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Avatar von /Rak
  • /Rak

mehr als 1000 Beiträge seit 26.10.2001

Nach welchem US-Gesetz hat sich den Exxon da strafbar gemacht?

Ich will hier jetzt nicht auf die Debatte eingehen ob es Klimawandel gibt, ob das nun wissenschaftlich erwiesen ist oder nicht usw. Mir geht es vor allem um die juristische Einordnung.

Also gehen wir für die Betrachtung einfach mal fiktiv davon aus, dass es einen/den Klimawandel gibt, der dafür sorgt, dass die Erde in weniger als 10 Generationen nicht mehr bewohnbar sein wird, weil der Meeresspiegel um 200m gestiegen ist. Und auf der Erde kein freies Süßwasser mehr existiert (ist alles im Meer als Salzwasser), das Land hat Temperaturen von mind. 50°C im Mittel usw., nehmen wir diese Fiktion einfach mal an: In weniger als 300 Jahren gibt es auf der Erde kein Leben mehr, weil sich der Mensch daneben benommen hat. Und gehen wir auch davon aus, dass Exxon da Wissenschaftler hatten, die bei ihren Forschungen schon vor 50 Jahren die Theorie entwickelt haben, dass die Firma Exxon mit ihrer Erdölproduktion und ihrer Gasproduktion usw. den Klimawandel und damit die mittelfristige Ausrottung des Lebens beschleunigen würden.

Dann stellt sich direkt die Frage in wie weit sich Exxon da überhaupt strafbar gemacht hat.
Denn die Analogie zu den Urteilen gegen die Tabakkonzerne, die nachgewiesenermaßen wissend gesundheitsschädliche Produkte verkauft haben, welche auch noch auf ein möglichst hohes Suchtpotential optimiert wurden, hinkt dann doch bisschen. Hier hinkt die Analogie schon, weil viele der spektakulären Millionen- und Millaren-Urteile gegen Phillip Morris & Co., die Anfang/Mitte der 2000 gesprochen wurden, mittlerweile schon wieder aufgehoben wurde. Zum Einen, weil z.B. in Florida Formfehler vor lagen (und die Klagen eigentlich gar nicht zulässig waren in der Form), zum Anderen wurden die Urteile revidiert, weil die Strafen und Bußgelder usw. "unverhältnismäßig" waren. Das Einzige, was nach den 25 Jahren der Tabakprozesse wirklich geblieben ist von diesen juristischen Auseinandersetzungen, das ist die Auflage, die Tabakprodukte deutlicher als gesundheitsschädlich und potentiell tödlich zu kennzeichnen.
Aber die Analogie zu den Tabakprozessen hinkt auch deswegen, weil beim Tabakrauchen eine direkte Schädigung der Lunge und sonstiger Organe durch das Produkt kausal nachgewiesen ist - wenn man Rauch in die Lunge inhaliert, dann lagert sich dort eben nun mal Teer und sonstiges Kondensat ab (Öle/Feinstaub/Ruß...), das nicht nur die Leistungsfähigkeit der Lunge massiv beeinträchtigt, diese Kondensate sind auch gesichert krebserregend, gelangen über die Lunge auch direkt in den Körper und führen zu Arteriosklerose, wobei das über die Lunge und die Mundschleimhaut aufgenommene Nikotin die Adern noch mal zusätzlich verengt. So dass eben z.B. die schwarze, teerverkleisterte Raucherlunge und das Raucherbein direkte Folgen des Rauchens sind. Das war dann auch die Grundlage für die Tabakprozesse.

Genau diese direkte Kausalität für den einzelnen Menschen gibt es aber im Fall des Klimawandels nicht. Hier gibt es bei Exxon eben nur Mitverursachung für die Ausrottung des Lebens in 300 Jahren. Aber keine direkte Schädigung von Menschen, die jetzt hier und heute Leben, auch keine Schädigung von Menschen, die vor 5 Jahren gestorben sind. Es gibt hier nur eine potentielle, hoch wahrscheinliche Schädigung für die künftigen Generationen. Aber damit auch niemanden, der als direkt Betroffener hier z.B. auf Schadenersatz klagen könnte, anders als bei den Tabakprozessen.

Dazu kommt aber auch noch, dass es nicht die direkte und vor allem absolute Pflicht von irgend jemandem ist, sich so zu verhalten, dass die Erde auch in 350 Jahren noch bewohnbar sein wird. So ein Verhalten wäre natürlich sehr wünschenswert, aber letztendlich ist hier Exxon lediglich nur dazu verpflichtet sich an die geltenden Vorschriften und Gesetze zu halten. Wobei selbst hier noch keine direkte und zwingende Pflicht besteht - wenn Exxon lieber ein extrem hohes Bußgeld für eine vorsätzliche Umweltstraftat in Kauf nimmt als sich an das Gesetz zu halten, dann kann der Konzern genau das immer noch machen. Denn an Gesetze und Vorschriften kann man sich zwar halten, man muss dies aber nicht zwingend tun. Alles, was man zwingend tun muss, das ist dann mit den Konsequenzen seines Tuns und Handelns oder Nichthandelns zu leben.

Als kleine Analogie: Wenn da auf der Toilette nur noch <20 Blatt auf der Klopapier-Rolle sind, dann gehört es sich eigentlich dafür zu sorgen, dass da wieder eine neue Rolle bereit liegt. Damit der spätestens übernächste am Ende nicht ohne Klopapier da sitzt. Und es ist höchst unsozial und wohl auch unmoralisch hier jetzt noch extra viel Klopapier zu verbrauchen, damit schon der nächste nur noch eine leere Papprolle vorfindet - um dann nichts zu sagen und auch keinen Nachschub zu organisieren.
Aber man kann sich sich eben so unsozial und unmoralisch verhalten, wenn einem die Kollegen in der Firma am Allerwertesten vorbei gehen. Und wenn man für das Nichtauffüllen des leeren Klopapiers 5€ in die Kaffeekasse stecken muss, dann kann man auch einfach ganz bewusst mal 5€ in die Kaffeekasse zahlen um einen Kollegen ohne Klopapier auf dem Lokus sitzen zu haben.

Und genau wie in der Analogie hier kann eben Exxon die Gesetze und Vorschriften befolgen - muss das aber nicht tun, wenn die Firma lieber die Konsequenzen trägt und ein potentielles Bußgeld zahlt. Wobei dafür aber erst mal entsprechende Vorschriften und Konsequenzen vorhanden sein müssen - und genau hier schaut es eben so aus, als hätte sich Exxon eben sehr wohl an alle geltenden Vorschriften und Gesetze und Vorgaben gehalten. Auch wenn sie ganz genau gewusst haben, dass die Erde in 300 Jahren tot sein wird.
Aber es ist eben nicht die Pflicht von Exxon die Regierung darauf hin zu weisen, dass genau das passieren wird um die Regierung zu bitten neue und strengere Gesetze zu machen und die Bußgelder zu erhöhen. Exxon hat nicht mal die Pflicht hier auch nur rgendwem von den Studien zu erzählen, die sie in Auftrag gegeben haben. Und erst Recht hat Exxon nicht die juristische Pflicht diese Studien auch noch aktiv zu bewerben.
Das ist höchstens eine moralische Verpflichtung, meinetwegen auch noch eine religiöse, wenn man sich auf die Bibel, den Koran oder die Bhagvad Gita bezieht und die möglicherweise darin enthaltene Verpflichtung die göttliche Schöpfung zu ehren und zu bewahren. Aber eben auch nur das: eine moralische Verpflichtung.

Exxon kann, um in der erwähnten Analogie zu bleiben, mit Genuss auch die letzten 50 Blatt Klopapier verschwenden um den Hintern wirklich gründlichst zu reinigen und ganz bewusst eine leere Rolle hinterlassen, wenn ihnen die Mitmenschen und das, was danach kommt, einfach scheißegal sind. Mit der Behauptung: "wird bestimmt gleich wieder aufgefüllt!" - auch wenn sie ganz genau wissen, dass sich das Klopapier nicht von alleine wieder auffüllt. Exxon kann hier auch behaupten, dass es keinen Klimwandel gibt, auch wenn sie es dank der Studien eigentlich besser wissen.

Weil es eben kein Gesetz gibt, welches das Leugnen des Klimawandels in Strafe stellt. Und weil es in den USA eben kein Gesetz gibt, dass sie zwingt eine bestimmte Meinung oder Ansicht zu haben. Man darf sogar ganz explizit allen möglichen unlogischen und unwissenschaftlichen Mist behaupten, der ganz eindeutig nicht wahr sein kann - die Erde wurde wissenschaftlich nachgewiesen eben nicht in 7 Tagen erschaffen, dennoch dürfen Bibel, Torah und Koran verkauft werden, dennoch darf daraus gepredigt werden. Und es ist auch nicht verboten zu behaupten, dass der Mond aus Käse besteht. Auch dann nicht, wenn man genau weiß, dass der Mond nicht aus einem großen Käse besteht, sondern aus Quark - und dass er einfach nur die Rückseite der Sonne ist, die man dann nachts sieht. Und genau so darf eben Exxon behaupten, dass das Ding mit dem Klimawandel und der Unbewohnbarkeit des Planeten in weniger als 10 Generationen nach ihrer Meinung Mumpitz und Unfug ist. Auch wenn sie ganz genau wissen, dass es keine 5 Generationen dauern könnte.

"Nichts ist wahr - alles ist erlaubt."
Psalm 63, 11-12

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