Was vermutlich ein Großteil der Eltern von Kindern und Jugendlichen nicht verstehen oder es sie einfach nicht interessiert, ist die Arbeits- und Wirkweise sozialer Medien.
YouTube Shorts dauern etwa 30-60 Sekunden. TikTok Videos dürfen zwar technisch länger sein, die meisten sind aber ebenfalls ultra kurz zwis gen 15 und 30 Sekunden.
Na ja, und bei Xwitter sind die Nachrichtentext auf 280 Zeichen beschränkt.
Diese auffällige Kürze der Darstellung ist belohnungsphysiologisch dem Rauch einer Zigarette nicht unähnlich: Hier wie dort kommt es zu einem steilen und hohen, aber sehr kurzen Dopaminausstoß im Belohnungszentrum, bei häufigem Gebrauch stumpft das System aber ab und reagiert kaum oder gar nicht mehr auf längere, zeitlich gestreckte oder weiter entfernte Belohnungsreize. Auch das Aufnerksamkeitssystem wird durch diese 30 Sekunden Videos buchstäblich abtrainiert, längeren und komplexeren Gedanken zu folgen und Assoziationen zu bilden.
Last but not least: Das stundenlange Schauen einer recht hohen Anzahl schnell aufeinderfolgender Videos, die inhaltlich wenig miteinander zu tun haben, behindert eine effektive Vernetzung und Einbettung neuer Inhalte in bestehende Wissensnetzwerke.
Mit anderen Worten: Die Struktur dieser "social media" verleitet zu häufiger und extensiver Nutzung, ja sogar zu pathologischem Nutzungsverhalten, welches wiederum die dynamische Aufmerksamkeits-, Lern- und Motivationsphysiologie beeinträchtigt.
Damit sind social media schlimmer als jedes Buch und jede TV-Sendung und schlimmer als die meisten derjenigen Computerspiele, die die Geschicklichkeit und Geduld herausfordern.
Und wenn ich das als Elternteil weiß, dann könnte ich meinen Kindern im einstelligen Alter unter keinen Umständen einen unabhängigen Zugang hierfür ermöglichen - da könnte ich sie auch gleich in den Drogenpark schicken.
Und natürlich darf, kann und wird auch jeder Volldepp, jeder Rattenfänger, jeder Schwurbler und jeder, der einem was verkaufen will, dort Dinge posten.
Wenn wir etwas über KI gelernt haben, dann dass ihr Trainigsinput von kritischer Bedeutung für deren Output ist. Wenn man sie ausschließlich mit den gesammelten Reden und Schriften von Pol Pot und Kim Jong Un etc trainiert, dann wird sie Inhalte generieren, die sich so anhören, als ob sie von Kim und Pot stammen könnten.
Mit dem menschlichen Geist ist es nicht viel anders: Die Art des Inputs beeinflusst in hohem Maße, wie sich die Person benehmen, was sie denken und wie sie handeln wird.
Man sollte den Kids TikTok und Co aber nicht komplett vorenthalten, sondern ein bis zwei Mal pro Woche eine halbe Stunde "Family social media time" machen wo man sich gemeinsam ein paar Beiträge zu vorausgewählten Themen anschaut und diese bespricht.