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  • HierIstMarco

mehr als 1000 Beiträge seit 11.03.2018

Re: Positiv, daß er praktisch die Schuldfrage gar nicht angesprochen hat... span

Atalanttore schrieb am 26.02.2023 14:26:

Wer meint, dass Frieden jeden Preis wert ist, sollte einmal nach Nordkorea, Iran oder Russland reisen. In all diesen Ländern herrscht Frieden. Also alles in bester Ordnung, oder?

Die Zustände in einem Land haben meiner Ansicht nach nicht viel damit zu tun, wer die Macht hat, sondern vielmehr damit wie die Beziehung Bürger zu Staat gestaltet wird. Bestehen die Bürger auf gewisse Rechte und schaffen es, sich zu organisieren, werden diese Rechte gewährt (werden müssen). Genauso fallen diese auch schnell wieder weg, wenn dies nicht der Fall ist. Gerade deswegen sehe ich für die Ukrainer auch andere Wege, ihre Ziele zu erreichen, außerhalb des militärischen Bereiches. Russland wird nicht viel Freude an einem Oblast haben, dessen Bevölkerung persönliche Selbstbestimmung möchte und selbstorganisierten zivilen Widerstand leistet.

Die Interpunktion ist bei gegenseitigen Schuldzuweisungen wichtig.
https://de.wikipedia.org/wiki/Interpunktion_(Kommunikation)

Bei der Interpunktion stimme ich dir vollständig zu, das ist ja gerade das Dilemma, das sich wie ein Faden durch die Geschichte zieht. Ein Beispiel dafür wäre die Deutsch-Französische Erbfeindschaft, die immer wieder Kriege auslöste. Aber genau darum ist es ja wichtig, diese Verbindungen zu brechen und nicht mehr bei jeder Gelegenheit hervorzuziehen, damit sie den Menschen, die jetzt leben, im Weg stehen. Das ist genau das, worauf ich hinauswill.

Das Feindbild Ukraine besteht in „Russland“ schon mindestens seit dem Holodomor der 1930er Jahre.
https://de.wikipedia.org/wiki/Holodomor

Gerade Holodomor ist da ja etwas, das nicht unbedingt mit Ukrainern und Russen zu tun hat, sondern vor allem mit dem Kulturrevolutionismus und der Umerziehung des Kommunismus und erst im Nachhinein so bewertet werden kann. Meine Ukrainer sagen, dass die Zaren es geschafft haben, dass es den Menschen gut ging, die "studierten Leute mit ihren tollen Ideen" nicht einmal für Essen sorgen konnten.

Ich möchte an dieser Stelle auf folgendes Video hinweisen, das die Entwicklung der Ländergrenzen der Welt und damit auch des Gebiets der heutigen Ukraine im Zeitverlauf zeigt:

https://youtu.be/ymI5Uv5cGU4

Man sieht sehr gut, dass die ersten Kontrolleure der Steppen ausschließlich Reiter waren (Hunnen, Awaren). Die Ukraine entstand dann (in Form des Kiewer Russ mit dem Kiewer Zaren) ungefähr 880 n. Chr. in deutlich anderen Grenzen, bis die Mongolen sie in ihre einzelnen Fürstentümer zersplitterten, da sich nur die Städte mit Kremel gegen die Reiter verteidigen konnten:

Kiewer Kreml: https://www.grin.com/document/132406
spannenderweise nicht enthalten in: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kreml

Ab 1480 verloren die Mongolen an Macht und der Moskauer Fürst füllte relativ schnell das entstehende Machtvakuum und schafft damit das russische Zarenreich. Erst in der Oktoberrevolution 1917 wird die Ukraine in ihren heutigen Grenzen als Verwaltungsteil der Sowjetunion erschaffen. Der Begriff "Ukraine" für diese Region ist zu diesem Zeitpunkt rein kommunistisch konstruiert und hat nicht viel mit den direkten Nachfahren des Kiewer Russ zu tun, sondern vor allem mit der dort vorwiegend lebenden Bevölkerungsgruppe. Knapp zwei Jahrzehnte später ist Holodomor und damit vielmehr Teil einer Urkatastrophe zur heutigen Nationalstaatskonstruktion (so wie bei uns die Leipziger Völkerschlacht) als ein damals geplanter Völkermord an den Ukrainern.

In der russischen Sprache existieren dementsprechend auch abwertende Bezeichnungen für Ukrainer, wie z. B. „khokhol“.
https://en.wiktionary.org/wiki/khokhol

Wenn ich die Ukrainerinnen bei mir so erlebe, Haarknoten passt doch ganz gut :). Die ukrainische Entsprechung ist "Moskal":

https://www.urbandictionary.com/define.php?term=Moskal

gut dargestellt auch in dieser Serie (lass sie durch deine Ukrainer gerne übersetzen wenn du dich für ukrainische Kultur im Westen des Landes interessierst):

https://youtu.be/unK0vT-pLZI

Eine Unterdrückung von allen Sprachen außer Russisch ist ein traditioneller Bestandteil der Russifizierung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Russifizierung

Spannend finde ich hierzu den Sprachunterschied zwischen dem Ukrainisch zweier mir bekannter Menschen, die mit vier Jahren Abstand nach Deutschland gekommen sind. Zu sehen ist, dass in diesen vier Jahren Begriffe des Dialekts aus Lwiw für die Gesamtukraine medial als "ukrainisch" gesetzt werden und zwangsbeigebracht werden, in Institutionen teilweise mit Strafkasse bei der Verwendung der alten Wörter. Ähnliches gilt wahrscheinlich auch für die Russifizierung, hier mit dem Moskauer Dialekt, denn wie oben gezeigt, entstanden beide aus dem Kiewer Russ (Daher der Name Moskal für die Leute, die so reden). Schade ist, dass es keiner besser machen möchte und die Leute einfach so reden lässt, wie ihnen der Mund gewachsen ist. Die ukrainische Kultur unterscheidet sich tatsächlich erheblich von Region zu Region. Sie haben jeweils eine andere Tracht, andere Volkstänze und vor allem einen anderen Dialekt gehabt, lokal ganz unterschiedlich. Nachdem es jetzt nun das zweite Mal ist, dass Sprache von einem Gebiet auf alle anderen aufgezwungen wird, lässt sich das bald nur noch an alten Texten nachvollziehen.

Der korrekte Landesname für „Russland“ ist übrigens Moskowien, weil der Name „Russland“ von Moskowien auch aus der Ukraine gestohlen wurde.
https://www.publicsphere.eu/2022/07/diebstahl-der-geschichte/

Klar kann man daraus einen Diebstahl konstruieren, um sich dann in einem Krieg den Namen zurückzuerobern und damit einen weiteren Grund fürs Sterben zu haben. Wie im oberen Video gesehen waren aber alle ehemaligen Fürstentümer des Kiewer Russ Teil des neuen Reiches, weswegen der Name ja auch passenderweise für alle übernommen wurde, wenn auch jetzt nicht mehr Kiew das Herrschaftszentrum war (sondern interessanterweise St. Petersburg, da muss ich nochmal nachrecherchieren, wie es zu diesem Wechsel kam). Erst durch die Kommunisten und dann durch die spätere Unabhängigkeit hat die Ukraine diese Bezeichnung durch ihre Abspaltung verloren, was aber eher ein Verzicht als ein Diebstahl ist, denn was hätte dagegen gesprochen, sich selbst wieder Kiewer Russ zu nennen?

Ob ein Opfer einem Täter vergeben mag oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung. Serienkriegsverbrechern wird wahrscheinlich weniger oft vergeben werden als Waschmaschinendieben, aber das ist nur meine Einschätzung.

Selbstverständlich ist es das, und vielleicht habe ich mich da undeutlich ausgedrückt, denn in das Verhältnis der direkt betroffenen möchte ich mich nicht einmischen. Was ich aber erlebe ist, dass viele Dinge medial ausgeschlachtet werden (wo sich teilweise Propaganda und Realität nicht mehr unterscheiden lassen), um in nicht betroffenen Individuen ganz bewusst Hass zu erzeugen, um den Krieg weiterzuführen und zu weiteren Verbrechen anzustacheln. Ich möchte dem bewusst entgegenarbeiten, indem ich diese emotionale Reaktion bei mir vermeide und andere bitte, das ähnlich zu tun, damit eben ein Frieden möglich ist und man anfangen kann, die Eskalationsspirale abzubremsen und umzukehren und so möglichst bald zukünftige Tote verhindert.

Edit: Ich habe gerade nachgefragt, woher der Begriff "Ukrainer" eigentlich stammt, da das weder die Frau in deinem Artikel, noch sonstige Quellen auf Deutsch beantworten konnten. Er bedeutet tatsächlich "Die im Umland wohnenden" und war erstmals eine Bezeichnung für die Landbevölkerung, die um Kiew herum gewohnt hat. Es gab also in Zeiten des Kiewer Russ die Kiewer (Stadtbevölkerung), sowie die Ukrainer (Landbevölkerung). Die Kommunisten haben diesen Begriff wohl gewählt, weil sie aufgrund der Fruchtbarkeit des Landes die Bevölkerung in diesem Gebiet fast ausschließlich als Landbevölkerung verstanden hat.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (01.03.2023 20:38).

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