Wenn schon die Überschrift heißt:
Kavanaugh: Mob-Rule versus Juristenputsch
dann frage ich mich, wer oder was ein "Mob-Rule" ist. Eine Mob-Regel? Ein Lineal für einen Wischmob? Wird jetzt bei jedem Artikel, der die USA betrifft, Englisch-Kenntnis oder spezifisches Hintergrundwissen der US-Amerikaner vorausgesetzt? Wenn man schon solche Begrifflichkeiten verwendet, die erst viel später im Text erklärt werden (immerhin wird es das!), dann sollte man sie in Anführungszeichen setzen: "Mob-Rule" vs. Juristenputsch
Das unabhängige Amt der Höchstrichter und die von ihnen erwartete ausgleichende Wirkung innerhalb der Gewaltenteilung werden damit vom Präsidenten selbst in Abrede gestellt. Ist die Demokratie in den USA jetzt am Scheideweg?
In der heutigen Zeit sind Richter schon lange nicht mehr unabhängig, siehe beispielsweise hier:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=46387 - "Ein amerikanischer Richter am Supreme Court meinte vor vielen Jahren einmal: „Wenn die Regierung das Recht bricht, lädt sie auch die Anderen dazu ein. Denn Straftaten sind ansteckend.“ Heute sagen die meisten Gerichte nur noch: „Das ist Politik. Da mischen wir uns nicht ein.“"
Auch die deutschen Staatsanwälte sind dem Innenministerium weisungsunterworfen, womit sich die Aufklärung von Straftaten auf höchster Ebene vereiteln läßt. Das aber nur am Rande.
Eine echte Demokratie gab es übrigens noch nie in den USA. Das Zwei-Parteien-System wurde von den Gründungsvätern geschaffen, um die Wahrung von Besitztümern zu etablieren und gleichzeitig dem Volk das Gefühl zu geben, daß sie mitbestimmen könnten. Andere Parteien sind zwar formal möglich, waren in der Praxis aber irrelevant. Selbst wenn sich mehrere Parteien wie in Deutschland formierten, so wäre das das politische Bild ähnlich homogen wie bei uns, weil sie alle neoliberal gepolt sind.
Genauso verhält es sich mit den zwei Parteien in den USA, den sogenannten Demokraten und den sogenannten Republikanern. Die Schnittmenge gleicher Ziele ist wesentlich höher als die Differenzen.
Technisch gesehen geht es um eine ununterbrochene Themensetzung, die der Gegenseite keinerlei Zeit zur Analyse einräumt.
Genau das ist das Problem bei solchen "hitzigen" Debatten, vor allem, wenn sie öffentlichkeitswirksam von höchsten politischen Amtsträgern inszeniert wird. Das sind allesamt Schauspieler, deren Worten den Taten nicht folgen, sondern, im Gegenteil, oft diametral sind.
tl;dr:
Es ist ein Sturm im Wasserglas, der ablenken soll.
Durch die in Teilen hochnotpeinliche Befragung Kavanaughs, der dümmliche Sprüche aus seinem Jahrbuch aus Schulzeiten kommentieren musste, entstand der Eindruck, er solle mittels gewisser Bezichtigungen politisch erledigt werden. So konnte die Angst geschürt werden, Männer seien in Gefahr, jederzeit zu Unrecht eines sexuellen Übergriffs bezichtigt zu werden.
Was hat das Eine mit dem Anderen zu tun?
Was haben "hochnotpeinliche Befragungen" mit "sexuellen Übergriffen" zu tun? Wo ist da der Zusammenhang? Ich sehe ihn nicht.
Ohne Frage gibt es solche Fälle falscher Anschuldigungen, sie sind allerdings extrem selten. [...] Demgegenüber ist die falsche Anschuldigung eine weitgehend abstrakte Gefahr, vermutlich etwa so wahrscheinlich wie das Opfer eines Terroranschlags zu werden. Mag die Gefahr auch real sein, die Sorge davor ist längst überdimensioniert. Eine Überdimensionierung, die im Fall des Terrors, wie auch der falschen Anklage wegen sexualisierter Gewalt, politisch instrumentalisiert und geschürt wird.
Das kann schneller gehen, als man denkt. Wenn man etwa politischen oder wirtschaftlichen Zielen im Wege steht, sieht man sich durchaus früher einer solchen Anschuldigung gegenüber, als einem lieb ist -- gerade in den USA. Aber auch in Deutschland wächst eine Generation heran, die körperliche Nähe schnell mit Nötigung gleichsetzt. Das Denken steckt bereits in den Köpfen, und wenn der Boden gut genährt ist, sprießen die Knospen leicht -- zumal man nicht vergessen darf, daß gerade durch den "Kampf gegen den Terror", den die USA seit dem 11. September 2001 rigoros in der ganzen Welt führen, eben selbiger Terror explosionsartig zugenommen hat. Hinzu kommt, daß sich das Wissen um die Labilität des sozialen Friedens mit dem Druckmittel der sexuellen Nötigung leicht für die eigenen, ganz persönlichen Ziele einsetzen läßt, um Konkurrenten auszuschalten. Das ist eine zutiefst neoliberale Indoktrination, die ich mit großer Sorge sehe.
Aus dieser Argumentation erwächst eine Opfer/Täter-Umkehrung. Frauen sind aus der Sicht von Donald Trump eine große Gefahr für Leib und Leben, weil sie jederzeit Männer gewisser Dinge fälschlicherweise bezichtigen könnten. Das kleine Detail, dass sie dies nahezu niemals tun, fällt unter den Tisch.
Wie viel ist denn "nahezu niemals"? Wenn man mit solchen Anschuldigungen Karrieren und sogar Existenzen vernichten kann, dann verhält es sich wie mit Verkehrstoten:
Jeder ist einer zuviel.
Außerdem könnte man diesem Phänomen ganz einfach begegnen, indem man es nicht, wie suggeriert wird, willenlos hinnimmt, sondern sich wieder auf die Unschuldsvermutung beruft. Ein Mensch ist so lange unschuldig, bis ihm seine Schuld bewiesen wurde.
Wenn eine Frau also einen Mann der sexuellen Nötigung bezichtigt, so hat sie das zu beweisen. Die Gefahr eines Mißbrauchs ist sonst viel zu hoch (abgesehen davon, daß sich bereits die Anschuldigung derart in den Köpfen der Zuhörer festsetzt, daß der Mann jetzt ein Triebtäter sei und man allein damit schon sehr viel ruinieren kann).
Keine der Frauen die beispielsweise die Wahrheit über die Vergewaltigungen des ehemals hoch angesehen Stars Bill Cosby sagten, wurden damit reich oder berühmt.
Diese Einlassung ist würdelos, weil sie übergeht, daß sexuelle Gewalt zu Traumata führen kann, deren Aufarbeitung viele Jahre in Anspruch nimmt. Weiters relativiert sie sich selbst, weil diese Frauen sehr wohl in den Medien namentlich genannt werden. Eine Berühmtheit ist also durchaus gegeben, womit der Autor übrigens selbst mit der namentlichen Nennung Vorschub leistet.
Quod erat demonstrandum.
Hier soll wohl suggeriert werden, daß eine falsche Anschuldigung sinnlos sei, weil der Nutzen praktisch nicht vorhanden wäre, obwohl er de facto ziemlich hoch liegt.
Natürlich will ich die Gefahr vor Repressionen im Falle der Beschuldigung von hoch angesehenen oder mächtigen Personen, wie auch Kavanaugh einer ist, nicht kleinreden. Allerdings ist das Mißbrauchspotential hier ungleich höher, weil mit der Beseitigung einer solchen Person ein Platz frei wird, den man umgehend selbst belegen kann oder ihn für gezielt für jemanden frei räumt. Wenn hier also dreckige Wäsche in dieser Form gewaschen wird, dann sind solche Anschuldigungen eher als Mittel zum Zweck zu sehen, denn als moralischer Kompaß. Der zeigt in solchen Sphären ohnehin nicht die richtige Richtung an.
Naturgemäß können die Demokraten der Argumentationslinie der Republikaner wenig abgewinnen, die sich selbst neuerdings als die "Party of Justice" bezeichnen und die Demokraten als die "Party of Crime".
Letzteres muß wohl heißen, daß sie die Republikaner als "Party of Crime" sehen, denn sonst sähen sich die Demokraten sowohl als "Gerechtigkeitspartei" als auch als "Verbrecherpartei". Übrigens eine Argumentation auf sehr niedriger Ebene, weil sie personalisiert anstatt inhaltlich agitiert.
Im Gegenteil sehen sie im Vorgehen der Republikaner eine Art juristischen Putsch.
Kann gar nicht sein. Bei vielen neoliberalen Gesetzen wirkten Demokraten und Republikaner sehr konstruktiv zusammen, ebenso, wenn es um internationale Kriegsführung geht, oder um die Zerstörung und Unterwanderung unliebsamer, nicht US-getreuer Länder. Gab es irgend welche politischen Konsequenzen, initiiert von einer der beiden Parteien, als öffentlichkeitswirksam herauskam, daß 5 Milliarden US-Dollar in den gezielten Umsturz der Ukraine, der ganz klar ein Bruch des Völkerrechts darstellt, gesteckt wurden?
Zunächst belegte der Ruf nach einer FBI-Untersuchung erneut, dass Donald Trump eine strategische Null ist.
Tatsächlich ist er gar nicht so dumm, was Strategien betrifft. Man muß sich stets vor Augen halten, welche Ziele er mit welchen Mitteln verfolgt. Dir Mär vom "dummen Multimilliardär" hält sich immer noch wacker, obwohl das Eine das Andere ausschließt...auweia. So dumm kann er gar nicht sein, sonst hätte er sein Geld schon längst verzockt und wäre auch nicht US-Präsident geworden.
Nur, weil einem eine Strategie nicht auf Anhieb schlüssig vorkommt, muß das noch lange nicht heißen, daß sie dumm oder gar nicht existent wäre. Das ist ja Sinn einer Strategie.
Mit einem gewissen Recht fürchten sich somit alle Beteiligten vor Ermittlungen, da diese, wenn mit harten Bandagen geführt, mehr zur politischen Polarisierung dienen als zur Wahrheitsfindung.
Wer hat noch gleich die Behauptung aufgestellt, daß die USA ein demokratischer Rechtsstaat sei?
Damit ist sie wohl endgültig widerlegt.
Längst ist der schillernde Anwalt Michael Avenatti auf den Plan getreten, der den Pornostar Stormy Daniels vertritt, die eine Affäre mit Trump hatte und von diesem Schweigegeld bezogen haben will.
Auch hier wieder der Gegenbeweis, daß Anschuldigungen sexueller Nötigung sehr wohl Berühmtheit fördert -- natürlich mit Namensnennung.
Avenatti hat die Vertretung einer der Anklägerinnen Kavanaughs übernommen[,] und somit darf die Öffentlichkeit mit vielen neuen Enthüllungen rechnen.
Hier wird die Sensationsgeilheit des Pöbels bedient. Lenkt auch sehr gut von echten Staatsgeschäften ab.
Wenn ich den Artikel so resümiere, dann stelle ich inhaltlich fest, daß da nichts bei rumgekommen ist, außer, daß viel mit Dreck geworfen wird und der Eine auch nicht besser als der Andere ist. Insofern nichts Neues, und mit Demokratie hat das Ganze nun wirklich überhaupt nichts zu tun.
Eine grob umrissene Biographie über den mutmaßlichen Protagonisten, Brett Kavanaugh, auf politischer Ebene sucht man hier ebenso vergeblich wie seriöse Berichterstattung. Was hat der Mann zuvor noch gleich gemacht, und warum ist er nun Richter am obersten Gerichtshof der USA geworden?