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451 Beiträge seit 02.04.2001

Fortsetzung 2

Dummerweise brachte selbst diese extreme Einseitigkeit nicht den
erwünschten Erfolg: Professoren wie Murray Straus, von denen man
erwartet hatte, dass sie einen Zusammenhang zwischen Pornokonsum und
Gewalt herstellen würden, erklärten, dass ihre Untersuchungen diesen
Schluss nicht zuließen. Prüfungen des Forschungsmaterials, die von
einer Professorin und einem Generalstabsarzt der Armee durchgeführt
wurden, ergaben als einzige Folge für Betrachter pornographischen
Materials, dass diese die Fülle unterschiedlicher Sexualpraktiken und
deren Verbreitung danach besser einschätzen konnten. Und zu guter
Letzt kam man zu der überraschenden Erkenntnis, dass ohnehin weniger
als ein Prozent der Abbildungen in den bekanntesten Magazinen
irgendetwas mit Gewalt, Brutalität oder Waffen zu tun hatte.
Unbeeindruckt von all diesen Erkenntnissen kamen Reagans Beauftragte
zu dem Schluss, dass Pornographie zu sozialschädlichem Verhalten
führe. Dieses Urteil wird in den Schriften der Anti-Porno-Bewegung
weit zitiert. Was nicht zitiert wird, ist, was die Meese-Kommission
mit »sozialschädlichem Verhalten« meinte: nämlich dass Pornographie
dadurch, dass sie vor- und nichtehelichen Verkehr zeige, zu diesem
Verhalten ermuntere und auch für andere Praktiken wie
Selbstbefriedigung, Homosexualität und Oralverkehr durch deren
Abbildung Reklame mache. Da für die Kommissionsmitglieder all diese
Dinge als »sozialschädlich« galten, bewerteten sie ebenso die
Pornographie (498,180-200). Folgerichtig benutzte die
Reagan-Regierung den Bericht der Kommission als Vorwand, um selbst
Schriften wie Alex Comforts Aufklärungsratgeber »Joy of Sex« oder den
»Playboy« einer wesentlich einschneidenderen Gesetzgebung zu
unterziehen (282, 475; 305,101-102; 478, 8, 301) - und bei dieser
Gelegenheit noch einmal zu bekunden, dass das weitaus größere Problem
der amerikanischen Gesellschaft zu große Promiskuität und generelle
sexuelle Freizügigkeit sei. Sex solle doch besser nur in festen
Beziehungen gelebt werden, wo er auch hingehöre (487, 211).

Es ist überflüssig zu erwähnen, dass sich die von der Kommission
befragten Wissenschaftler, gelinde gesagt, veralbert vorkamen. Einer
von ihnen nannte ihre Schlussfolgerungen »bizarr« (347, 36). Zwei
Frauen, die der Kommission angehörten, Judith Becker, die Direktorin
der Klinik für Sexualverhalten in New York, und Ellen Levine,
Herausgeberin einer Frauenzeitschrift, waren dermaßen entsetzt von
dem willkürlich gefällten Urteil, dass sie sich davon in einem
achtzehnseitigen Widerruf distanzierten (487, 211). Sie betonten noch
einmal ausdrücklich, dass Pornographie mit dem Schüren von
Aggressionennichts zu tun habe.
Dr. Judith Becker: »Ich arbeite jetzt seit zehn Jahren mit
Sexualverbrechern und habe die einschlägige Literatur gelesen, und
glaube nicht, dass eine Verursachung von Gewalt durch Pornographie
besteht.« (133) Die Pornogegnerinnen reagierten auf solche Äußerungen
mit der Behauptung, »es gingen Gerüchte«, das Leben der Experten sei
von der Mafia bedroht worden (397,163).
Das Urteil der Meese-Kommission reichte Feministinnen wie MacKinnon
aber noch lange nicht aus: Sie legte einen Gesetzesentwurf vor, der
Opfern von sexueller Gewalt eine Zivilklage gegen Produzenten und
Vertreiber von erotischem Material erlauben sollte. Dies würde im
Endeffekt nicht nur bedeuten, dass jeder Produzent von Erotika
zukünftig mit einem Bein im Knast stände. Vor allem wäre dann jedem
Sexual Verbrecher klar, dass die Verantwortung für von ihm begangene
Gewalttaten nicht mehr allein auf seinen Schultern ruhte. Urplötzlich
wäre Vergewaltigung wieder die Schuld der Frau: nicht der Frau, die
vergewaltigt wurde, aber der Frau auf dem Foto. Damit wäre die lange
theologische Geschichte von der Frau als Verführerin um ein aktuelles
Kapitel erweitert. »Verführung durch Pornos« wäre für jeden
Sexualverbrecher eine ausgezeichnete Rechtfertigung vor sich selbst
und vor jedem Gericht. Eine erhöhte Zahl von Sexualdelikten wäre
vermutlich die Folge (282, 289-290; 180, 9). Geschickter als die
Meese-Kommission ging eine kanadische Organisation, die
»Toronto-Einsatzgruppe gegen Frauengewalt«, vor. Sie beauftragte
zunächst die Feministin Thelma McCormack damit, den Zusammenhang
zwischen Pornographie und sexuellen Aggressionen zu untersuchen.
McCormacks Studie ergab, dass, wenn es überhaupt eine Auswirkung gab,
diese eher kathartisch sein könnte: Menschen mit entsprechender
Neigung konnten sie demnach beim Betrachten entsprechender Filme
befriedigen, statt sie in die Tat umzusetzen; Vergewaltigungen würden
so eher verhindert. Unzufrieden mit diesem Ergebnis, verbarg die
Gruppe aus Toronto MacCormacks Studie in der untersten Schublade und
beauftragte David Scott, einen strikten Gegner von Pornographie, mit
einer neuen Untersuchung. Scott lieferte die gewünschten Resultate,
die auch prompt veröffentlicht wurden. Schülern, Journalisten und
Sexualforschern allerdings, die sich nach einem Exemplar der
kompletten Studie erkundigten, wurde mitgeteilt, diese sei leider
nicht erhältlich (304, 46; 305, 102).

Langsam wird klar, auf welch fragwürdige Weise der Eindruck
entstanden ist, es gebe Studien, die in der Pornographiefrage in
unterschiedliche Richtungen weisen. Keine der Studien, welche die
These von der gewalterzeugenden Wirkung von Erotika unterstützten,
hat sich im Nachhinein als haltbar erwiesen. Zu den eher kuriosen als
wissenschaftlichen Versuchen dieser Art zählten die folgenden:

- Eine Studie, die zu diesem Ergebnis kam, benutzte keine eigentliche
Pornographie, sondern Kinofilme wie »Taxi Driver« mit Robert de Niro
(61). Trotzdem stieg die Aggression der Teilnehmer - was kein Zufall
ist: Andere Untersuchungen belegen, dass Aggressionen im Labor
geringfügig durch alles gesteigert werden, was auf Menschen anregend
wirkt, vom Gymnastikvideo bis zur Komödie. Dieser Effekt hält ebenso
lange an wie der konkrete Erregungszustand: einige Minuten. Damit ist
er im Labor messbar, dieses Ergebnis hat aber nicht die geringste
Aussagekraft auf tatsächlich entstehendes
Gewaltverhalten (64, 136; 133).

- Bei einer weiteren Untersuchung konnten die Forscher einfach nicht
die Sorte gewalttätigen Materials finden, von der es auf dem Markt
doch angeblich so wimmeln sollte. Sie mussten ihre eigenen
Gewaltpornos herstellen, um die
Studie überhaupt durchführen zu können (61).

- Um beim untersuchten Porno-Betrachter einen höheren
Aggressionspegel gegen Frauen als gegen Männer zu erzeugen, mussten
zwei Versuchsleiter ihre Probanden persönlich ermuntern, Aggressionen
gegenüber Frauen zu zeigen. Andere »Wissenschaftler« versuchten,
diesen Effekt herbeizuführen, indem sie dem männlichen Probanden
immer höhere Dosen elektrischer Schocks
verpassten (498, 138).

- In einem Artikel des »Cosmopolitan« erklärte dessen Autorin,
Catherine Itzin, lang und breit, wie und warum Pornographie Gewalt
verursache. Auf dieser Grundlage wurden Frauen befragt, ob sie
sexuelle Übergriffe erlebt hatten, in die in irgendeiner Weise
Pornographie verwickelt war. Trotz der doch sehr merkwürdigen
Versuchsanordnung - zuerst das gewünschte Ergebnis erklären und dann
die Leute danach fragen - antworteten nur 14 Prozent derjenigen, die
sich daran überhaupt beteiligt hatten, sie hätten eine solche
Erfahrung durchlebt. Um dem noch die Krone aufzusetzen, wurde dies
als »Beweis« dafür gewertet, dass Pornographie Gewalt verursache
(61).

- Eine weitere Studie kam zu der Erkenntnis, dass in bestimmten
Gegenden, in denen viele Männermagazine verkauft wurden, auch die
Zahl der Vergewaltigungen stieg. Leider sagt ein solches
Zusammentreffen wenig über Ursache und Wirkung aus. So hat in
Deutschland die Zahl der Geburten eben so abgenommen wie die Zahl
der Störche. Glauben Feministinnen deshalb daran, dass der Storch die
Kinder bringt? An Tagen, an denen viele Sonnenbrillen verkauft
werden, ertrinken mehr Leute als an anderen: Sind Sonnenbrillen für
das Ertrinken verantwortlich? Wenn das Barometer fällt, zieht ein
Gewitter auf - kann ein Barometer das Wetter beeinflussen? In den USA
argumentieren Konservative mit derselben schrägen Logik, dass die
Gewaltrate in den USA zum selben Zeitpunkt steil anstieg, als das
Schulgebet abgeschafft wurde - offenbar habe das eine zum anderen
geführt (236,171). »Offensichtlich« sind solche Zusammenhänge aber
immer nur für den, der fest daran glaubt. Was die Verknüpfung von
Männermagazinen und Vergewaltigungen anging, stellte sich heraus:
Sobald man alternative Erklärungen heranzog (wo viele solche Magazine
verkauft werden, leben auch mehr junge Männer mit einem bestimmten
sozialen Hintergrund, dort ist auch die Zahl der Gewalttaten
insgesamt höher), konnte man keine gewalterzeugende Wirkung von
Pornographie mehr bestätigen (475, 92). Dafür fand sich
interessanterweise ein positives Verhältnis zwischen hohen
Verkaufszahlen des feministischen Magazins »Ms.« und der Häufigkeit
von Sexualverbrechen (64,   132). Ihrer eigenen Argumentationsweise
folgend müssten Feministinnen
jetzt also ihre eigenen Magazine verbieten.

  Alles in allem ist es immer wieder dasselbe Spiel: Forscher und
Forscherinnen gehen mit dem festen Willen an Pornographie heran, ihre
gewalterzeugende Wirkung zu beweisen. Um das durchzusetzen, dehnen
und biegen sie die Gesetze der Logik bis zu ihren äußersten Grenzen.
Sie überzeugen damit keinen einzigen neutralen Wissenschaftler,
gießen aber immer wieder neues  öl in die entflammten Reden von
Menschen, für die »solcher Schund und
Schmutz« schon immer von Übel war.
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