Morgen komm ich dich holen schrieb am 28.11.2022 09:09:
"Auch Albert Einstein hat die Wissenschaft zu einem großen Teil durch seine sehr kritischen Anmerkungen zur Quantentheorie vorangetrieben. Er hatte zeitlebens ein großes Talent dafür, den Finger in den wunden Punkt zu legen."
Ach, und welche Anmerkungen sollen das gewesen sein? Einstein vertrat bis zu seinem Tode, eine rein deterministisches Auffassung der Physik ("Gott würfelt nicht"), welche seiner Meinung nach gefälligst auch für die Quantenmechanik zu gelten habe. Damit lag er nunmal komplett falsch.....
Sie scheinen sich nur sehr oberflächlich mit der Kritik Einsteins "Gott würfelt nicht" befasst zu haben. Diese Aussage Einsteins wird in der Literatur meistens aus dem Zusammenhang gerissen, wer tiefer einsteigt kommt unweigerlich zum Schluss, dass Einstein kein Problem damit hatte, dass in der QM zufällige Ereignisse auftreten. Er konnte jedoch nie akzeptieren, dass der Zufall einfach so als von Gott gegeben hingenommen wird. Er wollte ergründen, wie der Zufall funktioniert, weshalb es Zufall überhaupt gibt. Das halte ich für eine sehr tiefgründige Frage und die Beantwortung derselben wäre zweifelsohne als großer wissenschaftlicher Fortschritt zu werten.
Ich halte es daher für gefährlich, wenn man einfach sagt, dass etwas zufällig geschieht und dadurch nicht hinterfragt, warum Zufall überhaupt existiert. Eine solche Geisteshaltung kann leicht dafür sorgen, dass man etwas grundlegendes übersieht. Die Frage, ob Einstein damit komplett falsch lag, kann mit dem gegenwärtigen Stand der Unkenntnis nicht abschließend beantwortet werden. Es würde mich jedenfalls brennend interessieren, was die Physik/Mathematik in 500 oder 1000 Jahren dazu sagt.
Oder glauben Sie tatsächlich, ebenso wie die Mainstream-Physik vor 120 Jahren, dass die Menschen bereits die gesamte Physik ergründen konnten und dass allenfalls noch unwesentliche Detailfragen auf eine Antwort warten? Nach 400 Jahren Forschung bereits die ganze Welt verstanden? Derartige Selbstüberschätzung bezeichnet man gemeinhin mit Größenwahn. Ich tendiere in solchen Fragen zu Sokrates - ich weiß, dass ich nichts weiß.
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Leider verstehen (ganz besonders, aber nicht nur bei ideologisch aufgeladenen Themen) viele Menschen die Wissenschaft nicht mehr als ergebnisoffene Suche nach der Wahrheit,..."
So ein Quarck. Wissenschaft sucht nicht nach Wahrheiten, sondern nach falsifizierbaren Theorien. Und das hat auch nix mit dem Klimawandel zu tun, der ist keine Theorie, sondern eine empirische Tatsache. Und sämtliche Theorien, die eine nichtanthropogene Ursache annehmen sind falsifiziert worden. Und deswegen herrscht auch ein Konsens unter Wissenschaftlern in dieser Frage..... Da ist es egal, ob es ein paar wenige Leute gibt, die anderer Meinung sind. Es gibt auch Leute mit Doktorgrad in der Physik, die meinen, die Relativitätstheorie sei Quatsch oder von Photonenalterung schwadronieren, um das Bild eines statischen Universums zu verteidigen, trotzdem sind weder die Relativitätstheorie noch die Expansion des Universums "umstrittene Theorien", sondern allgemeiner Konsens.....
Sie verwechseln Wissenschaft mit der wissenschaftlichen Methode. Wissenschaft strebt nach der Wahrheit. Ich brauche wohl nicht darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um eine Idealvorstellung handelt. Nach Gödel wird sie jedoch nie in der Lage sein die ganze Wahrheit zu finden. Auch das Konzept der Falsifikation nach Karl Popper ist mir durchaus vertraut.
In der Praxis ist es leider so, dass die meisten Wissenschaftler nicht nach Wahrheit, sondern nach Gewissheit suchen und das ist ein himmelweiter Unterschied. Dies hängt wohl mit der heute angewandten wissenschaftlichen Methode und deren eisernen Forderung nach Wiederholbarkeit zusammen. Verstehen Sie mich nicht falsch, Reproduzierbarkeit ist wichtig, Ergebnisse, die nicht Wiederholbar sind, gelten als wertlos und das nicht völlig zu Unrecht.
Die Sache ist jedoch in der wirklichen Welt erheblich komplexer. In einem Experiment muss man die Natur immer vereinfachen, man arbeitet mit Idealvorstellungen und man vereinfacht, indem man sehr vieles, genau genommen fast alles, als irrelevant und damit als vernachlässigbar erklärt. Um ein Experiment wirklich 100 % wiederholbar zu machen, müsste man nach dem Experiment den Zustand des gesamten Universums zurücksetzen, aber das ist ja unmöglich. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel, wenn ich aus einem Samen eine Pflanze wachsen lasse, ist mir eine 1:1 Wiederholung unmöglich. Der Samen hat gekeimt, ich kann ihn nicht zurückverwandeln und ein anderer Same wird niemals mit dem Ersten völlig übereinstimmen. Nun kann man sich in vielen Gebieten der Wissenschaft, genaugenommen nur sehr selten, so weit behelfen, dass Versuche wenigstens annähernd vergleichbar und damit in etwa Vergleichbar durchgeführt werden können, aber eben nur fast.
Wer jemals in einem Labor wissenschaftlich gearbeitet hat, wird am eigenen Leib erfahren haben, dass Experimente trotz identischen Bedingungen manchmal funktionieren und manchmal eben nicht. Leider wird über solche Phänomene viel zu wenig gesprochen, zumal man meiner Erfahrung nach nur in Ausnahmefällen wirklich feststellen kann, woran es lag. Interessanterweise ist dieser Effekt in der Psychologie besonders ausgeprägt, die Wiederholbarkeit ist durch die Umstände bedingt sehr schlecht. Das liegt nicht (nur) an unzureichend konzipierten Versuchen, die Psychologie hat einfach nicht den Luxus der Physik, dass man den größten Teil der Welt einfach vernachlässigen und damit weglassen kann. Dennoch arbeitet die Psychologie nach der wissenschaftlichen Methode und dass deren Ergebnisse so schlecht wiederholt werden können, weist darauf hin, dass auch die Physik etwas sehr grundlegendes nicht verstanden hat. Insofern ist die Forderung nach Wiederholbarkeit in der heute genutzten und breit akzeptierten wissenschaftlichen Methode Meiner Meinung nach etwas zu hart gefasst. Schlecht oder nicht Wiederholbare Fragestellungen lassen sich damit kaum wissenschaftlich angehen, obwohl sie existieren.
Die Physik hat doch den Anspruch die Welt erklären zu können und zwar die ganze Welt. Leider kann die heutige Physik nur ganz wenige handverlesene Spezialfälle gut erklären. Warum sich Wasser nass anfühlt oder wie z.B. der Sinnesempfindung "Rot" zustande kommt (Stichwort Qalia), was Bewusstsein ist, solche Fragen kann die Physik leider noch nicht erklären. Und man sollte sich keinen Illusionen hingeben, fast alle Fragen, die uns das Universum stellt, sind von dieser Sorte. Für mich ist es jedenfalls völlig klar, dass die QM und die ART nicht der Weisheit letzter Schluss sein können - trotz der beindruckenden Erfolge dieser Theorien. Der String-Theorie stehe ich noch sehr viel kritischer gegenüber, da sie meines Erachtens nicht die Kriterien der Falsifizierbarkeit erfüllt.
Ich weiß nicht, wie Sie dazu stehen, aber ich möchte, dass die Physik wirklich die ganze Welt, inkl. Bewusstsein etc., erklären kann. Roger Penrose scheint das ja ähnlich zu sehen. Ob das die Mehrheit der Physiker auch so sehen, oder eben nicht, was der "Konsens" dazu sagt, all das ist meines Erachtens völlig irrelevant, das ändert mit dem wissenschaftlichen Fortschritt, dem Zeitgeist und Modeströmungen. Bedauerlicherweise hängt jedoch heute das Einwerben von Forschungsgeldern entscheidend davon ab, dass man ein Thema untersucht, das in Mode ist. Wichtiger wäre es, wenn Wissenschaftler danach streben könnten sich dem Ideal der "Wahrheit" so weit wie möglich zu nähern, ansonsten zementieren wir den Stillstand.