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  • Mathematiker

mehr als 1000 Beiträge seit 22.02.2014

Eine Entstalinisierung hatte es nie gegeben

Das hat der alte Gauckler Recht. Und als Ossi hatte der ja die komplette DDR mitgemacht.

Im Westen gab es die Aufarbeitung des Dritten Reichs und das Thema NS-Belastung.
Im Gegensatz zum Stalin hatten die West-Allierten eigentlich keinen Plan, was sie nach dem Sieg mit den Besiegten machen sollten. Selbst der erste Kanzler Adenauer wurde kurzfristig an Bord geholt, weil der als erklärter NS-Gegner mit Politikerfahrung greifbar war. Im Westen bekam man nichts geschenkt und musste sich selber organisieren.
Eigeninitative und Kooperation waren die Zauberwörter.

Und in der DDR? Da zog man die braunen Hemden aus und die rotbrauen an.
Man sang andere Lieder, aber im Wesentlichen änderte sich da garnicht so viel.
Die Nazis waren natürlich alle im Westen.
Und wie das so in einer Diktatur üblich ist:

In jedem Land gebe es eine bestimmte Gruppe von Menschen, die psychologisch so geprägt sei, dass sie eher nach Führung als nach Mitbestimmung suche. Diese Menschen bevorzugten ein autoritäres Lebensprinzip und sähen Freiheit als problematisch an.

Nein, natürlich nicht die persönliche Freiheit. Aber es besteht und bestand die Erwartungshaltung, dass der große Führer in Berlin schon die Probleme vor Ort lösen wird und muss. In der DDR war schließlich alles stramm durchorganisiert und von Berlin aus zentral geregelt. Man muss nur genug betteln und/oder maulen.

Beide Generationen haben ihre soziale Prägung primär in Westdeutschland erhalten und bei ihnen will die Leipziger Studie auch hohe Zustimmungswerte für Chauvinismus, Sozialdarwinismus und für das Befürworten einer Diktatur gefunden haben.

Hä? Sind die in den Westen gefahren?
Nein. Die Erwartungshaltung der Ossis bei der Wiedervereinigung war ganz klar. "Wir wollen die olle SED nicht mehr, weil die ihr Wohlstandsversprechen nicht gehalten hat.
Wir wollen den Helmut Kohl, damit der bei uns blühende Landschaften macht."
Und so geht die Sause dort schon seit über 30 Jahren.
Im Osten wird viel geweint und die bösen Parteien gewählt, früher Die Linke, jetzt die AfD, damit man in Berlin wuschig wird und wieder mit dem Milliardenpflaster kommt.
Ein erheblicher Teil der Bürger wählt die AfD nicht aus der Überzeugung, dass diese die bessere Politik macht, sondern als Protestpartei und Denkzettel für Berlin.

Und so haben wir wirklich immer noch eine Ost-West-Teilung.
Oder glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass es so ein Geschrei gegeben hätte, wenn die Leutchen in Haselünne einen von der AfD mit Bürgermeister gemacht hätten?
Da hätte man den Leutchen mit einem "Viel Spaße damit" auf die Schulter geklopft und wäre zur Tagesordnung übergegangen.

Aber in dem Kaff Raguhn-Jeßnitz gab es den großen Abriss. Da sind dann extra die Journalisten aus Berlin hingetuckert.

Zur Abrundung gibt es ja noch in Berlin den Ossi-Beauftragten, der Benachteiligungen suchen wird, an den selbst die Ossis nicht gedacht haben. Und bei irgendwelchen Vergleichen steigt man ja dann immer gerne gleich in die Vollen. Wie ein Dorf-Fußballspieler, der sich gleich mit einem Messi vergleicht.

Ein Blick ins europäische Ausland widerlegt Gaucks Thesen. In zahlreichen demokratischen Staaten, die nicht wie die DDR 44 Jahre "zusätzliche Diktatur" erleiden mussten, sind Rechtspopulisten fester Bestandteil des demokratischen Parteienspektrums und keine Randerscheinung.

Weder wollen diese Populisten ein Drittes Reich, noch sind die grundsätzlich Anhänger einer Diktatur. Da wirft Bernd Müller wieder einmal einiges durcheinander.

Die spannende Frage ist doch viel mehr, wie robust sind die Demokratien, wenn es mal nicht so rund läuft und es keinen Onkel gibt, der die Kamelle unter das Volk wirft.
Können die Bürger der jeweiligen Staaten damit umgehen? Oder nicht?
So sind die skandinavischen Staaten, wie auch GB sehr robust, was die Aufrechterhaltung
von demokratischen Strukturen betrifft.
In anderen Regionen, bei denen die Bürger die Erwartung haben, dass ein großer Führer für deren Wohl zuständig ist, sieht die Sache schon anders aus.
Und da ist es völlig egal, ob der nun von "rechts" oder "links" kommt.

Nebenbei: Schon kurz nach der Wiedervereinigung wunderte man sich, warum Ossis direkt von der extremen Linken in die extreme Rechte wechselten. Oft lag der Wechsel allein an den Freunden. Der Rest ist ja auch sowieso nur Fassade.

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