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  • marmer

mehr als 1000 Beiträge seit 27.11.2015

Re: Lernresistente üben sich im Schulterklopfmarathon

Mrothyr schrieb am 10.10.2016 13:19:

marmer schrieb am 10.10.2016 12:35:

Ihr Problem ist dass Sie den Begriff der Ethnie vor allem genetisch interpretieren.

Dein Problem ist simpel, daß du etwas interpretierst, was ich gar nicht geschrieben habe. Ich bin mit meiner Frage eigentlich nur seiner Behauptung einer ethnischen Kohäsion entgegengetreten. Einer ethnischen Kohäsion, die es nie gegeben hat und auch heute nicht gibt.

Ah, also der ganz kluge Relativismus: Deutschland wurde auch erst vorgestern erfunden, also gibt es halt morgen was Neues an dessen Stelle. Alles halb so wild. Araber gibt es ja auch eigentlich gar nicht. Alles nur eine Erfindung der Eliten. Und was sind schon Tuerken wenn nicht ein Instrument der Eliten um ihnen immer unterwuerfig zu sein. In Wirklichkeit sind wir alle total aequidistant verschieden. Jemand aus Kiefersfelden ist soweit von einem Kufsteiner enfernt wie jemand aus Emden von jemandem aus Raqqa.

Grundlage des ostfränkischen und späteren deutschen Reiches war das Kaisersystem, das mit einer relativ schwachen Zentralmacht und einem Adelsparlament im Reich relativ sicheres Recht und damit einen gewissen ethnischen Frieden gewährleistete (Kontrast: Französischer Absolutismus). Aber auch diese Stabilität schwindet, wenn man zeitlich auszoomt - Europa war politisch sehr aktiv und vor allem Deutschland war ein sehr variables Reich mit starker innen- und außenpolitischer Dynamik ohne tatsächlicher ethnischer Kohäsion (die ethnische Kohäsion basierte eher auf der Identität der Fürstentümer und ihrer Einflußbereiche).

Richtig das Deutsche Reich war POLITISCH schon immer foederal verfasst. Aber warum hat man sich dann ueberhaupt als Deutsches Reich gesehen wenn es gar kein Konzept des Deutschseins gab? Ab dem 15. Jahrhundert wurde fuer das HRR die Bezeichung HRR Deutscher Nation ueblich. Wie konnte das passieren ohne dass man wusste was man mit deutsch meinen koennte? Warum wurden die Habsburgerbesitzungen in Ungarn und in Italien nicht Teil des HRRDN? Warum hat man in Tirol und in der Schweiz schon im Mittelalter von den Welschen (=Fremden) gesprochen wenn man sich auf Italiener und Franzosen bezogen hat? Vor allem aber, wie kommt es denn das sich Tiroler (bayrisch) und Schweizer (alemannisch) entlang der gemeinsamen Grenze nicht gegenseitig als Welsche bezeichnet haben??? Und mir ist auch nichts derartiges von anderen innerdeutschen Grenzen bekannt. Wie kommt denn das? Da muessen die Leute an der Suedgrenze des alemannischen und des bayrischen Staatsgebietes wohl doch einen groesseren Unterschied wahrgenommen haben als den den ihre Zeitgenossen entlang der gemeinsamen Grenze empfunden haben.

Warum haben die Ottonen und Salier denn nach der Eroberung der Gebiete die heute grob der DDR entsprechen dann deutsche Siedler geholt wenn es doch damals gar keine Idee von Deutschsein gab? Warum dieser Versuch der Ostkolonisation? Und da waren auch Flandern dabei, aber keine Italiener oder Franzosen. Warum haben die Deutschordensritter Deutsche ins Land geholt wenn die Polen und Litauer die sie unterworfen haben sich doch sicherlich alle sofort gesagt haben dass es doch auch schoen ist dem Deutschen Orden zu unterstehen? Warum haben die Osterreicher nach der Verwuestung des suedlichen Ungarns im Zuge der Tuerkenkriege wohl versucht dort Deutsche anzusiedeln und nicht Maehren, Boehmer, Slowaken oder Italiener?

Und warum singen die Hollaender noch heute von Wilhelm von Oranien als einem Herrscher der 'von deutschem Blut' ist?? Das Lied ist um 1570 entstanden im Kampf der Hollaender gegen die Spanier. Da wurde nicht von hollaendischem, flandrischem oder friesischem Blut geschrieben sondern von deutschem. Deutsches Blut kann man aber nur besingen wenn es ein Deutschkonzept gibt.

Das Argument dass es kein zentralistisch regiertes Deutschland gab und dass die Grenzen der verschiedenen politischen Einheiten die Deutschland bildeten extrem fluide waren ist doch kein Argument gegen das Konzept der Deutschen Nation. Weil Deutschland immer schon ein Land war in dem die politische Entitaet 'Deutsches Reich' und die kulturelle Entitaet 'deutsche Bevoelkerung' auseinanderfielen, wurde der Begriff Nation hierzulande immer in einem kulturellen Sinne verstanden. Das ist in Frankreich und in England nicht der Fall. Dort faellt der Begriff der Nation mit dem Begriff des Staates zusammen.

Eine ethnische Kohäsion, also einen inneren Zusammenhalt auf der Grundlage einer gemeinsamen Identität gab es in dem Sinn tatsächlich wohl erst im neuen Kaiserreich, also ab spätem 19. Jahrhundert. Eventuell auch mit dem deutschen Bund - als Projekt der Eliten (analog der heutigen EU - siehst du in der EU eventuell auch ethnische Kohäsion? Gibt es die vielbeschworene Wertegemeinschaft woanders als auf dem Papier und den politischen Eliten als Popanz?).

Dieses Rumrelativieren ist einfach Schwachsinn. Die Idee das Konzept des Deutschseins dadurch zu relativieren indem man es auf Bayrischsein und Saechsischsein aufsplittet kann ich nur als Witz empfinden. Wollen Sie mir jetzt vielleicht nachweisen dass so mancher Bauer in den allgaeuischen Alpen gar nicht so recht wusste wo Emden liegt? Damit konnte er doch gar kein 'echter Deutscher' sein richtig. Er wusste zwar auch nicht wo Coburg ist, aber was solls, er war trotzdem ein Bayer der sich von einem Niedersachsen genauso stark unterschieden hat wie er sich von einem Seldjuken unterschieden hat, richtig? Und damit machen wir das ganze Deutschsein zum Elitenprojekt? Ja wer waren denn die Traeger der Kultur wenn nicht jeweils die Eliten? Wer hat denn die Literatur produziert? Waren das oekonomisch abgesicherte Moenche und andere Priviligierte oder der Bauer im Allgaeu? Haben die Bauern in ihrer Freizeit die Kathedralen erbaut oder hat der Adel und Klerus den aus den Bauern rausgequetschten Saft in Palaeste und Kathedralen verwandelt? Wurde Goethe von einem einfachen Handwerker gesponsort oder waren das verschiedene Adelsgeschlechter? Natuerlich sind Ideen und Wissenschaft nur von den Eliten betrieben worden.

Wie wollen Sie denn ueberhaupt wissen was die Menschen damals empfunden haben? Welche Beweise haben Sie dafuer dass sich die Buerger von Nuernberg und Augsburg ausschliesslich als Bayern empfanden und nicht als Deutsche? Genauso wuerde ich gern wissen woher Sie glauben zu wissen dass sich die Identitaeten der Buerger von Staedten in Anhalt durch die Schaffung Anhalts geaendert hat. Ich hab viele Hinweise darauf gegeben dass es eine Idee der Deutschen Nation gegeben hat. Sie haben einfach nur eine Behauptung aufgestellt dass die foederalistische Struktur Deutschlands einer kulturellen Zersplitterung entsprach. Das ist Schwachsinn. Wir haben eine gemeinsame Literaturtradition die selbst heute noch Oesterreich und die Schweiz einschliesst und das obwohl die Schweiz sich schon vor Jahrhunderten aus dem Reich verabschiedet hat und auch Oesterreich schon tausend Jahre als wichtige politische Subeinheit des Reiches existierte.

Auf breiter Ebene, also im Sinne einer kohärenten Volksdefinition (die "völkische" Identität) kam ein breites schichtenübergreifendes deutsches Selbstverständnis wohl tatsächlich erst mit WK1 bzw. im Gefolge dessen und der Versailler Verträge, die sich direkt (und nicht nur indirekt als Verschiebung der Herrschaftsbeziehungen der europäischen Monarchien) auf das deutsche Volk als gerade erst selbstkonstituierter Nation auswirkten.

Woher nehmen Sie denn diesen Quatsch? Die Preussen und die Oesterreicher haben seit spaetestens Maria Theresias und Fritzens Zeit um die Vorherrschaft in Deutschland gekloppt. Im 19 Jh. diskutierte man ueber grossdeutsche und kleindeutsche Loesung und der Dualismus der beiden Maechte ist genau das was eine Einigung so lange verzoegert hat obwohl in Deutschland spaetestens seit den napoleonischen Kriegen das nationale Fieber richtiggehend grassierte. Schliesslich hat sich Preussen unter Bismarck durchgesetzt und hat Oesterreich aus dem Deutschen Reich rausgedraengt.

Nichtsdestotrotz hat man direkt nach WK I in Tirol, Salzburg und Kaernten (oder wars die Steiermark?) Abstimmungen dazu durchgefuehrt (in den anderen Bundeslaendern hat man die Abstimmungen dann unterbunden) ob man einen neuen oesterr Staat will oder ob man zum deutschen Reich gehoeren moechte. Und was war das Resultat? Ergebnisse zwischen 95% und 98% fuer das deutsche Reich. In Laendern die seit Jahrhunderten zu den von Habsburg kontrollierten Laendern gehoerten und die schon 50 Jahre vorher aus Deutschland rausgedraengt worden waren immer noch eine extrem ausgepraegte Idee vom Deutschsein. Und Sie wollen tatsaechlich argumentieren dass selbst in Deutschland das Gefuehl des Deutschseins erst nach dem WK I durch Versailles ueber nacht geschaffen wurde? Mit verlaub, aber das ist einfach nur noch dummdaemliches Geschwaetz. Da kann man den unbedingten Willen die Idee der deutschen Kulturnation mit allen Mitteln kleinzureden und als voruebergehenden fad, als etwas was eh nur ein momentanes Hirngespinst ist, richtiggehend mit Haenden greifen.

Aber selbst wenn ich Ethnie genetisch interpretieren wöllte müßte ich damit spätestens mit Karl und seinem expandiertem Frankenreich brechen (wenn nicht schon mit den Römern und ihrer Expansion zum Rhein) - die Wellen der Völkerwanderungen, die in der Folge der diversen politischen Verwürfnisse einer innereuropäischen Politik nach der römischen Expansion dürften alle genetischen Singularitäten verschliffen und die Europäer als mehr oder minder Mischvolk zurückgelassen haben.

Das ist banalerweise fuer alle Zeiten und alle Voelker wahr. Wir sind ja auch alle aus Afrika gekommen und sind daher irgendwie alle verwandt. Ergo, es kann ja gar keine kulturellen Unterschiede geben, richtig? Alles eingebildet. Ueber Jahrtausende haben die Eliten die einfachen Menschen geblendet. Jetzt aber ist das Zeitalter des deutschen Antirassisten angebrochen der durch scharfsinnigste theoretische Ueberlegung verstanden hat dass es gar keine Kulturen gibt, bzw gibt es ganz viele sodass eine Unterscheidung gar nicht mehr sinnhaft ist. Denn wenn der Nachbar schon einer anderen Kultur angehoert dann sind wir ja wieder alle irgendwie gleich. Das einzige was als genetisch kodierte kulturelle Eigenheit eine kosmische Konstante ist, ist der Rassismus der deutschen Nazis die hierzulande noch hinter jeder Hecke lauern. Aber das wird ja - wie im Artikel angekuendigt - bald erledigt sein, weil diese Bestien durch erbschuldfreie Araber ersetzt werden.

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