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  • minorityopinion

580 Beiträge seit 29.04.2010

Die Selbstentleibung des deutschen Journalismus

Propaganda ist in der politischen (und militärischen) Auseinandersetzung eine - bedauerliche - Tatsache. Jede Seite nutzt sie mehr oder weniger. Das ist, per se, keine Katastrophe. Fatal wurde es, historisch gesehen, immer dann, wenn eine Seite anfing, bedingungslos der eigenen Propaganda zu glauben.
Ich denke, es ist nicht übertrieben alarmistisch, zu behaupten, dass die gegenwärtige pensée unique in der deutschen Journaille ein - zumindest in modernen Staatswesen - historisch bisher nicht dagewesenes Phänomen ist. (Ein fruchtbares Feld für zukünftige Historiker!) Ein Dreivierteljahrhundert Staatsbürgerkunde für die Katz'...

Im Nationalsozialismus, in der DDR (um die üblichen Verdächtigen zu nennen) gab es - so lernt man es im Geschichtsunterricht - eine gleichgeschaltete Presse, die bestimmten politischen Vorgaben zu genügen hatte. Ihre Vertreter haben sich - aus Furcht oder Opportunismus (ich werfe nie Steine) - dem gebeugt, aber diejenigen Journalisten, die nicht mit der herrschenden Richtung sympathisierten, haben nie das Bewusstsein dafür verloren, dass sie in einem ideologischen Korsett operierten.*

Selbst die Leute an der Spitze, selbst diejenigen Staatslenker, an deren geistiger Gesundheit man mit einigem Recht Zweifel äußern kann - selbst Willem Zwo oder der Adi - sie erreichten nicht dieses Level, dieses Bonuslevel der Verblendung. Die wussten - oder ahnten zumindest - noch, dass es da draußen Leute gibt, die die Dinge schon ein bisschen anders sehen, als sie selber, hatten zumindest ein elementares Verständnis politischer Konflikte als Kampf konkurrierender Interessen.

Die absolut überwältigende Mehrheit der deutschen** Journalisten jedoch ist gegenwärtig unisono - und das ist das eigentlich Erschreckende - der Ansicht, jeder, der die Welt nicht so sieht, wie sie, ist schlichtweg verrückt! Das ist mit dem Begriff Filterblase nicht mehr adäquat umschrieben; das hat etwas ganz eindeutig Wahnhaftes!
Deswegen wäre es auch völlig aussichtslos, mit diesen Menschen rational zu argumentieren. Da hilft nichts, als die harte, knirschende Kollision mit der Wirklichkeit...

* Inwieweit die Vertreter der vierten Gewalt das in der goldenen Zeit des "freien Westens" wussten - "What is water?" -, lassen wir jetzt einmal dahingestellt.

** In Amerika sieht es leider nicht viel anders aus, wie das grandiose Buch "White" von Bret Easton Ellis zeigt.

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