marmer schrieb am 10.10.2016 12:35:
Ihr Problem ist dass Sie den Begriff der Ethnie vor allem genetisch interpretieren.
Dein Problem ist simpel, daß du etwas interpretierst, was ich gar nicht geschrieben habe. Ich bin mit meiner Frage eigentlich nur seiner Behauptung einer ethnischen Kohäsion entgegengetreten. Einer ethnischen Kohäsion, die es nie gegeben hat und auch heute nicht gibt.
Grundlage des ostfränkischen und späteren deutschen Reiches war das Kaisersystem, das mit einer relativ schwachen Zentralmacht und einem Adelsparlament im Reich relativ sicheres Recht und damit einen gewissen ethnischen Frieden gewährleistete (Kontrast: Französischer Absolutismus). Aber auch diese Stabilität schwindet, wenn man zeitlich auszoomt - Europa war politisch sehr aktiv und vor allem Deutschland war ein sehr variables Reich mit starker innen- und außenpolitischer Dynamik ohne tatsächlicher ethnischer Kohäsion (die ethnische Kohäsion basierte eher auf der Identität der Fürstentümer und ihrer Einflußbereiche).
Eine ethnische Kohäsion, also einen inneren Zusammenhalt auf der Grundlage einer gemeinsamen Identität gab es in dem Sinn tatsächlich wohl erst im neuen Kaiserreich, also ab spätem 19. Jahrhundert. Eventuell auch mit dem deutschen Bund - als Projekt der Eliten (analog der heutigen EU - siehst du in der EU eventuell auch ethnische Kohäsion? Gibt es die vielbeschworene Wertegemeinschaft woanders als auf dem Papier und den politischen Eliten als Popanz?). Auf breiter Ebene, also im Sinne einer kohärenten Volksdefinition (die "völkische" Identität) kam ein breites schichtenübergreifendes deutsches Selbstverständnis wohl tatsächlich erst mit WK1 bzw. im Gefolge dessen und der Versailler Verträge, die sich direkt (und nicht nur indirekt als Verschiebung der Herrschaftsbeziehungen der europäischen Monarchien) auf das deutsche Volk als gerade erst selbstkonstituierter Nation auswirkten.
Aber selbst wenn ich Ethnie genetisch interpretieren wöllte müßte ich damit spätestens mit Karl und seinem expandiertem Frankenreich brechen (wenn nicht schon mit den Römern und ihrer Expansion zum Rhein) - die Wellen der Völkerwanderungen, die in der Folge der diversen politischen Verwürfnisse einer innereuropäischen Politik nach der römischen Expansion dürften alle genetischen Singularitäten verschliffen und die Europäer als mehr oder minder Mischvolk zurückgelassen haben. Der Rest ist (mehrheitlich aristokratische und religiöse) Kulturpflege und Umwelteinflüsse.
Meine ganz praktische Bezugnahme auf Rassismus und "genetische Ethnien" ist simpel: Ich mag asiatische Frauen. Und das ist rein phänotypisch bedingt (sozusagen "positiver Rassismus"). Mehr hab ich mit Humangenetik (außer auf einer abstrakten, statistischen Ebene) nicht am Hut. Insofern interpretiere in einen simplen Satz sowas auch nicht hinein.