Hinsichtlich der trefflichen Beschreibung des Neoliberalismus und seiner gesellschaftlichen Auswirkungen kann man Götz Eisenberg nur zustimmen. Das gilt ebenso bezüglich der elitär-menschenverachtenden Haltung der CDU.
Bei seinem philosophisch-anthropologischen Paradigma bin ich skeptischer.
Er führt aus: „Wenn über Fragen des Zusammenhalts einer Gesellschaft und ihrer sie tragenden Werte ernsthaft gesprochen werden muss, ist es eigentlich bereits zu spät.“
Wären diese Fragen dann nicht immer „zu spät“ gestellt? Eine Gesellschaft, in der dies nicht „zu spät“ wäre, gibt es wohl allenfalls in Utopien.
Jedenfalls außerhalb von Utopien hat sich Gesellschaft stets hierarchisch strukturiert, was wiederum – ganz im Sinne dialektischen Verständnisses – immer zentrifugale Kräfte und Widerstand mobilisierte, welche die gewachsenen Herrschaftsstrukturen wiederum anfochten. Vieles spricht dafür, dass dieses einem evolutionssoziologisch erklärbaren Muster folgt. Das Individuum kann danach (In Abwandlung der marxschen Deutung?) verstanden werden als „Ensemble evolutionärer Prozesse“ - Prozesse, welche die kulturellen Entwicklungen unserer Spezies einschließen. Um es allegorisch zu sagen: Im Sklaven ein Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse zu erblicken, ist begründet. Dabei zu übersehen, dass in ihm das Potenzial zum Sklavenhalters ruht, ist fahrlässig. Dies verkennt, dass Herrschaft-und-Widerstand ein(!) sich selbst reproduzierender, wechselwirkender Prozess - wenn auch unter ungleichen - ist.
„Über Fragen des Zusammenhalts einer Gesellschaft und ihrer sie tragenden Werte ernsthaft“ zu sprechen, dürfte mithin erforderlich bleiben – selbst wenn es gelingen sollte, den Kapitalismus durch eine andere Herrschaftsform abzulösen.
Vielleicht ist dieser Gedanke demotivierend für utopische (Heils)Erwartungen? Und ernüchternd hinsichtlich des optimistischen Menschenbildes des Humanismus? Für die Analyse könnte die Einnahme dieser Perspektive aber förderlich sein.
Höllisch aufpassen muss man dann bei den Schlussfolgerungen. Gegenüber jeglichem Sozialdarwinismus ohnehin. Aber auch gegenüber Fatalismus und zynischen Implikationen.
Nach Albert Camus ist „Die allen intelligenten Menschen gemeinsame Versuchung (…) der Zynismus“.
Jedenfalls ist die fortwährende Suche nach dem schmalen Pfad zwischen Zynismus und Resignation einerseits, und der riskanten Verwechslung utopischer Annahmen mit realen Gesellschaftsprozessen anderseits, wohl die wirkliche Herausforderung an die Intelligenz des Homo sapiens? Die Einfügung „eigentlich“ in dem eingangs zitierten Satz spricht insofern jedenfalls für den „Autor dieser Zeilen“!