Die reichen Geldgeber der Klimakleber, die größtenteils in den USA sind, haben sich sicher etwas überlegt - es ist auch kaum einen Zufall, dass sie den Eindruck haben, dass man sie in Deutschland eher gewähren lässt als in den USA (oder gar in Ländern wie China oder Indien). Es steckt durchaus eine Theorie hinter den Aktionen.
Aber dass diese Geldgeber reich sind und es sich leisten können, Leute für die Entwicklung von Theorien zu bezahlen, heißt eben längst nicht, dass diese Theorien tatsächlich plausibel und effektiv sind.
Die Idee, dass es genüge, Aufmerksamkeit zu erregen, trifft kaum zu. Viele Umfragen zeigen, dass die "Klimakleber" von einer großen Mehrheit abgelehnt werden. Der Haupteffekt dürfte sein, dass die Grünen geschwächt werden, weil sie nicht gut damit umgehen können. Sie eiern herum und distanzieren sich halbherzig, aber sie können sich doch nicht richtig distanzieren. Dass die Grünen bei Wahlen in letzter Zeit (z.B. in der Schweiz) schwächer abschneiden und Parteien, die sich dezidiert gegen die Grünen aussprechen stärker, hat natürlich verschiedene Ursachen, aber die gemäß Umfragen sehr hohe Ablehnung für "Klimakleber" auch unter Personen, denen Klimaschutzmaßnahmen an sich wichtig ist, lässt es sehr wahrscheinlich erscheinen, dass die "Klimakleber" auch einen Anteil daran haben.
Völlig blödsinnig ist, dass die "Letzte Generation" einerseits solche destruktive Aktionen ausführen, die eine große Mehrheit stört und eine apokalyptische Rhetorik verwenden, aber dann lächerliche Forderungen wie ein 9-Euro-Ticket aufstellen, die eine verschwindend geringe Wirkung auf die Emissionen haben. Natürlich kennen wir die Theorie dahinter inzwischen zur Genüge - angeblich sollen die Leute denken, wenn die Regierung nicht einmal bereit sei, solche kleine Forderungen umzusetzen, müsse ein Volksaufstand gemacht werden. Meines Erachtens zeigt das nur, dass die von den Milliardären hinter der "Letzten Generation" beauftragten Theoretiker völlig weltfremd sind. Dass die destruktiven Aktionen, die von einer großen Mehrheit abgelehnt werden, von solchen Forderungen, die man gut oder schlecht finden kann, die aber keinen nennenswerten Einfluss auf die Emissionen hätten, wenn sie umgesetzt würden, begleitet werden, steigert nur die Ablehnung dieser Aktionen. Wenn sie wenigstens von einer Forderung, die tatsächlich einen bedeutenden Einfluss auf die Emissionen hätten, z.B. die Wiederinbetriebnahme der Kernkraftwerke, damit entsprechend weniger Kohle verbrannt wird, würden diese Aktionen wohl immer noch von einer klaren Mehrheit abgelehnt, aber sie würden nicht mehr ganz so blödsinnig wirken.
Der Autor stellt einen Vergleich zu den Anti-Atom-Protesten her. Ich finde diesen Vergleich aus zwei Gründen interessant.
Der eine Grund ist, dass der Erfolg der Anti-Atom-Bewegung ja gerade ein wichtiger Grund dafür ist, dass Treibhausgase aktuell ein so großes Problem sind. In den 70er Jahren sah man in Ländern wie Schweden und Frankreich, wie schnell man in der Dekarbonisierung vorankommen kann, wenn man es entschieden angeht. Wenn das weltweit so fortgesetzt worden wäre, wären die Treibhausgas-Emissionen jetzt auf einem viel tieferen Niveau. Das wurde durch den großen Erfolg der Anti-Atom-Propaganda verhindert. In den meisten Ländern war der Erfolg der Anti-Atom-Bewegung zwar nicht so durchschlagend wie in Deutschland, aber in der westlichen Welt ist der Bau von neuen Kernkraftwerken seit Jahrzehnten wegen dieser erfolgreichen Propaganda weitgehend eingestellt worden (was dann wegen fehlender Erfahrungen in wenigen Fällen, wenn doch irgendwo wieder eines gebaut wurde, anders als in Ländern, welche diese Erfahrung nie verloren haben, auch zu Kostenüberschreitungen führte, was dann natürlich von der Anti-Atom-Propaganda auch gierig ausgenutzt wird).
Der Vergleich ist aber auch in einer anderen Hinsicht interessant, die dem, was im Artikel ausgedrückt wird, näher kommt. Anders als die "Klimakleber" waren Aktionen der Anti-Atom-Bewegung vielerorts wirklich populär. Ich bin in der Region Basel aufgewachsen, wo die Anti-Atom-Bewegung das Kernkraftwerk Kaiseraugst erfolgreich verhindert hatte. Die Angstpropaganda hatte eine klare Mehrheit überzeugt, und wie in Basel geschah Ähnliches in vielen anderen Regionen. Sie hatten auch Leute überzeugt, die selbst kaum das Gelände des geplanten Kernkraftwerks besetzt hätten, und diese Besetzung genoss bei einer Mehrheit der Bevölkerung in der Region Sympathien.
Bei den "Klimaklebern" ist die Situation hingegen eine völlig andere. Während eine Mehrheit sicher eine Reduktion von Treibhausgas-Emissionen wichtig findet, werden gemäß Umfragen die "Klimakleber" von einer großen Mehrheit abgelehnt, und die starken Emotionen gegen die "Klimakleber" und das Herumeiern von Politikern, die für Klimaschutz eintreten, wenn sie sich von Klimaklebern distanzieren wollen, erschweren es nur, Maßnahmen zum Klimaschutz durchzusetzen.
Ich war zur Zeit, als das Gelände des geplanten und dann nicht gebauten Kernkraftwerks Kaiseraugst besetzt war, ein kleines Kind, aber auch danach war in Basel alles von Anti-Atom-Propaganda durchtränkt, ohne jegliche Hemmungen machten auch Lehrer im Unterricht Anti-Atom-Propaganda, und niemand stellte das in Frage, weil man es für selbstverständlich hielt und schon gar nicht als Propaganda wahrnahm. Erst viel später kam ich auf die Idee, das zu hinterfragen und zu sehen, dass viele Behauptungen der Anti-Atom-Propagandisten äußerst fragwürdig sind. In weiten Teilen der Gesellschaft, nicht nur bei Personen, die auch sonst solche Aktionen unterstützen, galt es als selbstverständlich, dass es etwas Gutes war, dass das Gelände des geplanten Kernkraftwerks besetzt worden und der Bau verhindert worden war.
Eine solche Dominanz haben die "Klimakleber" ganz sicher nicht erreicht, und es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass sie das je erreichen werden. Es gibt im Gegenteil bei der Ablehnung der "Klimakleber" einen breiten gesellschaftlichen Konsens, der einen großen Teil der Menschen, denen Ökologie wichtig ist, einschließt, und die Hauptwirkung dürfte eine Spaltung unter den Personen, denen die Ökologie und das Klima besonders wichtig sind, sein.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (26.10.2023 20:55).