Raumflieger schrieb am 10.09.2024 11:24:
Es gibt keinen Fachkräftemangel, wenn man Fachkräfte ausbildet. Früher nannte sich das "Lehre" und war ein Invest der Firma. Normalerweise blieb der Lehrling nach Prüfungsabschluss und half so, den Invest wieder reinzuschaffen. Heute würde man von "nachhaltiger Ausbildung" sprechen, weil das Unternehmen den Invest zurückbekommt durch die Arbeitsleistung des selbst ausgebildeten Lehrlings.
Leider scheuen immer mehr Unternehmen den Invest der Lehrlingsausbildung, weil schon gar kein Interesse besteht, denjenigen längerfristig zu beschäftigen. Warum sollte man auch 3 Jahre einen Facharbeiter ausbilden, wenn man nur für 2 Jahre eine Kraft einstellen möchte? Da schaut man lieber auf den Markt - und der ist halt leer. Weil niemand mehr ausbilden will, gibt es halt keinen Nachwuchs. Inzwischen scheinen sogar die Umschüler auszugehen, jedenfalls wird es immer schwieriger, Praktikanten zu finden, die dann auch noch bleiben wollen. Die Stelle bleibt unbesetzt, man findet ja niemanden, weil die Fachleute alle eine Stelle haben und kein Nachwuchs ausgebildet wird. Also mich wundert das kein bisschen.
Jetzt also "Kinderarbeit". Kinder. Schulpflichtige, nicht einmal schulisch voll ausgebildete Kinder sollen die "Fachkräftelücke" stopfen. Fällt nur mir der Widerspruch auf oder meint hier wirklich jemand, dass man mit Kindern einen Facharbeiter ersetzen kann, der einen vollwertigen Schulabschluss hat und zwei bis drei Jahre Lehre absolviert hat? Wirklich? Kinder? Fachkräfte? Does not compute.
Ich sag's frei raus: hier geht's mal wieder um Lohndumping. Um nix anderes. Kinder sollen keine Fachkräftelücke stopfen. Wir kriegen ja nichtmal die Pflegelücke mit der Wiedereinführung des Zivildienstes gestopft. Wo sollen denn eigentlich Kinder als Arbeitskräfte zum Einsatz kommen? Dürfen sie bei Wind & Wetter draußen arbeiten? Wie sieht's aus mit der Schichterei? Wurde schon definiert, wieviele Kilo ein Kind mehrfach am Tag heben darf? Arbeitsschutz anyone?
Das Ansinnen, Kinder als Arbeitskräfte "wieder zu entdecken", ist absolut neoliberalistische K*cksch**ße. Allein die Idee gehört gesellschaftlich geächtet, die Durchführung mit einem Tabu belegt. Irgendwann ist Schluss. Wenn die Unternehmen nicht endlich in die Ausbildung ihrer Fachkräfte investieren, können sie zusperren. Wenn die amerikanische Hire-und-Fire-Mentalität nicht bald aufhört, ist der Wirtschaftsstandort Deutschland tot.
Da ist die Einführung des Lieferkettengesetzes, welche europäische Firmen dazu verpflichtet zu prüfen, dass in der Lieferkette Dinge wie Kinderarbeit nicht vorkommen der blanke Hohn. Oder höchst ironisch, wenn man sowas jetzt dann selbst auf die Carta schreiben will...