Das ist aber auch irgendwie verständlich: Wer bereits vor der Wahl einräumt, dass nicht alles in vollem Umfang realisierbar sein wird, weil man nicht über 50% kommen wird, macht sich klein, und das kostet Stimmen.
"Wer zugibt, ein Dieb zu sein, den lässt niemand in die Wohnung. Also sollte er es tunlichst verschweigen und vertuschen." ... spannende Argumentation in Bezug auf das Thema "Einbruchssicherung".
Oft geben Politiker der Sache einen positiven Dreh, indem sie darauf verweisen, dass möglichst viele Stimmen für ihre Partei die Chancen auf Umsetzung bestimmter Ziele erhöhen. Was ja auch nicht verkehrt ist.
... und was jeder, der imstande ist, ohne fremde Hilfe die Schuhe zu binden, ebenfalls weiß. Romantische Demokratie-Vorstellungen, das.
Wer in dieser Demokratie lebt und wählt, der weiß auch ganz genau, dass so ziemlich alles Verhandlungsmasse sein kann
... was in einer Demokratie insofern schwierig ist, als der Souverän nach der Wahl nicht mehr reingrätschen kann, wenn sich die Verhandlungsmasse als "Verraten & Verkauft" herausstellen sollte.
Ergo: Er muss im Blindflug wählen und dann hoffen, nicht in die Scheiße gegriffen zu haben. Immerhin muss er es danach in jedem Fall aushalten ... und bezahlen.
In jeder Kneipe würde man - zu Recht - entrüstet aufspringen, wenn man statt des bestellten halben Liters nur 2cl bekommt; aber das anderthalbfache des ausgewiesenen Preises zahlen soll. In einer Demokratie ist das der kemmerich'schen Lehrmeinung nach "normal".
Diesmal ist es besonders knifflig, weil drei Parteien koalieren wollen, deren Programme in Teilen krass gegensätzlich sind. Daran hätte auch eine "Kennzeichnungspflicht" nichts geändert.
Da die Zahl potenzieller Koalitionen in Deutschland leichthin mit "extrem überschaubar" beschrieben werden kann, wäre ein Abklopfen möglicher Koalitionsinhalte VOR den Wahlen - und damit ein Festschreiben fix zugesicherter Wahlversprechen - leicht möglich und würde sogar die Regierungsbildung nach der Wahl erheblich beschleunigen.
Win-Win, sozusagen. Nur eben nicht für jene, die gar nicht umzusetzen beabsichtigen, was sie da in ihrer Wahlwerbung versprechen. Denn dann könnte man nicht so dick auftragen.