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451 Beiträge seit 02.04.2001

Fortsetzung 3

Wenn man dieselbe Energie in die Bekämpfung der tatsächlichen
Ursachen sexueller Gewalt stecken würde, wäre uns allen deutlich mehr
geholfen. Stattdessen prügelt man auf einen leicht erreichbaren
Sündenbock ein - zur Not auch ohne die geringste argumentative
Rechtfertigung. So antwortete die Porno-Gegnerin Susan Brownmiller,
als sie vom »Boston Globe« nach der wissenschaftlichen Grundlage für
ihre Überzeugung gefragt wurde: »Wir stellen die Ideologie zur
Verfügung, es ist der Job anderer Leute, die passenden Daten
herbeizuschaffen.« (498, 88)

  Man kann sich dieser Frage zum Beispiel auch dadurch nähern, dass
man sich mit dem psychologischen Hintergrund von Vergewaltigern
befasst. Entsprechende Studien gibt es auch in großer Zahl, nur
kommen sie sämtlich zu anderen Erkenntnissen als »Emmas« Kronzeuge
Glogauer. Unter anderem gelten folgende Tatsachen als gesichert:

- Vergewaltiger haben weniger das Betrachten von Pornographie gemein
als das Gefühl von Machtlosigkeit, etwa infolge von sexuellem
Missbrauch in der Kindheit oder dem Aufwachsen in einer autoritären
Familie (81, 146).

- Als andere Faktoren, die Vergewaltigungen begünstigten, stellten
sich Alkohol und, zu drei Vierteln, aggressiver Gruppendruck heraus-
Das ergab sich in einer von Suzanne Ageton, Judith Becker und Robert
Stein durchgeführten Befragung aus den Angaben der Täter.
Pornographie wurde von ihnen nicht genannt, obwohl sie dadurch ihre
Schuld zum Teil hätten abwälzen können (347, 45). Manche
Sexualstraftäter berichteten sogar, dass Pornographie
sie von Gewalttaten abgehalten habe (64, 129).

- Sexualtäter haben eher weniger Umgang mit pornographischen Material
als der Durchschnitt und kamen damit erst später in Berührung als
Nichttäter. Die meisten von ihnen erhielten eine strenge,
antisexuelle Erziehung und wären von ihren Eltern vermutlich bestraft
worden, wenn man sie beim Lesen solchen Materials »erwischt« hätte.
Bilder sexueller Lust empfinden sie häufiger beklemmend als sexuell
erregend; oft sind sie von ihnen mehr noch angeekelt als selbst die
radikalste Feministin. Ebenso wie manche Feministin teilen sie Frauen
pauschal in sexuell reine »Madonnen« und sexuell jederzeit
verfügbare »Huren« ein.
Gerade weil diese Männer Sex als unrein und verdorben betrachten,
benutzen sie das gewaltsame »Entehren« von Frauen als eine Art
Bestrafung. Eine sexuell selbstbewusste Frau ist in ihren Augen
»sowieso eine Schlampe, die es nicht anders verdient hat«. Einige der
führenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet sehen die Theorie, dass
Erotika bei aggressiven Menschen gewaltsame Reaktionen reduzieren
können, durch eine große Fülle von Forschungsmaterial gestützt und
empfehlen ausdrücklich, Pornographie in deren Behandlung einzusetzen
(64, 147-148; 180, 9; 347, 51; 478, 310). Tatsächlich wird
Pornographie wegen ihres erzieherischen und therapeutischen Werts in
den USA auch in über 40.000 Institutionen und von 8.000
Sexualmedizinern mit eigener Praxis zur Behebung sexueller Störungen
eingesetzt (498, 189).

- Vergewaltiger können statt dessen von völlig asexuellen
Darstellungen erregt werden. Selbst die harmlosesten Bildern in
Illustrierten oder auf Werbeplakaten werden in ihrer Phantasie mit
Sexualität und Gewalt aufgeladen (81,
146; 124, 20).

Vor diesem Hintergrund liegen die Fehler der Zensurbewegung auf der
Hand. Erstens: Wenn man sich dem Trugschluss hingibt, der Grund für
sexuelle Gewalt sei Pornographie und nichts anderes, vernachlässigt
man die Erforschung der wahren psychologischen Vorgänge in
Vergewaltigern und verschenkt so eine Chance, dieses Verbrechen in
den Griff zu bekommen. Zweitens: In einer Gesellschaft, in der die
Zensur gedeiht, würde vermutlich auch Vergewaltigung blühen. Im
Umkehrschluss müsste diesen psychologischen Erkenntnissen nach in
Staaten mit freiem Zugang zur Pornographie die Vergewaltigungsrate
sogar niedriger sein. Kann man so eine kühne Vermutung auch anhand
der Realität beweisen?

Man kann. So wurde zwischen 1964 und 1974 in Singapur, einem Land,
das sehr restriktive Gesetze gegen pornographische Materialien
besitzt, eine wesentlich stärker ansteigende Kurve bei
Vergewaltigungen registriertals in Schweden, das im selben Zeitraum
seine Obszönitäts-Gesetze gelockert hatte. In Japan sind Gewaltpornos
mit extremen Fesselungen und sexuellen Folterungen, bei denen sich
selbst einem deutschen Sadomasochisten die Fußnägel kräuseln, leicht
erhältlich. Dort gingen die Vergewaltigungsdelikte um 45 Prozent
zurück. Insgesamt beträgt die Vergewaltigungsrate im Land der
aufgehenden Sonne 2,4 pro 100.000 Einwohner. In den puritanischen
Vereinigten Staaten, in denen selbst der »Playboy« vielerorts nur mit
auf dem Cover eingeschweißten Pappdeckeln verkauft werden darf, ist
diese Quote mehr als vierzehnmal so hoch
(478,306).

Hartnäckige Kritiker könnten immer noch einwenden, dies sei mit der
oben skizzierten Logik vergleichbar, derzufolge der Storch die Kinder
bringen müsste. Die Staaten des fernen Ostens unterscheiden sich von
den USA ja noch in ganz anderen Dingen, die eine Auswirkung auf die
Zahl der sexuellen Straftaten haben. Gut, vergleichen wir die Staaten
der USA untereinander: In Utah gibt es die strengsten Hindernisse für
die Verbreitung pornographischer Materiahen, die Vergewaltigungsrate
bewegt sich dort im Vergleich zu den anderen US-Staaten aber
lediglich im mittleren Bereich. Das wesentlich liberalere New
Hampshire hingegen rangiert, was die Häufigkeit von Sexualverbrechen
angeht, weit
hinten (478, 303).
Ebenso eindeutig ist der Umstand, dass mit einem Abbau der Zensur von
Erotika die Zahl von Übergriffen auf Frauen sinkt, statt zuzunehmen.
In den USA sank die Zahl der versuchten Vergewaltigungen von 1973 bis
1987, obwohl das veränderte gesellschaftliche und gesetzliche Klima
es Opfern inzwischen leichter macht, mit ihrem Schicksal an die
Öffentlichkeit zu gehen. Dasselbe gilt übrigens für die Zahl der
geschlagenen Ehefrauen (478, 303-304). Im Jahr 1991 legte Professor
Kutchinsky an der Kopenhagener Universität eine Studie vor, der
zufolge in Dänemark, Schweden und unserem eigenen Land zwischen 1964
und 1984 die nichtsexuellen Gewaltverbrechen zwar um 300 Prozent
gestiegen waren, nach einer leichteren Verfügbarkeit pornographischer
Materialien die Zahl der Sexualverbrechen aber zurückging: In
Dänemark sanken Übergriffe gegen Mädchen in dem Zeitraum, in dem die
Zensur am stärksten auf dem Rückzug war und man harte Pornographie
gesetzlich zuließ, auf ein Sechstel ihrer früheren Zahl. Dieser
Effekt ließ sich nicht auf andere Faktoren wie geringere
Berichterstattung oder weniger Sorgfalt bei der Polizei zurückführen
(478, 305-306; 304, 102-103; 282, 475). Andere Vergleiche von
Verbrechensraten stützen diese Erkenntnisse (304, 115). Die These von
der Verführbarkeit von Männern durch Gewaltpornographie lässt sich in
keiner Weise aufrechterhalten, im Gegenteil. 1991 kamen Howard
Barbaree und William Marshall vom Queen's College in Ontario zu einem
Untersuchungsergebnis, das Professor Ertels Studie perfekt ergänzt:
»Die meisten Männer erleben, wenn sie eine Beschreibung über eine
Begegnung hören, in der der Mann die Frau gewaltsam zum Sex zwingt,
wobei die Frau seelischem und körperlichem Schmerz ausgesetzt wird,
eine Einschränkung ihrer Erregung um ungefähr 50 Prozent, im
Vergleich zum Erregungsgrad, der durch eine Szene mit
einvernehmlichem Sex ausgelöst wird. ... Normalerweise verhindern
Gewaltszenen eine Erregung beim Mann. Eine Verminderung der
Blutzirkulation um 50 Prozent bedeutet, dass ein Mann nicht in der
Lage wäre, eine Frau zu penetrieren.« Professorin Kelley von der New
York State University in Albany zeigte in einem Experiment aus dem
Jahre 1989, dass Männern, denen man vorher pornographische
Materialien gezeigt hatte, eher einem verletzten weiblichen Opfer zur
Hilfe eilten als Männer, die sich andere Dinge angesehen hatten (11,
59; 478, 311-312). Eine ähnliche größere Hilfsbereitschaft von
Pornographiekonsumenten konnte der Sexualwissenschaftler Przybyla
schon vier
Jahre zuvor nachweisen (11, 59).

Tatsächlich fand jeder der führenden seriösen Forscher auf diesem
Gebiet seit 1971 heraus, dass Pornographiekonsum in Wahrheit das
Aggressionsniveau von Männern reduziert (11, 73; 498, 134). Es gab
nur eine wichtige Ausnahme: Wenn ein Proband das von ihm betrachtete
Material als unbefriedigend oder gar abstoßend empfand, stieg sein
Aggressionspegel. Auf diese Weise lassen sich nicht nur manche
Laborergebnisse erklären, bei denen eine erhöhte Aggression gemessen
wurde. Vermutlich war nicht jeder, der an Experimenten teilnahm,
welche die Gefährlichkeit von Pornographie belegen sollten, ein
Porno-Fan. Vor allem wird dadurch auch die Psychologie der
feministischen Porno-Gegnerinnen erklärbar: Sie spürten ihre eigene
gestiegene Aggression beim Betrachten solcher Bilder und
unterstellten dieselben Empfindungen den Männern! Jeder aber, der
sich mit Erotika beschäftigte, weil sie ihm gefielen, wurde dadurch
nur positiv beeinflusst (498, 138-139).

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Leseprobe Ende

Quelle: Arne Hoffmann, "Sind Frauen bessere Menschen?" 605 Seiten
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