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  • Irwisch

mehr als 1000 Beiträge seit 22.03.2005

Re: Nichts für's Sterben, für's Töten

de Sade (1) schrieb am 05.04.2019 11:56:

Dazu bräuchte es eine aktive Zivilgesellschaft, die die Parteien und Politiker in die Schranken weist. Aber, wo ist die? Ohne eine solche ist das alles nur leeres Gerede, bedeutungslos.

Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Doch diese aktive und mit nicht nur politischem Bewußtsein ausgestattete Zivilgesellschaft wird seit Jahrhunderten aktiv verhindert durch die bis heute ständige Zunahme der Blödmaschinen:

Metz, Markus & Seeßlen, Georg: Blödmaschinen – Die Fabrikation der Stupidität
Aus dem Kapitel Dummes Wissen/Wissende Dummheit: Dialektik der Blödmaschinen
Warum der freie Markt zugleich klug und dumm macht
Der weitläufigste Rohstoff des Kapitalismus ist die menschliche Dummheit. Das weitläufigste Produkt der menschlichen Dummheit ist der Kapitalismus. So wird dieser, wie man sich einbildet, zur »Natur«. Und ist nicht alles andere als dieser Kapitalismus mit ein bißchen Demokratie drum herum ohnehin »schlimmer«, weil ja das andere System – wie immer es aussehen mag, nach unseren historischen und semiotischen Erfahrungen – die Dummheit keineswegs überwunden hat, wohl aber ihren ungehemmten Selbstausdruck unterdrückt? So daß sich gleichsam automatisch die Dummheit beim Bestreben, vernünftig zu wirken, in Terror verwandelt? Haben nicht alle Revolutionäre bislang das Ur-Verbrechen begangen, sich die Dummheit, statt sie zu bekämpfen, zunutze zu machen? Es gibt keine nützlichen Idioten! So wenig eine Herrschaft, die aus dem Terror entstanden ist, je den Terror wieder los wird, so wenig wird eine Herrschaft, die auf der Dummheit aufbaut, die Dummheit in sich selber los. Also verhält es sich vielleicht ja auch genau anders herum: Der »freie Markt« wäre demnach die einzige adäquate Reaktion auf ein menschliches Grundverhalten, das sich aus so viel überraschender Intelligenz wie überraschender Blödheit zusammensetzt.

https://tinyurl.com/y4g327an

Michael Jürgs: Seichtgebiete – Warum wir hemmungslos verblöden
Denn nur eine Minderheit der Blöden ist bereits blöde auf die Welt gekommen. Bei manchen hätte sich in ihren frühen Jahren noch was durch gezielte Fortbildung richten lassen. Dafür ist es jetzt wohl zu spät. Mit diesen nicht mehr zu Rettenden muss man leben. Bei ihren heranwachsenden Nachkommen könnte jedoch vielleicht noch was zu machen sein. Investitionen in deren Zukunft sind Investitionen in die Zukunft der Nation. Die braucht keine Superstars, aber viele Stars in allen Bereichen der zielgerichteten Forschung. Nur aus deren Kopfgeburten erwächst mal, was den Standort Deutschland konkurrenzfähig macht im Vergleich zu China, Indien, den Vereinigten Staaten. Statt wider bessere Einsicht, wider besseres Wissen aus Angst vor der Reaktion ortsansässiger Wähler weiterhin Kohleförderung mit Milliarden zu subventionieren, müssten Politiker den Rohstoff Bildung fördern. Zum Beispiel den Etat der Max-Planck-Gesellschaft, die nach Aussage ihres Präsidenten »fantastische Projekte« aus Mangel an Geld nicht verwirklichen kann, um fünf, besser um zehn Prozent erhöhen. Auch für den Abbau umweltschädlicher Dummheit sollte es Abwrackprämien geben. Wer freiwillig die Seichtgebiete verlässt, um sich vom Baum der Erkenntnis zu ernähren statt von Junkfood, wird mit Kopfgeld belohnt.
irwish.de/pdf/Juergs-Seichtgebiete_Warum_wir_hemmungslos_verbloeden.pdf

Jürgen Wertheimer und Peter V. Zima: Strategien der Verdummung – Infantilisierung in der Fun-Gesellschaft
Wie man gedacht wird – Die Dressierbarkeit des Menschen in der Postmoderne
Sich denken lassen, statt selber nachzudenken, ist denkbar einfach. Es ist auch bequem, denn: »das Spruchzeug liegt nur so herum«, erläutert Jürgen Becker den Sachverhalt und deutet an, daß die meisten mit vorfabrizierten Phrasen recht gut auskommen und sich den Aufwand ersparen, den die Konstruktion neuer Satzgefüge mit sich bringt. Nur noch Grüppchen von Intellektuellen, vor allem die »unhappy few« unter ihnen, halten Denkarbeit, Sprach- und Gesellschaftskritik für sinnvoll, obwohl sie längst wissen, daß die Aufklärung, daß Kant, Marx und Sartre die Katastrophen des 20. Jahrhunderts nicht nur nicht verhindert haben, sondern auch noch in das fatale Geschehen verstrickt wurden. »Ist es nicht weitaus vernünftiger und menschlicher«, so könnte ein Gedankenloser sich rechtfertigen, wenn er denken könnte, »das verramschte Spruchzeug des 20. Jahrhunderts mühelos und gratis weiter zu benutzen, als eine neue Gesellschaftskritik à la Marx zu entwerfen, die schnurstracks in einen neuen Gulag führt?« Hat der kritische Intellektuelle Sartre mit seinem »engagement« für den Marxismus, die französische KP und die Sowjetunion nicht – wenigstens zeitweise – den Neostalinismus unterstützt? Das Problem scheint darin zu bestehen, daß die Gedankenlosen des anbrechenden 21. Jahrhunderts nicht mehr in der Lage sind, diese simplen und zum Teil simplifizierenden Gedankengänge nachzuvollziehen, weil sie das Spruchzeug, das die Ideologen, die Medien- und Werbefachleute angehäuft haben, nicht benutzen, sondern von ihm benutzt, gesprochen werden. Dies meinte wohl Adorno, als er in den Minima Moralia notierte: »Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen.«
irwish.de/pdf/Wertheimer-Strategien_der Verdummung.pdf

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