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"Die Welt zerfällt in Tatsachen"

Muffenmann schrieb am 16. Oktober 2004 14:57

> ich hab nur so viel herausgelesen, dass in den USA ein anderes
> Imagebewusstsein herrscht. Tloen nennt es "Charakter des Zeichens".
> Statt sich durch seine etwaigen Ziele zu definieren, werde das Image
> auf bestehenden Eigenschaften aufgebaut, so habe ich Tloens Erwähnung
> von Positivismus zumindest verstanden. Zusätzlich sind diese "Label"
> durch ihre geringere Komplexität leichter austauschbar oder so.

Ja, sicher. Entweder wird versucht die Welt zu entziffern, ihren Text
zu lesen und den Sinn dieses Textes zu fixieren, eine absolute und
gültige Ordnung des Denkens zu errichten - das Programm der
alteuropäischen Metaphysik. Oder die Orientierung an System,
geschichtlicher Tiefe und an einer immer weitergehenden  Integration
des Denkens wird fallengelassen, zugunsten eines Sprachpragmatismus,
der sich auf all das nicht einlässt und sich an den jeweiligen,
wechselnden Anforderungen ausrichtet und die Alltagssprache
präzisiert. Ein sinnfälliges Beispiel ist z.B. der IQ-Test als Maß
von Intelligenz. Es ist fragwürdig, ob man damit "Intelligenz"
identifizeiern kann, ob man sie dadurch verstehen kann, ob einem der
Begriff nicht immer wieder entgleitet ( Sprachkritik, hermeneutischer
Ansatz, Dekonstruktivismus ) aber ganz sicher kann man sie durch die
Messung definieren und etwas nütztlicheres, als die bekannten oder
eine verbesserte, darauf aufbauende Messung wird es nie geben. Dann
gibt es noch Trainingsprogramme mit denen der IQ gesteigert werden
kann. Life could be so simple.

Das ist ein einfaches Beispiel für "labeln". Das Label täuscht nichts
vor, es ist auch nicht ambivalent. Der Glaube daran folgt einer
positivistischen Metaphysik, einer Welt, die, wie Wittgenstein sagte,
in Fakten zerfällt, die im Prinzip alle klar bezeichenbar sind.
Letztlich glaube ich, dass auch George Bushs Rhetorik von "Gut und
Böse", nichts allegorisches besitzt, kein Sprachbild liefert, dass
erst noch mühsam interpretiert und auf Referenzen hin abgesucht
werden muss, sondern einfach den Versuch darstellt, die Fakten klar
zu bennenen. Fakten, anders als ethische Grundsätze, Herkunft,
Geschichte, werden jedoch ständig neu produziert und in Umlauf
gebracht. Sie fixieren, "versteifen" zwar das, was sie bestimmen
sollen, aber ihnen haftet selbst keine Steifheit an und dort, wo sie
es doch tun oder zu tun drohen, wird für das Recht gekämpft
niemanden, wegen seiner "natürlichen Eigenschaften" also der
Faktizität seiner Natur, zu diskriminieren, was letztlich das
Anliegen der Political Correctness ist, wobei wir wieder beim Thema
der Emanzipation der A-Sexuellen angekommen sind.

In einer Welt, die in Fakten zerfällt, fehlen oft Nuancen und Ränder
oder sie werden nicht wahrgenommen, in ihnen wird die Subtilität des
Denkens, die Unausschöpfbarkeit eines Konzeptes, seiner Benutzbarkeit
geopfert. Die Realabstraktion, an der Marx, Adorno, Derrida u.a. so
starken Anstoß nahmen, wird letztlich akzeptiert, wenn auch nur
insoweit, wie sie für nützlich gehalten wird, was sich wiederum an
ihrem Erfolg d.h. an weiteren Fakten ablesen lässt.

Tloen

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