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  • bavarian dynamics

626 Beiträge seit 16.07.2019

Warum es mit der Nordostpassage so schnell nichts wird

Eine ganzjährig komplett eisfreie Nordostpassage wäre sehr schön, da sie den Seeweg von Hamburg nach Yokohama (große Hafen in Japan, so ähnlich wie Hamburg) spontan um 5000 km verkürzen wüde. Hypertoll, aber leider auch hyperrealistisch.
Und Hyperrealismus ist eine Form der Wirklichkeitsfremdheit. Ähm.

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Denn es ist so:

1. Da ist ja nix im Winter eisfrei. Sie müssen da ja immer noch im Gefolge eines russischen nuklearen Eisbrechers durch. Der ist nicht kostenlos, für solche Brecherdienste auf der Passage lassen sich die Russen gut bezahlen. Lohnt sichs dann noch?

2. Sie können nicht mit jedem Frachter da lang fahren, das wär ja schön. Auch wenn ihnen der Eisbrecher vorher den Weg freimacht, geht das nicht. Sie brauchen einen Frachter der sog. "Eisklassen" erfüllt, damit er in arktischen Gewässern fahren darf (rechtliche Seite) und auch fahren kann (technische Seite, es wäre wohl bis auf Weiteres immer noch unklug, da mit einem ungehärteten Schiff langzufahren).
Sie ahnen es vielleicht schon, ein Eisklassenfrachter ist teurer als ein normales Schiff und hat eine geringere Zuladung. Es ist schwierig, damit Rentabilität herzustellen... jaja.

Nur die wenigsten Frachter erfüllen daher überhaupt irgendeine Eisklasse jenseits 0, denn sie fahren ja Atlantik, Pazifik, Mittelmeer, da stellt sich die Eisfrage nicht so sehr :-)

Bei der Nordostpassage gilt natürlich die Eisklassen-Klassifikation der Russen, die können da quasi vorschreiben was sie wollen. Wenn sie das nicht erfüllen, fahren sie da nicht lang. Hab ich nicht erwähnt, es gibt unterschiedliche Eisklassen-Klassifikationen und die russische ist mit den westlichen nicht identisch. Viel Spaß. Oder auch nicht. Bitteschön:

https://www.polaradventures.de/wp-content/uploads/Eisklassen.pdf

3. Und dann: Sie fahren langsam in arctic waters, aus Sicherheitsgründen, sie wollen ja nicht auf Eis laufen, sie fahren ja quasi im virtuellen Schlepptau dem nuklearen Eisbrecher hinterher. Und das ist eben langsamer, als wenn sie durchs Mittelmeer fahren, den Atlantik, den Persischen Golf oder den Südpazifik. Und jetzt passiert folgendes: Der Zeitgewinn dadurch, daß eine frei gebrochene Nordostpassage ja den Weg nach Nordasien markant verkürzt: Der wird zumindest tw. dadurch aufgrefressen, daß sie auf der Nordostpassage langsamer fahren müssen als sonst. Lohnt es sich dann noch? Hm? Naja. Auf jeden Fall ist es nicht hilfreich. Tricky.

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Ich seh da noch lange nix, was sich betriebswirtschaftlich darstellen läßt. Es hängt auch sehr viel davon ab, welche Vorgaben die Russen auf der Route machen, welche Tarife sie nehmen. Die Route gehört ihnen ja. Es hängt viel davon ab, ob das Wetter wirklich gut ist, also immer wärmer wird. Ich begrüße warmes Wetter sehr. Aber das weiß doch niemand, ob es so kommt. Das kann man hoffen, aber nicht wissen. Wenn es kälter wird, ist alles sowieso Makulatur. Wenn es da wieder sauber durchfriert, fährt da keiner lang. Aber gar keiner.

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Ich hoffe sehr, daß es viel wärmer wird und die Nordostpassage wirklich permanent eisfrei. Einfach deswegen, weil Welthandel eine gute Sache ist und Konkurrenz gut fürs Geschäft. Weil dann z.B. der Suez-Kanal an Bedeutung verlieren würde, weil man ja eine alternative und kürzere Route weiter nördlich hat. Klar, es wäre wunderbar.

Aber auch sicientific (sic!) fiction is nothing but fiction. Not a fact. Am Ende zählen die Fakten und alles andere ist Regenbgeneinhornschmusen. Nice, aber nicht real.

i.d.S., bd

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