Sehe ich auch so. Der hatte sein Amt noch weitestgehend ernst genommen und z.B. ein Gesetz auch mal NICHT unterschrieben und dazu dann auch erst mal ganz gerne eine Stellungnahme der Bundesregierung verlangt. Horst Köhler hatte es also verstanden, daß er als Bundespräsident auch eine rechts- und verfassungswahrende Kontrollfunktionen inne hat. Auch kann ich mich noch an seine Kritik an Merkels Politik erinnern, die für ihn nicht sonderlich tatkräftig erschien. Tja, dann hatte ihm ausgerechnet seine Aussage zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr das Genick gebrochen… An seinen Nachfolger Christian Wulffs habe ich kaum Erinnerungen mehr, außer seine berühmte Rede, daß neben dem Christen- und Judentum auch der Islam zu Deutschland gehören würde. Als Atheist stößt mir so etwas -offen gesagt- auf. Nein, keine Bange, ich fühle mich nicht diskriminiert obwohl die Religionsfreiheit nun mal auch das Recht umfasst, keiner Religion anzugehören.
Ich finde solche Aussagen generell unpassend, den eine Religion gehört meines Erachtens nicht automatisch zu einem Staat. Vielmehr herrscht hier doch sowieso Religionsfreiheit, siehe Artikel 4, GG. Für mich heisst das, daß hier jeder glauben darf an was er möchte. Das heißt für mich jedoch nicht, daß jede Religion hier machen kann was sie will und mit Hilfe ihrer Institutionen anderen auf den Geist gehen dürfen. Zum Beispiel gehört für mich ein Muezzin der lautstark rumkrakeelt um seine Leute zum Gebet zu rufen nicht zu Deutschland und auch nicht zur Religionsfreiheit. Zumal das sowieso nicht mehr zeitgemäß ist. Der kann das auch online machen oder so. Für das christliche Glockengebimmel gilt für mich natürlich das Gleiche…
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Nun endlich zum Thema (Sorry fürs Abschweifen):
Mit dem Gauck hatte die Regierung dann ihren Bilderbuch-Winkeonkel und Baumarkteröffner der Gesetze und alles dienstliche bestimmt ganz brav vorab blanko unterschrieben hat. Präsident sein als Dank für das Verschwinden diverser StaSi-Akten? Bei allem Respekt, aber Merkel und Gauck waren schon ein Dreamteam - im negativen Sinne.
@Liebe Freunde aus dem Osten Deutschlands:
Böse Zungen würden vielleicht jetzt sagen, daß das ja klar war daß das nichts geben würde. Zwei Ossis an der Spitze, die zudem noch das volle Sowjet-Programm eingeimpft bekamen war natürlich schon vielleicht etwas zu früh für die Republik. Horst Köhlers Kritik an Merkels Politik ist ja jetzt rückblickend ein Treffer ins Schwarze.
Ich persönlich finde das aber zu billig, alles mit Ost und West versuchen zu erklären. Gaucks Kritik an den Ostdeutschen klingt für mich da eher wie eine Selbstkritik.
Außerdem verstehe ich nicht, wie wir es nach über 30 Jahren immer noch zulassen, daß Keile zwischen uns getrieben werden. Daß es regionale Unterschiede in der Mentalität und gewissen Gewohnheiten gibt, ist doch ok und auch ein Stück weit charakteristisch für unser Land. Der Süddeutsche tickt anders als das Nordlicht, der Kölsche im Westen anders als der Sachse im Osten. Das gehört doch dazu, finde ich zumindest.
Daß sich ein Ex-Präsident jetzt hinstellt und unseren Freunden aus dem Osten der Republik psychische Probleme unterstellt, finde ich persönlich ein ziemlich starkes Stück. Ausgerechnet DER!
Und im Bezug auf den vermeintlichen Rechtspopulismus:
Man sollte sich doch lieber mal fragen warum das denn so ist. Warum die Umfragewerte für die AFD dort so hoch sind. Ich bin zum Beispiel mal mit dem Auto nach Leipzig und nach Dresden paar Tage (rund-)gereist (war übrigens super!). Klar, in den Metropolen konnte man schon bißchen Multi-Kulti erkennen, aber die Ortschaften dazwischen kamen mir persönlich (subjektiv!) nicht wirklich so stark betroffen vor (bitte korrigieren, mein Eindruck war nur eine Momentaufnahme).
Wenn ich dagegen hier abends durch Köln über die Ringe gehe, dann muss ich feststellen daß sich das Stadtbild im Vergleich zu meiner Studentenzeit (Mitte 90er) deutlich verändert hat. Das ist an sich ja kein Problem, Dinge ändern sich nun mal und ich bin boch kein alter Opa der in der Vergangenheit lebt (bevor ich evtl. falsch verstanden werde). Das Problem ist vielmehr diese angespannte, aggressive Stimmung. Es macht einfach keinen Spaß. Ich gehe abends zum Beispiel mittlerweile eher in die Veedel (Belgisches Viertel, Südstadt…).
Und das ist doch schade, daß ich mich als „Eingeborener“ selbst einschränke. Dabei liebe ich generell dieses Kölner Multi-Kulti Flair. Wirklich tolle Menschen, vornehmlich aus den „klassischen“ Gastarbeiterländern. Italiener, Spanier, Türken, Griechen…. echt super, ich genieße das echt und es haben sich viele Freundschaften entwickelt. Selbst die klagen mittlerweile darüber, daß sich das Gesicht der Stadt tendenziell negativ verändert.
Zu Gaucks Vorwurf des Rechtspopulismus im Osten:
Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund Sachsen: 7%
Aktuelle Umfragewerte Sachsen (Landtagswahl):
AFD 32,5%
Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund NRW: 30%
Aktuelle Umfragewerte NRW:
AFD: 14%
—> In Sachsen (als Beispiel Ost) hat statistisch gesehen jeder 14. Mensch ausländische Wurzeln, also einen Anteil an der Gesamtbevölkerung Sachsens von 7%. In den Dörfern dort vermutlich so gut wie gar nicht bemerkbar.
—> In NRW (als Beispiel West) hat statistisch gesehen nahezu jeder 3. Mensch ausländische Wurzeln, also einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von über 30%. Es ist auch in kleineren Städten durchaus bemerkbar.
Das heißt:
Obwohl in Sachsen im Vergleich zu NRW der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund um ein vielfaches geringer ist, die Menschen dort also auch eher wenig Berührungspunkte haben, würde jeder Dritte Sachse bei der nächsten Landtagswahl die AFD wählen. In NRW dagegen „nur“ die Hälfte. Ich weiß daß in absoluten Zahlen ein Vergleich zwischen NRW (~ 18 Mio Einwohner) und Sachsen (~4 Mio Einwohner) sicherlich unglücklich wäre. Relativ verstärkt das aber sogar noch die Kernaussage.
Persönliches Fazit:
Wie ich oben ja extra betont hatte, gefällt auch mir nicht, wie sich das Thema der Migration zum Beispiel hier in meiner Heimatstadt Köln entwickelt. Auch und gerade als eher toleranter Mensch. Denn ich muss mich ja fast schon in meiner Heimatstadt selbst einschränken, also wird meiner Toleranz nicht die entsprechende Gegentoleranz / Respekt entgegengebracht. Einschränken übrigens nicht, weil ich etwa Schiss hätte oder so - es macht schlicht und einfach keinen Spaß.
Nichtsdestotrotz würden laut Umfrage gerade mal die Hälfte der Menschen in NRW die AFD wählen, als die Menschen in Sachsen, die gleichzeitig einen wesentlich geringeren Anteil von Merkels Erbe haben.
—> Meiner Meinung nach ist Gaucks Vorwurf also zu kurz gegriffen. Ich kann mir aus oben genannten Gründen demnach nicht vorstellen, daß die hohen AFD Umfragewerte in Sachsen zwangsläufig mit einem entsprechend hohen Rechtspopulismus im Osten zusammenhängen sollte. Es werden vermutlich bzw. wahrscheinlich natürlich welche dabei sein, die in ihrem Kaff mit 0% Ausländeranteil total hirnverbrannt den rechten Arm heben und wahrscheinlich auch noch gleichzeitig Herrn Putin in der Ukraine die Daumen drücken (Hitler und Russland in einem ideologischen Kopf ist irgendwie schon etwas schräg).
Daß aber über 30% der dort lebenden Menschen so ticken sollen, wage ich dann doch sehr zu bezweifeln. Da sollte man doch lieber mal nachhören und auch ansetzen.
Von daher finde ich persönlich solche Auftritte wie vom Gauck eher beschämend. Ich gab den aber noch nie gemocht, bin vermutlich etwas befangen.
In diesem Sinne, Baxter
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Persönliche Meinung: Ost und West sollten lieber mehr zusammenhalten als sich ständig irgendwelche Ressentiments einreden zu lassen.