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Avatar von auf_der_hut
  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Alter Kriegsverbrecher Kissinger macht "Friedenspläne"

Ach ja, mal wieder diese typisch deutsche Art sich lieber in fruchtlosen Moraldebatten darüber zu verlieren, ob jemand überhaupt so etwas sagen darf anstatt sich mit der Substanz der Aussagen zu befassen.

Und da finde ich den Gedanken interessant, dass es am Ende im gemeinsamen Interesse des Westens und Russlands liegen könnte, die Ukraine in die NATO zu integrieren. Der Hinweis, dass die Ukraine als stärkste Militärmacht Europas aus dem Krieg hervorgehen könnte, mit dem Alleinstellungsmerkmal von hunderttausenden kampferfahrenen Soldaten, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Und das unter einer Regierung, die noch wenig Erfahrung in der komplizierten europäischen Außenpolitik hat.

Eine NATO-Mitgliedschaft bietet, zwar auch keine Garantie dass einzelne Mitglieder nicht aus der Reihe tanzen (siehe Türkei), aber die NATO ist insgesamt schon ein Faktor der Stabilität und der Mäßigung, jedenfalls wenn man sie mit nationalistischen Heißspornen in der Ukraine (und auch anderswo) vergleicht. In den ehemaligen WP-Staaten mit ihren oft nationalistischen Regierungen erfüllt die NATO diese Funktion ganz gut. Wenn Russland nach einem mehr oder weniger verlorenen Krieg wieder in den Status, den das Land als Sowjetunion einmal hatte, nämlich als großes, aber saturiertes Land ohne Expansionspläne, dann wäre die NATO eher Freund als Feind. Auf diesem Weg war Russland schon einmal in den 90ern, bis sie unter Putin irgendwo falsch abbog und in vorsowjetische imperiale Muster zurückfiel. Die Ausdehnung der NATO ist kein Produkt von westlichem Expansionsdrang, sondern des Misstrauens gegenüber Russland bei dessen Nachbarn - und das hat sich als nur allzu berechtigt erwiesen.

Für die Krim muss ein Kompromiss gefunden werden, vielleicht eine Demilitarisierung mit einer UN-Truppe und eine gemeinsame zivile Verwaltung von Russen und Ukrainern. Denn ein Ergebnis des Krieges steht unumstößlich fest: Ukrainer und Russen werden Nachbarn sein und je eher sie wieder anfangen zu kooperieren umso besser für beide Völker und auch den Rest der Welt. Die Ukraine sollte den ersten Schritt machen und einseitig auf eine militärische Rückeroberung der Krim verzichten, ohne deren Status (und damit die russische Räuberpistole, die zu dem derzeitigen Chaos geführt hat) anzuerkennen. Ein Fortbestehen der russischen Truppenpräsenz auf der Krim halte ich dagegen für ausgeschlossen, weil Russland die Krim massiv für den Angriff auf die Ukraine nutzt. Es wäre der Ukraine kaum zuzumuten, dauerhaft mit dieser Bedrohung zu leben. Aber Russland hat ja noch andere Häfen am Schwarzen Meer und eine demilitarisierte Krim könnte ja auch von der NATO nicht als Basis benutzt werden.

Der Donbass sollte mit einem weitgehenden Autonomiestatus an die Ukraine zurückgehen, wie einst in Minsk-2 vorgesehen. Die Separatisten müssen entmachtet werden, sie können aber an international kontrollierten Wahlen teilnehmen, müssen sich aber an die ukrainische Verfassung halten, ihre Waffen abgeben und sich der Strafverfolgung stellen. Wenn die Grenzen offen bleiben und nicht, wie jetzt, ein neuer eiserner Vorhang sich quer durch die Ukraine zieht, dann ist es vielleicht irgendwann einmal gar nicht mehr so wichtig, ob diese oder jene Stadt nun zu Russland oder zur Ukraine gehört. Dann wäre auch ein friedlicher Übergang in die eine oder die andere Richtung wie z.B. einst im Saarland denkbar.

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