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  • Alexander Durin

mehr als 1000 Beiträge seit 21.03.2013

Antwort II

> Imho hielt man die Wärmeaufnahme der Ozeane für ziemlich konstant.
> Naja man kannte sie halt nicht. Jetzt vermutet man da Schwankungen
> und daher unerwartete Einflüsse auf das Klima. Bisher hat man in den
> Modellen halt das betrachtet, wo man solche Einflüsse vermutet hat
> und hatte damit genug zu tun, und alles was keine Einflüsse hatte
> konnte aus den Modellen fallen weil es zur Korrelation des Modells
> mit den Messwerten keinen Beitrag liefert. Dass die Ozeane den
> Großteil der Wärmemenge aufnehmen war sicher bekannt, bestimmt auch
> in den Modellen enthalten, aber eben eher nicht als Variable sondern
> als Konstante.

Das ist als kritischer Leser nicht gerade befriedigend. Wenn es
heißt, dass man die Wärmeaufnahme der Ozeane für konstant "hielt",
heißt das, dass man das nicht wusste und man einfach einmal eine
Konstante eingesetzt hat. Das ist kein wissenschaftlicher Frevel, ich
habe das genauso gemacht, um mich an eine Sache heranzutasten. Ich
hätte aber niemals gewagt, ein solches provisorisches Modell als
ausgereift und prognoseträchtig zu verkaufen.

Und dann fällt mir ein Satz ebenso auf:

> und alles was keine Einflüsse hatte
> konnte aus den Modellen fallen weil es zur Korrelation des Modells
> mit den Messwerten keinen Beitrag liefert 

Diese Vorgehensweise entspricht einer heuristisch-empirischen
Vorgehensweise und nicht der auf wissenschaftlich-theoretischer
Basis. Das würde bedeuten, dass sich Klimaforscher ein Modell
zusammen gebastelt haben, das zu bisherigen empirischen Erkenntnissen
stimmt, aber keine konkludente und umfassende Theorie beinhaltet.
Schon einmal "Die Untersuchung" von Lem gelesen? Da kann man sehr
schön sehen, wie Theorien an der Statistik entlang aufgereiht werden
können. Ein Roman, der seine Wirkung erst nach vielleicht Jahren (ich
bin da langsam) entfaltet, gerade und weil er keine Lösung
präsentiert. Vielleicht gibt es (heute noch) keine Lösung.

> > Wenn aber die Klimamodelle die tiefen Schichten der Ozeane nicht
> > berücksichtigen und deren Wärmespeicherkapazität die
> > Oberflächentemperaturen "nicht mickrig" beeinflussen, wie kann man da
> > von der Vollständigkeit der Klimamodelle ausgehen?

> Ist "Vollständigkeit" für dich synonym mit "Brauchbarkeit"? Sicher
> sind die Klimamodelle nicht vollständig, aber das heißt nicht dass
> sie nicht brauchbar wären.

Eine interessante Wortunterscheidung, der ich nicht nur recht gebe,
sondern sie im Rahmen der heute statt findenden Sophisterei - um
nicht zu sagen, der um sich greifenden Eristik - recht gebe. Wenn ich
hier "vollständig" meinte, meinte ich "vollständig genug" im Sinne
von "brauchbar" oder auch "erklärbar", was die uns nun einmal
interessierenden Temperaturen an der Oberfläche betrifft. 

Davon einmal abgesehen haben ein paar Klimaforscher angemerkt, dass
sich die tiefen Ozeanschichten _kürzlich_ sonderlich erwärmt haben
und das als Erklärung für die Stagnation der Oberflächentemperaturen.
Sollten sie recht haben (das weiß ich nicht), schlucken die tiefen
Meeresschichten "überschüssige" (das ist relativ; manche mögen sie;
manche nicht) Wärme. Ich will einmal freudig-phantastisch
herausposaunen, dass diese tiefen Schichten uns wieder wärme geben,
wenn es "hier oben" zu kalt wird. Eigentlich kann das Leben schön
sein, wenn man sich nicht Probleme selbst macht.

Das nur so als kleiner Stich. Etwas wissenschaftlicher geht es
weiter: die Klimamodelle haben das offensichtlich so nicht
berücksichtigt. Man kann natürlich sagen, die Wärmespeicherkapazität
der Ozeane ficht die Klimamodelle nicht an, weil unerheblich. Im
gleichen Atemzug aber wird die These als Begründung für Stagnation
herangezogen. Entweder sind die Modelle falsch oder _diese_
Begründung. 

> > Vielleicht sind die tieferen Schichten der Ozeane der Garant für das
> > Leben auf dem Planeten? Sie nehmen "überschüssige Wärme" auf (was
> > überschüssig ist, hängt vom Standpunkt ab: der Wüstenbewohner wird
> > sie sicherlich anders bewerten als der Sibirier) und geben sie ab,
> > wenn es "oben" kälter wird. 

> Die Ozeane haben nicht verhindern können dass die globale
> Mitteltemperatur in 100 Jahren um 1 °C gestiegen ist, und ich sehe
> nicht dass sie jetzt auf einmal den weiteren Temperaturanstieg
> stoppen könnten.

Wir reden nicht von den letzten antiquierten hundert Jahren, sondern
von den letzten in der Anomalie anomalen Jahren. Komme mir nicht mit
dem alten  Schinken der letzten 30 oder 65 Jahre. Wir haben derzeit
eine (für die klimamodelle nicht kritische) Stagnation des Anstiegs
der Temperaturen. Und dDie tiefen Schichten zwischen 700 und 2000
Metern haben sich ausgerechnet in jenem Zeitraum der Stagnation
besonders stark erwärmt. Vielleicht fangen diese tiefen Schichten
gerade dann Oberflächenwärme auf, wenn letztere zu groß wird. Aus der
Biologie, Physik und Mechanik wissen wir sattlich genau, dass gewisse
Effekte erst merkbar zu Tage treten, wenn gewisse Schwellschwerte
überschritten werden. Das ist natürlich reine Fantasie und
Spekulation. In das gleiche Reich der Fantasterei ist aber die
Annahme zu verorten, dass die tiefen Schichten der Ozeane _nicht_ als
Wärmepuffer dienen. Das kann ich sicher sagen, weil kein ernst zu
nehmender Klimaforscher behauptet oder gar bewiesen hat, dass das
nicht so ist.

> > > Was hast du an Rahmstorf zu kritisieren?
> > 
> > Das ist ganz einfach: er versuchte die Stagnation zunächst
> > wegzureden, indem er die langfristigen "Trends" porträtierte, um die
> > _kürzliche_ Entwicklung statistisch scheinbar zu eliminieren. Und das
> > mit geschönten Grafiken, die den Leser eher desinformieren statt
> > informieren. Er agiert ideologisch motiviert und zeigt nicht die
> > Distanz, die einem Wissenschaftler zu Gebote steht. Er mag eine Menge
> > Wissen haben, das ist aber einseitig selektiert; das merkt man in
> > jedem Satz, den er schreibt. Er ist ein selbst ernannter
> > Weltenretter, der sicherlich ein ethisch hoch stehendes Anliegen hat,
> > aber das ist genau sein Problem: entweder er ist Akteur und Mahner
> > _oder_ er ist Wissenschaftler. Beides schließt sich aus. Entweder man
> > bezieht Position oder man forscht ergebnisoffen. 

> Ich denke es gibt genug Wissenschaftler die ergebnisoffen forschen,
> oder? Es gibt allerdings sehr wenige Menschen die die Ergebnisse der
> Wissenschaft einem interressierten Publikum adäquat aufbereiten, die
> Journalisten kannst du ja da vergessen.

Du hast mich gefragt, was es an Rahmstorf zu kritisieren gibt, ich
habe mehr oder weniger detailliert (eher weniger) geantwortet und
deine Antwort war, "es gibt genug Wissenschaftler, die ergebnisoffen
forschen". 

Diese Antwort fand ich, ehrlich gesagt, zum Kotzen. Irgendwie und
implizit hast du meiner - sehr stark formulierten - Meinung Recht
gegeben und - abgelenkt. Rahmstorf ist kein Wissenschaflter, sondern
ein Ideologe. Das hätte man zugeben können anstatt
drumrumzuschwafeln. Vielleicht hattest du Angst vor diesem
Zugeständnis, weil man das so wunderbar für eristisches Geschwafel
hätte ausschlachten können. Das ist aber weniger dir geschuldet, als
einer Diskussionskultur, die jedes Wort auf die Goldwaage legt
anstatt den gesamten Text in seinem Zusammenhang zu würdigen. Und es
ist auch - was hier vielleicht zutrifft, dass die Widerlegung eines
einzigen Äußerers einer Meinung, die gesamte Meinung widerlegt. 

Ich fürchte nur, dass bei diesem Ideologie-geladenen Thema eine
Verständigung wenn nicht unmöglich, doch zumindest schwer wird. Ich
selbst habe ein glänzendes Beispiel dafür geliefert, wie man einen
Text grundsätzlich missverstehen kann. Das ist irgendwie traurig,
weil alles auf gegeneinander und nicht miteinander programmiert ist.

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