleiben folglich nur zwei Möglichkeiten wie Nachschub zu Ansarollah gelangt.
Entweder nicht vom Iran aus, sondern durch Mitglieder der Koalition (die faktisch auch die NATO umfasst), die die eigene Blockade so unterlaufen und sich womöglich eine goldene Nase verdienen oder eine Art Neuauflage des Iran-Contra-Deals ausführen.
Oder aber doch über den Iran, der mit einigen Koalitionsmitgliedern (respektive Uncle Sam) irgendein Hinterzimmergeschäft am Laufen hat, dass bis heute geheim geblieben ist.

So oder so, diese elementare Frage habe ich bisher nirgendwo konkret beleuchtet gefunden.
Deshalb meine Bitte an alle, die das hier lesen und irgendwoher Hintergrundinfos (oder auch plausible Theorien) haben, eine Antwort am besten mit Link würde mich sehr freuen.

PS: Eine weitere Frage konnte mir bis heute niemand befriedigend beantworten. Warum sollte der Iran Ansarollah derart umfangreich unterstützen? Die Mär vom Religionskrieg stimmt heute genausowenig, wie sie im 30-Jährigen Krieg stimmte. Schon die Beziehung Iran-Qatar widerlegt diese steile These.
Und natürlich ist der Jemen und mit ihm das Bab el Mandeb strategisch bedeutend.
Allerdings ist der Iran schon mit Syrien und Iraq beschäftigt und das die USA keinen Jemen unter starkem iranischen Einfluss zulassen werden, dürfte Teheran auch wissen.

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