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  • csx

mehr als 1000 Beiträge seit 05.08.2000

Es geht hier ja hauptsächlich um Interessenpolitik.

slack2 schrieb am 31. Oktober 2002 13:46

> letztlich ist es ja egal ob ein staat einen krieg als sieg oder
> niederlage betrachtet. die beteiligten individuen können nur
> verlieren. gerade die golfkriegs-veteranen scheinen ein ziemlich

Das ist klar. Für die Beteiligten ist ein Krieg immer etwas absolut
prägendes. Allerdings sind Kriege nunmal nicht immer vermeidbar, so
schön dies auch wäre.

> auf dieser ebene herrschen in deutschland sicherlich andere
> verhältnisse, politische morde, kriege um ressourcen, oder unter
> flexibilität den verzicht auf eine krankenversicherung zu verstehen,
> sind in deutschland noch nicht opportun.

Das hat auch mit der Europäischen Tradition und Geschichte zu tun.
Hier liegt eigentlich der Kernpunkt der eigenen, europäischen
politischen Kultur. Europa legt in der Hinsicht mehr Wert auf
Sicherheit und Gemeinschaft, und weniger Wert auf Freiheit des
Einzelnen, verglichen mit den USA.

> aber die rolle die deutschland auf dem balkan gespielt hat, wäre auch
> durchaus mal einer kritischen betrachtung würdig.

Ja, die war allerdings sehr interessant.

> einige zugegebenermaßen konservative strategen haben deutschlands
> außenpolitischen gehversuche auf dem balkan durchaus als ursache für
> den bürgerkrieg gesehen. demnach hat die überhastete anerkennung
> sloweniens und kroatiens das blutbad erst ausgelöst. und sbrenica

Dafür wurde Genscher ja auch schon kurz nach der plötzlichen
Anerkennung heftig kritisiert. Nun muß man bedenken, daß Deutschland
seit über 100 Jahren schon traditionell gute Beziehungen zu den
Kroaten hat, und es deshalb durchaus richtig war, deren
Unabhängigkeit anzuerkennen. Die Art und Weise fand ich aber auch
etwas diletantisch. Da hat man schon gemerkt, daß die deutsche
Außenpolitik in den letzten 50 Jahren kaum Erfahrung mit bewaffneten
Konflikten hat sammeln können.

> wurde, wenn auch nicht inzeniert, so aber doch kühl kalkulierend
> hingenommen um die politische mehrheit für den nato-einsatz zustande
> zu bringe. von hufeisenplänen und der massiven unterstützung der
> mazedonischen separation mal abgesehen.

Die mazedonische Separation war richtig. Der Umgang mit Milosevic war
schon seit 1990 falsch. Schon 1983 hat ja Le Monde vor einem
möglichen Krieg im Kosovo gewarnt. Und jeder, der die Hintergründe
und die Entwicklung des Konflikts seit den 60er Jahren kennt, wird
wohl dieselbe Warnung ausgesprochen haben.

> diese schreiberlinge unterstellen deutschland machtpolitische
> ambitionen auf dem deutschen hinterhof, um im ernstfall jedoch
> jammernd an uncle sams brust zurückzuflüchten. diese
> betrachtungsweise muß keineswegs den tatsachen entsprechen, aber in
> den usa sehen viele das genau so und eine debatte über die deutsche
> außenpolitik fand zumindest öffentlich kaum statt.

Daß Deutschland Interessen auf dem Balkan hat (und haben sollte) ist
ja auch ok. Es wäre ja töricht, so zu tun als wäre Deutschland ein
x-belibiges kleines Land. Wir sind nunmal einer der "großen drei" in
Europa, und sollten uns auch damit abfinden, diese Rolle übernehmen
zu müssen. Daß haben ja sogar Frankreich und die USA schon mehrfach
von Deutschland verlangt. ("Die Deutschen sollten endlich aufhören,
sich ständig Dinge vorzuwerfen, die ihnen sonst niemand mehr
vorhält", hat Chirac mal gesagt. Leider hab ich dieses Zitat nur
einmal in der Tagesschau gesehen, aber nicht geschrieben gefunden.
Ich fand es allerdings sehr bemerkenswert.)

> und um mal einen aktuellen vergleich zu strapazieren, wieso wurde
> slowenien anerkannt, mit eu-beitritt gewunken und milosevic in den
> haag angeklagt, während tschetschenien eine innerrussische
> angelegenheit ist und puten standing ovations im bundestag erhält?
> worin unterscheidet sich also der zerfallskrieg jugoslawiens vom
> zerfallskrieg rußlands? das eine findet in deutschem interessengebiet
> statt, das andere nicht.

Natürlich. Das ist doch auch legitim. Das Prinzip der
Nichteinmischung in innere Angelegenheiten ist immer noch gut und
richtig. Es hat schon viele Kriege und Konflikte zu verhindern
geholfen. Der Balkan ist aber nunmal ein Interessensgebiet
Deutschlands und der EU (wenn die GASP denn endlich mal
weiterentwickelt würde). Und wir tun gut daran, diese Interessen
wahrzunehmen, denn sonst schnappen und die USA diese Region auch noch
weg (siehe die militärische Unterstützung der UCK durch die USA,
sowohl im Kosovokrieg, alsauch im Konflikt mit Mazedonien). Diese
Unterstüzung wurde erst zurückgefahren, als die EU die Amis recht
drastisch zurechtwies, sich aus dem Balkan rauszuhalten.

> zu dem ganzen komplex hat auch jared israel von tenc.net wirklich
> interessante beiträge geschrieben. ähnlich wie die 911
> conspircysachen entsprechen sie vielleicht nicht der wirklichkeit,
> ein nachdenken über die argumente führt einen aber sicherlich näher
> an die realität als das blafasel von den haag.

Es geht hier ja hauptsächlich um Interessenpolitik. Daß das nicht
immer "Gerecht" (im europäisch-westlichen Sinne des Wortes) abläuft,
ist zwar nicht schön, aber leider auch nicht möglich. Die alternative
wäre ja ein Rückzug der EU und ihrer Interessen, und die Übernahme
dieser Regionen durch die Amis. Es würde nichts am Unrecht ändern,
aber die EU schwächen. Aber nur wenn die EU stark wird, werden wir
Gerechtigkeit gegenüber der US-Imperialpolitik wieder einen höheren
Stellenwert verschaffen können.

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