Ansicht umschalten
Avatar von pk
  • pk

mehr als 1000 Beiträge seit 10.10.2000

Re: Dieser ganze Sexismus ekelt mich nur noch an

butenundbinnen schrieb am 23.12.2022 09:45:

Völlig oversexed and unterliebt, die ganze Gesellschaft.

Mit ein wenig Herz sähe die Welt doch schon ganz anders aus.

Ob Mann ob Frau ob Trans ob Alien, habt euch lieb, und denkt nicht die ganze Zeit an Sex.

Zu dieser Ansichtsweise hat glaube ich Karl Marx so um 1846 bereits alles gesagt, was dazu sinnvoll zu sagen ist, Stichworte "Idealismus", "Wahrer Sozialismus".

Nach der materialistischen Auffassung, die allen modernen "linken" Strömungen seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts eigentlich gemeinsam sein sollte, bestimmen hauptsächlich die jeweils gegenwärtigen gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse die Möglichkeiten der Individuen, innerhalb dieser gesellschaftlichen Verhältnisse ihr Leben zu gestalten. Der individuelle Handlungsspielraum muss dabei vom Klassenstandpunkt ausgehend jederzeit entsprechend der sich entwickelnden Umstände neu verhandelt werden, um erfolgreich gesellschaftlich wirksame Fortschritte durchzusetzen. Bei naiver Herangehensweise unter Weglassung der elementaren ökonomischen Notwendigkeiten kann sich dieses Bestreben nach gesellschaftlichem Fortschritt in durchaus reaktionären Bahnen ausdrücken, um zu kurz gedachte Teilaspekte emanzipatorischen Strebens isoliert durchzusetzen. Dieses Streben kann dann einerseits zum allgemeinen Streben nach Emanzipation von den Beschränkungen der ökonomisch bedingten Klassengesellschaft und andererseits zu den notwendigen gesellschaftlichen Konfigurationen der herrschenden Produktionsverhältnisse in Widerspruch geraten und damit alle Anstrengungen zu Verbesserung individueller Lebenssituationen zunichte machen, da der gesellschaftlich-ökonomische Druck der herrschenden Verhältnisse seinen ökonomisch fundierten Widerstand automatisch leisten wird - das drückt sich dann je nach herrschendem Zeitgeist in religiösen, politischen, oder moralischen Ansichten aus, die die darunterliegenden ökonomischen Mechanismen verdecken, die weiterhin wirkmächtig sind, aber nicht bewusst wahrgenommen, sondern durch übergestülpte Ideologien nachgebildet werden. Diese Ideologiebildung kann nicht durch Bildung einer Gegenideologie ausgeglichen werden, da dieser dann als reiner Wunschvorstellungen die notwendigen und hinreichenden ökonomisch-gesellschaftlichen Voraussetzungen fehlen. Siehe sowohl die Irrungen und Wirrungen des sich für wissenschaftlich haltenden Marxismus-Leninismus als auch die irrationalen Ersatzreligionen vieler faschistoider Strömungen. Wenn man also die diversen Probleme mit "Identitäten" im gegebenen gesellschaftlichen Rahmen angehen will, dann muss man wohl untersuchen, welche realen - oder ehemals realen - materialistischen Bedürfnisse hinter den diversen Missbilligungen individueller Lebensäusserungen stehen. Die eigentliche Basis der traditionellen bürgerlichen und vorbürgerlichen Normfamilie bilden ja die Notwendigkeiten, die sich aus dem Privateigentum, seinen Verteilungsmechanismen und seiner Erhaltung ergeben. Die Familie ist ein Ausnahmeraum, innerhalb dessen die "normalen" Umverteilungsreglen der kapitalistischen Ausbeutergesellschaft ausser Kraft gesetzt sind und stattdessen die Eigentumsgemeinschaft der Primitivgesellschaft weitgehend intakt bleibt. Jede Erweiterung des Familienkreises bedroht somit die kapitalistische Ordnung und damit die Möglichkeiten zur Profitgenerierung. Deshalb macht es innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft Sinn, Ausgrenzungsstrategien zu entwickeln, um möglichst geringen Anteilen der Population Zugang zu Ressourcen der gesellschaftlichen Solidarität zu gewähren. Auf welcher Basis diese Ausgrenzung erfolgt, ist dabei eher zweitrangig, wird aber eher solche Menschen treffen, die in der Konkurrenzsituation auch so bereits gefährdet sind, da sie nicht über die entsprechende ökonomische Macht verfügen, ihre Lebensinteressen durchzusetzen. Ein transsexueller Multimilliardär wird deshalb vielleicht eher als "exzentrisch" betrachtet aber im Normalfall nicht behelligt, ein transsexueller drogenabhängiger Obdachloser dagegen muss sich auf das Schlimmste gefasst machen.

Wen man versucht, diese gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse mit "Herz" statt mit "Verstand" abzuarbeiten, landet man genau so schnell bei Vernichtungslagern als wenn man seine ideale, ideologische Wünschdirwas-Gesellschaft zu Tode rationalisiert.

Und was nun den Sex betrifft - Der Geschlechtstrieb ist beim Menschen im Allgemeinen eine sehr starke, treibende Kraft. Wer versucht, das zu leugnen, handelt sich in der Regel nichts als Probleme ein, wie man beispielsweise leicht an den ubiquitären zölibatären Päderasten-Pfaffen ablesen kann, die übrigens seltsamerweise einerseits keinen einzigen offenen Fürsprecher für ihr spezielles sexuelles Anderssein finden, aber andererseits selbst (oder gerade) in den konservativsten gesellschaftlichen Kreisen widerspruchslos hingenommen werden... Davon abgesehen haben wir als Spezies wirklich verdammt Glück gehabt, dass der ganze Fortpflanzungsmechanismus von ein paar Macken abgesehen eine prinzipiell durchaus spassige Angelegenheit geworden ist, die wir mittlerweile schon recht gut von ihrem eigentlichen Zweck abstrahieren können. Das könnte durchaus ein eingebauter Mechanismus der Natur zur Kontrolle einer Überpopulation sein. Je grösser die Bevölkerungsdichte, desto grösser der Anteil alternativer Sexpraktiken die nicht zu Nachwuchs führen, oder so ähnlich. Das würde sich natürlich mit der kapitalistischen Notwendigkeit von stetigem sich beschleunigendem Wachstum beissen. Bin aber kein Anthropologe, könnte also kompletter Unsinn sein, die Hypothese.

Naives Gefühlsgedusel macht die Welt jedenfalls nicht besser, sondern ist wahrscheinlich für die schlimmsten Massaker der Geschichte hauptsächlich mitverantwortlich.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten