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  • Norberlin

391 Beiträge seit 04.01.2019

Zschäpe ist wohl nicht Charles Manson

Manson beging selbst keinen einzigen Mord. Aber er beauftragte die Morde seiner "family","er war der Kopf. In den USA wurde er deshalb zunächst zum Tode verurteilt.

Bei Frau Zschäpe liegt der Fall wohl sehr anders. Sie selbst sagte aus, dass sie von Morden und Anschlägen stets erst im Nachhinein erfahren habe. Sie beschrieb sich sogar als Nichtmitglied des NSU. Nach ihrer Darstellung wohnte sie halt mit den Tätern zusammen und die planten und verübten ihre Verbrechen selbständig ohne ihre Mitwirkung. Theoretisch könnte es so gewesen sein. Mitwirkung, Beihilfe, Mitwisserin. Das sind die möglichen Vorwürfe.

Man erklärte(!) sie kurzerhand zur Mitbegründerin und zum Mitglied des NSU. Und als solches wollte man sie dann wie automatisch zur Mittäterin erklären können. Nur: Dieser NSU war ja doch ein ganz anderes Konstrukt als z.B. die RAF, der man durch Tat oder Erklärung beitrat. Diese 3 hatten ohne Zweifel eine Lebensgemeinschaft gegründet. Aber ob die 3 eines Tages am Tisch sagten und erklärten "Jetzt gründen wir den NSU und wer Mitglied sein möchte hebt die Hand" ???

Fraglich ist, ob es überhaupt einen Gründungsakt gab. Möglich dass die Männer sich einfach so den Namen NSU zulegten, weil sie das cool fanden.

Man kann Zschäpe eigentlich nur die Mitgliedschaft in dieser Lebensgemeinschaft vorwerfen. Und die von ihr eingeräumte Mitwisserschaft. Ansonsten gilt ja "Im Zweifel für den Angeklagten". Denn ist keinesfalls undenkbar dass sie nicht mitentschied wer getötet wird und wie das abläuft. Was aber Voraussetzung für die Mittäterschaft wäre. Ich halte es sogar für wahrscheinlicher dass die Tatorttäter sie da nicht einspannten. Warum sollten sie wenn sie sowieso nicht dabei sein würde?

Aber egal: Es ist doch eigentlich glasklar, dass man Zschäpe den Tatbestand(!) der Mittäterschaft konkret nachweisen muss. Vermutung, Unterstellung, das ist in unserem Justizwesen ausgeschlossen. Es sei denn dahinter steht eine sehr stark unterlegte Glaubhafthaftigkeit, beweisnah. Das sehe ich hier aber nicht. Es ist möglich dass sie mitplante. Aber es ist auch möglich dass sie es nicht tat.

Wahr wird sein, was die Anwälte sagen. Die Tatorttäter waren tot, aber man wollte eine harte Reaktion platzieren. Und dafür hatte man nur sie. Man wollte eine harte Reaktion, ein hartes Urteil, um die Angehörigen zu befriedigen und um im Ausland Deutschlands Abscheu zu dokumentieren. Verständlich. Aber das Recht steht darüber. Es dient keinen höheren Zielen und es hat generell auch sehr dem Angeklagten zu dienen.

Abschließend skizziere ich mal den rein fiktiven Extremfall. Fr. Zschäpe liegt heulend im Bett weil die Männer wieder von einem Mord an einem Ausländer berichtet haben. Sie findet es furchtbar. Aber das Leben mit den Tätern ist ihr Leben und Liebe mag im Spiel sein. Und so geht sie nicht zur Polizei. Sie will keine Verräterin sein.

Und für dieses (andere) Extrem: Lebenslänglich, besondere Schwere der Schuld?

Da muss man sich schon sicher sein. Und dazu muss man beweisen oder beweisnah glaubhaft machen.

Ich habe selbstverständlich weder Verständnis noch Sympathie für die Männer oder Zschäpe. Aber Recht muss Recht bleiben. Nebenbei bemerkt halte ich es für ebenso juristisch falsch, Autotodesraser als Vorsatzmörder zu verurteilen obwohl ich es vom Gefühl her ganz gut finde. Aber Recht muss kalt und nüchtern sein. Es muss korrekt angewendet werden. Gefühle, Wünsche und Effekte dürfen dabei keine Bedeutung haben.

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