Ansicht umschalten
Avatar von
  • unbekannter Benutzer

451 Beiträge seit 02.04.2001

Fortsetzung 1

- Die sexuellen Wünsche, die sich tatsächlich als Reaktion auf die
Pornos einstellten, waren bei Männern und Frauen unterschiedlich. Bei
Männern stand das Interesse an Fellatio, Gruppensex und aktiver
Verführung im Vordergrund, bei Frauen rutschten Cunnilingus,
sexueller Kontrollverlust und passive Verführung auf ihrem
Wunschzettel nach oben. In die Tat umgesetzt wurden allerdings weit
weniger Phantasien, die mit sexueller Dominanz zu tun hatten, sondern
hauptsächlich Petting und Fellatio bis zum Orgasmus sowie Cunnilingus
und Analverkehr. Nur 0,5 % der Männer und ebenfalls 0,5 % der Frauen
setzten ihren Wunsch nach einer Vergewaltigung durch den Partner in
die Realität um (124, 136-137). Solche Gewaltinszenierungen wurden
aber nicht von Pornographie ausgelöst, wenn der Wunsch nach ihnen
nicht von vorneherein in den Betrachtern bestand (124, 475). · In
keiner Testgruppe hatte der mehrwöchige intensive Kontakt mit
Pornographie einen Einfluss auf Wünsche gehabt, jemanden durch
psychischen oder körperlichen Druck zum Sexualverkehr oder zu
bestimmten sexuellen Praktiken zu bewegen, weder bei den Männern,
noch bei den Frauen (124, 389). Es gebe keine Hinweise darauf, dass
Pornographie bei Männern »unweigerlich zu manifester Gewalt und zur
Brutalisierung ihres Sexualverhaltens gegenüber Frauen führt und
damit unter anderem die Wahrscheinlichkeit von Vergewaltigungen oder
sadistischen Praktiken erheblich erhöht« (124, 475). Statt dessen
hatte sich die Einschätzung, Filme mit sexuell-aggressiven Inhalten
hätten nichts mit der Realität zu tun, im Vergleich zum Beginn der
Untersuchung verdoppelt. Dass Pornographie nichts mit der Realität zu
tun habe, fanden jetzt mehr Männer als Frauen richtig. Vor dem
24-wöchigen Kontakt mit dem pornographischen Material war es
umgekehrt gewesen
(124,427-428).

- Bei der Konfrontation mit sexuell-aggressiver Extrempornographie
zeigte sich bei Männern wie Frauen eine stark negativ ausgeprägte
Ablehnung ohne sexuelle Begleitreaktionen. Die Gefühle erstreckten
sich dabei von Befremdung und Verstimmung bis zu intensivem Arger und
Ekel und steigerten sich noch im Verlaufe der weiteren Untersuchung.
Statt einer Gewöhnung trat also eine negative Sensibilisierung ein:
Die Abwertung verschärfte sich, und die »einer sexuellen Erregung
entgegengesetzten Reaktionsmusternahmen weiter zu.« (124, 280-281)

- »Anhaltspunkte für eine Pornospirale im Sinn einer inhaltlichen
Eskalierung von harmlosen erotischen Darstellungen bis zu
Extrempornographie gibt es nicht. Erstaunlich ist vielmehr, dass
selbst intensive Konsumenten immer wieder auf ein und dasselbe Genre
von Standardpornographie zurückgreifen.« (124,475) Besonders delikat
ist hier, dass gerade Deutschlands entschiedenste Porno-Gegnerin,
Alice Schwarzer, die Ertel-Studie kennt und bis hin zu ihrem neusten
Buch »Der große Unterschied« auch immer wieder daraus zitiert.
Zitiert werden von Schwarzer aber nicht die Ergebnisse dieser Studie
in ihrer Gesamtheit - da müsste Schwarzer ja zugeben, dass ihre
Anti-Porno-Position nicht mehr zu halten ist -, sondern lediglich
einige wenige aus dem Zusammenhang gerissene Sätze, die Schwarzers
Ansichten fälschlich zu untermauern scheinen. Hier ist im Eifer der
Rechthaberei und der Pornographiefeindlichkeit auch die letzte Spur
von wissenschaftlicher Redlichkeit verloren
gegangen.

Erstaunlich oft kann man die Ansicht hören oder lesen, dass manche
Studien einen Zusammenhang zwischen Pornographie und Gewalt
bestätigten, andere diesen Zusammenhang aber verneinten. Die
Forschung habe mit sich widersprechenden Ergebnissen zu kämpfen und
sei noch zu keinem einheitlichen Schluss gekommen. Diese Einschätzung
ist weit verbreitet, aber sie ist Humbug. »Es gibt keine seriöse
Untersuchung, die eine kausale Verbindung zwischen dem Konsum von
Pornographie und Gewalt bzw. der Herabsetzung von Mädchen und Frauen
herstellt«, führt die feministische Sozialpädagogin Constance
Engelfried aus, die sich mit diesem Thema eingehend beschäftigt hat
(121, 165). Ebenso unmissverständlich äußern sich die Feminists for
Free Expression: »Keine reputable Untersuchung in den USA, Europa
oder Asien hat je einen klaren Zusammenhang zwischen Pornographie und
Gewalt entdeckt.« Das trifft auch für sadomasochistische oder
»entwürdigende« Pornographie zu (133). Die umfassendste Auswertung
neuester sozialwissenschaftlicher Daten in Marcia Pallys 1994 in den
USA erschienenem Buch »Sex and Sensibility: Reflections in Forbidden
Mirrors and the Will to Censor« kommt zu demselben Ergebnis. Das FBI
hat keinerlei Hinwe ise darauf entdeckt, dass der Konsum von
Pornographie, ob gewalttätig oder nicht, zu Verbrechen führt. Die
Datensammlung des Staates Michigan zu sexuellen Gewalttaten, die bis
in die fünfziger Jahre zurückgeht und 70.000 Fälle aufgezeichnet hat,
konnte keinerlei Verbindung zwischen Pornographie und sexuellen
Übergriffen feststellen. Und das Kinsey-Institut, das 1.356
verurteilte Sexualstraftäter befragte, fand heraus, dass diese Männer
sogar weniger an pornographischen Schriften interessiert waren als
der Rest der Bevölkerung (347, 46-50). Dr. Irwin Stotzky,
Rechtsprofessor an der Universität Miami, hält schon die
Fragestellung für lächerlich: »Die Behauptung, Pornographie führe zu
Gewalt, ist so sinnvoll wie die Behauptung, Alkoholwerbung führe zu
Heroinabhängigkeit.« (347, 65) Auch das von der britischen Regierung
zur Pornographie-Frage eingerichtete Williams-Komitee konnte
keinerlei Verbindung zwischen Pornos und gewaltsamen Übergriffen
ausmachen: »Man kann Sexualstraftaten Fall für Fall untersuchen, ohne
den geringsten Hinweis auf Pornographie im Hintergrund zu entdecken.«
(64, 127-128). Zahlreiche andere von einer Regierung in Auftrag
gegebene Studien konnten ebenfalls keinerlei Nachweis für
entsprechende Zusammenhänge erbringen (478, 299-300). Wobei es am
entsprechenden Willen wahrlich nicht gefehlt hat. Am berühmtesten ist
wohl das Beispiel der US-amerikanischen Meese-Kommission.

Die Meese-Kommission wurde 1986 von Ronald Reagan mit dem einzigen
Ziel der Ausrottung von Pornographie gegründet. Reagans Ziel war es,
die Erkenntnisse einer anderen Kommission zu diesem Thema, die 1970
von Präsident Nixon gegründet worden war, zu widerlegen. Nixons
Kommission war damals zu dem Schluss gekommen, dass man keinerlei
Zusammenhang zwischen Pornographie und Gewaltakten herstellen konnte,
und drängte daher darauf, die meisten Zensurgesetze zurückzuziehen.
So etwas Peinliches sollte nicht noch einmal passieren. Aus diesem
Grund erlaubte die Meese-Kommission zum Beispiel die Anhörung von 42
Angehörigen der Anti-Porno-Bewegung, ließ aber »aus Zeitgründen« nur
drei Personen zu Wort kommen, die gegen eine staatliche Zensur
argumentierten.
Die Zeitgründe spielten keine Rolle mehr, als eine Gruppe von
Radikalfeministinnen zusätzliche Redezeit einforderte. Diesen
Feministinnen war es bei ihrem Kreuzzug gegen die Pornographie
übrigens vollkommen egal, dass sie mit ihren Auftritten ihren
stärksten politischen Gegner unterstützen. So war dem Republikaner
Patrick Buchanan zufolge der Feminismus eine Philosophie, die Frauen
dazu brachte, ihre Männer zu verlassen, ihre Kinder zu töten, sich
dem Lesbentum zuzuwenden und den Kapitalismus umzustürzen (60, 152).
Auch bestand das eigentliche Ziel der Meese-Kommission darin, die
durch die sexuelle Revolution entstandene Trennung von Sexualität
einerseits und Zeugung beziehungsweise Ehe andererseits rückgängig zu
machen. Auf demselben ideologischen Boden gediehen auch Maßnahmen
gegen Abtreibung, Sexualkundeunterricht, die Erhältlichkeit
preisgünstiger Verhütungsmittel oder Vibratoren und die Rechte der
Homosexuellen (323,131; 284,109). Aber schließlich hatte sich die
Anti-Porno-Bewegung schon zehn Jahre zuvor mit Organisationen wie
Anita Bryants »Rettet unsere Kinder« zusammengetan - gerettet werden
sollten die Kleinen schon damals vor den Homosexuellen, denen
liberalere Gesetze gewährt werden sollten (487, 207). So ließen die
reaktionären Kräfte in der US-amerikanischen Regierung also ihre
Drecksarbeit diesmal von Feministinnen machen, so fragwürdig deren
Aussagen auch waren. »Ich wurde vergewaltigt, und ich glaube,
Pornographie war dafür verantwortlich«, lauteten deren Bekundungen -
in Fällen, in denen kein objektiver Beobachter einen solchen
Zusammenhang erkennen konnte. Andere Frauen sagten aus, sie seien mit
»Playboy« und »Penthouse« konfrontiert worden und hätten daraus
gelernt, dass die Beziehung zwischen Männern und Frauen durch Gewalt
geprägt sei (61).
Reagans Leute schrieben fleißig mit.
Bewerten
- +
Ansicht umschalten