Kurz und knackig formuliert.
Es ist NICHT nur ein Problem der Millenials, dass sie "nicht wollen". Die Babyboomer sind so langsam durch und in Rente. Deren Kinder (70er/80er) sind grad mitten im Erwerbsleben bzw. im letzten Drittel. Und deren Kinder sind noch auf der Schule oder grad am Anfang der Ausbildung. Meine Kleinen sind grad noch in der KiTa, ich hab halt spät angefangen.
Zum Thema: ich bin hier mal ehrlich - kaum ein Mensch will den größten Teils seines Lebens den Buckel krum machen ohne dass er was davon hat. Arbeit ist kein Lebenszweck, sondern Zweck zum Leben: wer arbeitet, will etwas für sich erreichen und nicht einfach nur den Tag totschlagen. "Schaffe, schaffe, Häusle baue" ist ja so'n typisch schwäbischer Spruch, der aber letztendlich auf die ganze Gesellschaft übertragen werden kann: man arbeitet auf ein Ziel hin, etwa ein Eigenheim oder eine solide Altersvorsorge.
Seit Agenda 2010 (Rot-Grün) gilt immer öfter: "arm trotz Arbeit" (siehe "Europas größter Billiglohnsektor"). Immer mehr Menschen leben von der Hand in den Mund und haben praktisch keine Sparquote mehr. Rechnungen müssen auf Pump bezahlt werden, nötige Reparaturen bleiben liegen, Ersatz teurer Möbel oder einer neuen Küche werden aufgeschoben. Urlaub findet nur noch auf dem eigenen Balkon statt (so vorhanden) oder es geht zweimal im Jahr für ein verlängertes Wochenende mit dem Zelt auf einen Camping-Platz - für mehr reicht es oft einfach auch nicht. Da wirkt es dann wie Hohn, wenn gerade den Mindestlöhnern und Geringverdienern Rürup- und Riesterrenten als Altersvorsorge ans Herz gelegt wird, denn die gesetzliche Rente wirft ja nicht genug ab. Blöd nur, dass man schon nichts übrig hat für die alltäglichen Besorgungen, da kann man auch nichts auf die hohe Kante legen.
Die Perspektive, ein ganzes Erwerbsarbeitsleben trotz guter Ausbildung (Facharbeiter- oder Gesellenbrief, Ausbildung als Pflegekraft oder Pädagoge) in perpetualer Mittellosigkeit zu existieren und "gerade so" über die Runden zu kommen, ist abschreckend. Wozu sich anstrengen, wenn's nicht honoriert wird? Wozu Überstunden kloppen, wenn alles, was man gewinnt, die Gewissheit ist, seine Lebenszeit umsonst ruiniert zu haben? Wozu am Band stehen oder sich Wind und Wetter auf Montage aussetzen, wozu Truck fahren, wozu in der Backstube stehen oder an der Schlachtbank, wozu hilfsbedürftigen Menschen Pflege angedeihen lassen, wozu sich von 30 Kindern im Klassenzimmern das Nervenkostüm ruinieren lassen, wenn man genauso gut irgendwo einen Bullshitjob haben kann mit Home Office, Dienstwagenprivileg und Narrenfreiheit, weil "ergebnisoffenes Arbeiten"? Warum nicht vom Bürgergeld leben und "Influencer" spielen oder "freiberuflich" irgendwelche "Projekte" verfolgen?
Erwerbsarbeit muss sich lohnen. Nicht nur auf dem Gehaltszettel, sondern perspektivisch. Erwerbsarbeit muss Anerkennung mit sich bringen, kein Mitleid und keine Abscheu. Erwerbsarbeit muss ein Eigenheim finanzieren können, muss dem Wohlstandserwerb dienen und eben auch helfen, das Rentenalter abzusichern. Das geht nur, wenn endlich der Mindestlohn angehoben wird, damit a) das Lohnabstandsangebot zum Bürgergeld wieder deutlich realisiert wird und b) auch alle anderen Löhne und Gehälter durch den "Druck von unten" angehoben werden.
Dass wir heute nur noch ergebnislos rödeln wie die Bekloppten und uns verschleißen lassen um ja vor 67 in die Grube zu hüpfen liegt allein an 25 Jahren exzessiver Misswirtschaft in diesem Staat: zu hohe Abgabenlast, zu hohe Lebenshaltungskosten (durch zu hohe Steuern), zu hohe Lohnstückkosten - obschon die Arbeitnehmer sich verheizen müssen, nur um "gerade so" über die Runden zu kommen und den Rest der Gesellschaft am Leben zu halten.
Also mich wundert's nicht, dass Generation Z keinen Bock auf's Hamsterrad haben und sich nicht verheizen lassen wollen für nix. Wenn man durch Arbeit nichts erreichen kann - warum überhaupt arbeiten? Jux und Dollerei sind's sicher nicht. Und wer aus Nächstenliebe heraus arbeiten geht, will trotzdem seinen Kühlschrank füllen und Rechnungen bezahlen und noch was auf die hohe Kante legen können. Sonst geht man ehrenamtlich sich engagieren - was man aber nur dann kann, wenn das Leben sonst abgesichert ist.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (18.12.2023 13:46).