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  • g.reiher

mehr als 1000 Beiträge seit 24.01.2014

Vielleicht bist du einfach zu jung,

um dich an die Zeiten zu erinnern, da es noch anders war. Z.B. zu Zeiten der Ostpolitik Willy Brandts. Als die SPD noch eine sozialdemokratische Partei war. Die ich übrigens nur einmal im Leben gewählt habe, als Brandt "mehr Demokratie wagen" wollte. Nach der gewonnenen Wahl 1972 zog er dann die Radikalenerlasse aus der Tasche, die jeden Lokführer oder Briefträger mit DKP-Parteiausweis den Job kosteten. Was von seinem damaligen Mitarbeiter Albrecht Müller bis heute tunlichst übergangen wird...

Wobei die Geschichte tatsächlich etwas komplizierter war. Die von Brandt angestrebte neue Ostpolitik stieß auf den hasserfüllten Widerstand der CDU/CSU-Presse, von Bild bis zum Bayernkurier. Demgegenüber standen liberale Medien, die längst die Unhaltbarkeit der revanchistischen Ausrichtung der BRD-Nachkriegspolitik unter Adenauer akzeptiert hatten. Spiegel, Stern, Zeit, FR etc waren damals ein journalistischer Gegenpol zum schwarz-braunen Sumpf der CDU/CSU-Presse. Brandt und seinen Unterstützern kam zugute, dass er letztlich mit seiner Ostpolitik nur nachvollzog, was bei den westlichen Verbündeten der BRD immer Konsenz war: Eine Wiedervereinigung Deutschlands, gar eine mit Gewalt erzwungene, stand niemals auf der Tagesordnung.

Letztlich setzte sich diese Erkenntnis auch im schwarz-braunen Lager durch, und der mediale Widerstand gegen die Ostverträge ebbte ab. Aber nicht, ohne das die SPD dafür einen Preis zu zahlen hatte: Wenn man schon die "Kommunisten" in der DDR akzeptieren musste, dann sollte zumindest kein Kommunist in der BRD Briefe austragen dürfen! Und Brandt war bereit, diesen Preis zu zahlen. Und hat mit den Radikalenerlassen bereits damals der SPD den Todesstoß versetzt. Nur konnte er die Reichweite dieses Kniefalls vor der Reaktion wohl noch nicht erkennen. Aber er hat damit seinen "Enkeln" Schröder, Scholz & Co den Weg gewiesen...

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