Ansicht umschalten
Avatar von Raumflieger
  • Raumflieger

432 Beiträge seit 12.08.2024

Ist jemand "beliebt", der in einer Umfrage gerade etwas mehr als ...

... die Hälfte aller aller Stimmen auf sich vereinen kann, oder wird er einfach nur als weniger großes Übel empfunden? Beim "Politiker-Ranking" würde ich auch aktuell nicht nur einfach von "Beliebtheit" ausgehen, sondern auch eher von "Bekanntheit" oder "Vertrauen in seine Arbeit". Da liegt Pistorius womöglich vorn, weil er in diesen Zeiten kompetenter wirkt, als vielleicht andere bekannte Politikerinnen und Politiker.

Ich hab mal die INSA-Umfrage angeschaut.
https://www.bild.de/politik/inland/insa-cdu-csu-legt-weiter-zu-union-fast-20-prozent-staerker-als-spd-66e82269fe73281543a94fb5

Wenn man sich den ganzen Spaß mal anschaut, so stellt man fest, nur Pistorius (51,2%) und Söder (47,2%) um die 50%-Marke herumliegen. Das Feld wird dann ziemlich eng besetzt: zwischen Wüst (Platz 3) und Klingbeil liegen nur etwas (Platz 7) mehr als 5%. Zwischen Platz 7 und Platz 15 (Habeck) liegen auch nur ca. 5% Abstand. Zwischen Platz 15 und Platz 20 (Wissler) liegen nur 3,2% Abstand.
Eine etwas andere Aufgliederung sagt: bei den Top 5 liegen zwischen dem ersten und dem fünften rund 9%, zwischen dem 6. Platz und dem 20. sind es auch nochmal ca. 9%.

Nehmen wir aber mal her, was wir haben. Wir schicken einfach mal für jede Partei die jeweils beliebteste Personalie ins Rennen und wir sortieren mal nach Parteien in Regierung und Opposition.

Für die Ampel treten an:
SPD: Pistorius (51,2%)
Grüne: Özdemir (38,2%)
FDP: Kubicki (37,5%)
Diese Aufstellung ergibt 127 Punkte für die Ampel.

Für die Oppositions-Parteien bringen sich in Stellung:
CDU/CSU: Söder (47,2%)
BSW: Wagenknecht (42,1%)
AfD: Weidel (34,4%)
In dieser Aufstellung können 124 Punkte errungen werden.

Das ist ein denkbar knapper Ausgang für die Ampel und entspricht fast genau dem Abstand zwischen Pistorius und Söder. Ich tausch mal zum Spaß die beiden aus:
SPD, BSW und AfD kommen dann zusammen auf 128 Punkte.
CDU, Grüne und FDP schaffen es auf 123 Punkte.

Das ganze ist natürlich alles nur Spielerei mit den Zahlen, ohne irgendeinen Mehrwert außer diversen Gedankenexperimente. Eine regierungsfähige Koalition unter Pistorius mit BSW und AfD ist eher nicht zu erwarten.

Man kann aber auch noch ein paar weitere konkrete Fakten aus dem Zahlenspiel herauslesen. Zum Beispiel ist unter den Top 5 nur eine Frau vertreten: Wagenknecht. Erst auf Platz 11 findet sich die zweite Frau: Strack-Zimmerman. Insgesamt herrscht keine Geschlechterparität: nur 6 der 20 aufgeführten Abgeordneten sind Frauen. Davon erringen drei Zustimmungswerte von weniger als einem Drittel (33,3%).

Wenn sich Popularität des Kanzlerkandidaten positiv auswirken sollte auf die Zustimmungswerte für die Partei, müsste eigentlich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Markus Söder als Kanzlerkandidaten nominieren, denn der liegt 5% vor Friedrich Merz. Im Falle der SPD geht klar der Auftrag an Pistorius, der fast 19% vor dem Amtsinhaber Scholz liegt.

Immerhin sind Merz und Söder auch jeweils Parteichefs von CDU bzw. CSU. Wagenknecht ist als Gesicht der BSW weitaus bekannter als ihre aktuelle wie ehemalige Partei, was zeigt, dass sie tatsächlich eine nennenswerte Wirkung erzielen kann als Person, wenn auch nicht politisch. Das muss anerkannt werden. Nur noch Weidel schafft es, als Partei-Cheffin auch den jeweils besten Platz für die eigene Partei zu holen. Danach werden reihenweise schlechte Zeugnisse ausgestellt.

Klingbeil (SPD) liegt mit 38,5% im Mittelfeld und mit Abstand hinter Pistorius (ca. 12,7% Abstand), Lindner liegt hinter Kubicki (je FDP), aber der Abstand ist mit 2,4% nicht sonderlich groß. Weder Lang noch Nouripour schaffen es ins Ranking, damit liegt Özdemir also mindestens 7,6% vor der Doppelspitze der Grünen.

Wenn man alle 20 Politiker gleichmäßig verteilt, bilden Weidel, Habeck, Baerbock, Chrupalla, Faeser, Scholz und Janine Wissler das Schlussfeld. Davon sind 4 Spitzenpolitiker aus der aktuellen Ampelregierung vertreten und drei aus der Opposition. Prisanterweise liegen sowohl Weidel wie auch Chrupalla (beide AfD) vor Faeser und Scholz. Die Bundesinnenministerin hat in den letzten Monaten mit einem zweifelhaften Verständnis von Demokratie und Verfassung von sich Reden gemacht. Das politisch aktivsten Grünen-Duo Habeck und Baerbock liegt nur hauchdünn vor Chrupalla und hinter Weidel.
Die beiden Grünen werden medial gern im positiven Licht geschrieben, während die beiden AfD-Politiker regelmäßig mit Negativschlagzeilen bedacht werden (wenn auch nicht so schlimm wie Höcke). Wer weiß, wo die vier Genannten stünden, gäbe es eine ausgewogenere Berichterstattung über sie.

Im Mittelfeld (6 Abgeordnete) finden sich sämtliche FDP-Abgeordnete, die auch 3 der Plätze für sich beanspruchen können, wenn auch eher in der unteren Hälfte. Nur Kubicki schafft es in den oberen Bereich. Cem Özdemir liegt vor Linnemann und mit Aiwanger schafft es ein Vertreter der FW in's Ranking im Mittelfeld. Dafür, dass der Mann nur in Bayern wirkt und weitaus weniger Sendebewusstsein hat als Söder, ist das ein brauchbarer Wert.

Und die ersten 7 Plätze gehen mehrheitlich mit 4 an die CDU, dann folgen SPD (2) und BSW (1). Die Top 5 wurden ja bereits besprochen, und die Erweiterung um Boris Rhein (CDU) und Lars Klingbeil (SPD) ändert grundsätzlich nichts am Gesamtbild.

Packt mal alles abschließend zusammen, ist das Politikerranking wenig ermutigend für die Ampelkoalition bzw. das Spitzenpersonal und eine persönliche Zäsur für Scholz, der über eine zweite Kanzlerschaft besser keine Gedanken mehr zu verschwenden braucht. Die Grünen-Spitze wird nicht wahrgenommen und sollte vielleicht lieber zurücktreten und Platz machen für bekanntere Vertreter. Und wenn die FDP eine Kursumkehr einleiten will, müsste Lindner gehen und Kubicki antreten lassen als Parteichef, aber auch der hat sich wenig mit Ruhm bekleckert, was seine politische Linie betrifft. Denn innerparteilich kritisch auftreten und im Zweifel nicht die eigene politische Agenda vertreten, sondern der Fraktionsdisziplin folgen, kommt nicht gut an. Von Kubicki hatte ich persönlich mehr erwartet.
Für die AfD gibt es zwar keine Morgenluft, aber immerhin sind die beiden Politiker, die's ins Ranking geschafft haben, keine Vertreter des Rechtsaußen-Flügels um Höcke, sondern konservativ-liberal (Chrupalla eher konservativ, Weidel eher liberal).

Wirklich "beliebt" ist keine Personalie. "Bekannt" oder "als kompetent wahrgenommen" trifft es eher und da müssen sich etliche Spitzenpolitiker der Ampel Gedanken machen, wo sie ihre politische Zukunft sehen.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten