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  • /Rak

mehr als 1000 Beiträge seit 26.10.2001

Re: Beides muss demokratie Aushalten - NEIN!

Wagenrecht schrieb am 23.02.2022 10:54:

Oh, wieder Terrorismus. Ja klar. Jeder Straftat ist gleich Terrorismus. Logisch.

Kennen Sie §§ 34 und 35 StGB? In Verbindung mit Artikel 20a GG und den dazugehörigen Urteilen des BVG?

Zum Beispiel.

Und dann noch in Verbindung mit der Problematik der Rechtswidrigkeit des Kraftverkehres?

Und wie ist generell die Verhältnismäßigkeit zwischen den Störungen, die Kraftfahrer nun erleiden mussten und denen, die sie verursachen?

Liest du auch mal die Paragraphen durch, die du hier zitierst? Und versuchst zumindest mal grundlegend zu verstehen, was da drin steht? Oder reicht dir hier die Überschrift?

Hier liegt nämlich weder ein rechtfertigender Notstand vor noch liegt ein Enstchuldigender Notstand vor.

StGB § 34 Rechtfertigender Notstand
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

Es braucht für den §34 StGB also eine "gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr", die man von sich oder anderen abwendet mittels einer ansonsten rechtswidrigen Tat.
Nur ist hier aber gar keine konkrete, gegenwärtige Gefahr vorhanden - sondern allenfalls eine potentielle, in der Zukunft wahrscheinliche durch den Klimawandel. Und eine Nötigung auf der Autobahn bzw. ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (durch gezieltes Auskippen von Öl auf die Fahrbahn etwa.. wie in Freiburg) ist eben auch nicht die einzige Möglichkeit diese derzeit nicht mal konkret vorhandene Gefahr abzuwenden.
==> StGB §34 greift also schon mal nicht.

Bleibt noch §35:
"§ 35 Entschuldigender Notstand
(1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.
(2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern."

Und auch hier:
keine konkrete, gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit.
Hier könnte man allenfalls mit dem Irrtum nach StGB §35(2) argumentieren - aber auch hier muss man leider feststellen, dass man mit einer Autobahnblockade oder sonstigen ähnlichen Straftat nicht direkt und unmittelbar den Klimawandel in den nächsten Jahren verhindern kann. Schließlich ist die Autobahnblockade keine konkrete Tat gegen ein bestimmtes, momentan vor Ort vorhandenes Ereignis. Sondern eine propagandistische Aktionsform, die Aufmerksamkeit erreichen und Einfluss auf die Politik nehmen will, daher auch die Transparente usw.
==> StGB §35 greift hier auch nicht.

Dann zum Artikel 20a des Grundgesetzes:

"Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 20a Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

Das ist einfach nur eine Feststellung und eine Vorgabe für die Regierung.
Wobei auch hier wiederum eine Bedingung enthalten ist:
"durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."
Das gibt Bürgern aber noch lange nicht das Recht nach eigenem Ermessen irgendwelche Straftaten zu begehen. Wenn, dann bleibt als Protest dagegen, dass diese Vorgaben von einer Regierung nicht eingehalten werden, lediglich der Klageweg. Und es gibt natürlich noch Art 5 (der die freie Meinungsäußerung garantiert - im Rahmen der allgemeinen Gesetze) und Art 8, das Recht auf Versammlungsfreiheit. Wobei hier wiederum auch Art 8 (2) zu beachten ist, der diese Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel durch den Rahmen allgemeiner Gesetze beschränkt.
Einfach mal Straßen ohne vorherige Anmeldung blockieren ist also nicht erlaubt, auch in einer Demo nicht.

Dazu kommt dann noch, dass der Kraftverkehr hierzulande eben nicht rechtswidrig ist - sofern eben StVO, StVZO usw. eingehalten werden. Das Autofahren ist immer noch völlig legal hierzulande. Auch mit dem GG Art 20a. Der wie gesagt nur eine Handlunsgansweisung für die Regierung ist. Und kein Freibrief für Klimarevolutionäre.

Mag also sein, dass er aus deiner Sicht höchst unmoralisch und verwerflich ist, währen die Blockierer in deinen Augen eine ethisch gute Tat begehen - dennoch begehen sie aus juristischer Sicht nun mal Straftaten und verstoßen gegen das Gesetz. Was die Kraftfahrer normalerweise eben genau nicht machen.

Und ja - man kann auf das Gesetz scheißen und dennoch die Straßen blockieren um gegen Lebensmittelverschwendung zu protestieren. Aber darf sich dann auch nicht wirklich beklagen, wenn andere mit einer anderen Meinung und Weltsicht auch auf das Gesetz scheißen und z.B. die Blockierer mal gewaltsam von der Straße entfernen damit sie durch kommen und ihren Abladetermin einhalten können.

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