Dabei ist der thüringische Mp nicht nur unbestritten der ranghöchste Amtsträger der Linken. Mit seinem Agieren und seinen Äusserungen setzt er sich, z. T. provokant, regelmässig in Widerspruch zu Grundwerten und Beschlüssen seiner eigenen Partei.
Mal lässt er den massgeblich für das EU-Steuerbetrugssystem verantwortlichen Jean-Claude Juncker mit dem Point-Alpha-Preis auszeichnen, mal fordert er Waffenlieferungen an die Ukraine. Und selbst im Bereich der Flüchtlingspolitik, eine Art Herzensangelegenheit vieler Linker, wirft er seiner eigenen Partei Blauäugigkeit vor.
Doch merkwürdigerweise hält sich die Kritik an Ramelow sehr in Grenzen. Da geht der Vorsitzende Schirdewan zu Ramelows Waffen-Deal-Forderungen vorsichtig auf Distanz und stellen zwei Basis-Mitglieder aus Sachsen einen aussichtslosen Parteiauschluss-Antrag. Aber ansonsten sind Ramelows Positionen innerhalb der Linken kaum ein Thema.
Warum ist das so und warum werden im thüringischen Landtagswahlkampf 2024 wieder Vorstand und sonstige Spitzen-Linke Ramelow intensiv unterstützen? Ramelow ist erfolgreich! Dass er sich als Sprachrohr des herrschenden Mainstreams zur Verfügung stellt, hat ihn bei den Medien beliebt gemacht. Der MDR z. B. agiert wie eine PR-Agentur Ramelows.
Ramelow zieht als umgänglicher Ministerpräsident der Mitte eine Menge Ambivalenz-Wähler an. Was macht es schon, wenn er bundesweit ein paar Linke vergrault? Nicht inhaltliche Positionen und eine an linken Ansprüchen ausgerichtete Politik sind für die Verteilung von Ämtern und Einkommen massgebend, sondern der Wahlerfolg. Unser parlamentarisches System mit den Privilegierungen von Amts- und Mandatsträgern korrumpiert. Das hat die schnelle Mutation der Grünen von der Aussteiger- zur Einsteigerpartei bewirkt und ist inzwischen auch - durchgängig auf der mittleren und höheren Ebene - bei den Linken angekommen.