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  • Ignoramus-et-Ignorabimus

mehr als 1000 Beiträge seit 07.11.2017

Siegen

... wer da nun militärisch siegen wird in der Ukraine, da muss eben jeder seine jeweilige Glaskugel befragen. Das hängt ja nicht zuletzt auch davon ab, wie die jeweilige Seite für sich einen militärischen Sieg definiert, also welche militärischen Ziele sie sich gesetzt hat, und inwiefern die dann erreicht werden konnten. Miltitärische Ziele sind aber alles andere als in Stein gemeiselte Vorgaben. Die können sich auch situativ ändern.

Das haben im Krieg in der Ukraine ja nun beide Seiten auch gezeigt. Ging es Russland am Anfang militärisch um die Besetzung grösserer Teile der Ukraine, und einen schnellen Regimewechsel durch die Besetzung Kiews, so geht es jetzt offensichtlich mehr darum, die im Osten und Süden besetzten Gebiete zu halten, und wenn möglich die annektierten Gebiete auch vollständig zu kontrollieren. Reziprok dazu ging es für die Ukraine am Anfang darum, möglichst viel Territorium gegen die Invasion zu verteidigen,, und jetzt geht es darum, die russischen Invasoren vom Staatsgebiet der Ukraine vollständig zu vertreiben.

Aber egal wie sich die militärischen Ziele nun gerade darstellen, sie stehen ja nicht in einem luftleeren Raum, und sie sind kein Selbstzweck. Um mal den abgedroschenen Clausewitz Satz vom Krieg als der Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln in Erinnerung zu bringen, schlussendlich werden in einem Krieg mit militärischen Mitteln politische Ziele verfolgt. Das bedeutet aber auch, dass die politischen Konsequenzen militärischen Handelns der zentrale Aspekt sind. Nicht die Erfolge oder Misserfolge auf dem Schlachtfeld definieren Sieg oder Niederlage, sondern schlussendlich die politischen Konsequenzen daraus.

Wer's nicht glauben möchte, soll sich halt beispielsweise mal ein bisschen näher mit der Suez Krise von 1956 beschäftigen. Militärisch ein Sieg für Frankreich und England. Politisch war es das Ende beider Kolonialreiche und und das endgültige Ende des Anspruchs als Weltmächte gestaltend zu agieren.

Unter diesen Voraussetzungen sehe ich nicht, wie Russland den Ukraine Konflikt politisch gewinnen will, selbst wenn es gelänge, die Ukraine militärisch zu einem Verhandlungsfrieden zu zwingen. Bereits jetzt sind die politischen Folgen für Russland gelinde gesagt desaströs.

Es hat sich durch den Krieg auf unabsehbare Zeit von Europa abgekoppelt. Wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich. Dafür aber ist es in eine politische und wirtschaftliche Abhängigkeit von China geraten, die vermutlich jeden toten Führer der Sowjetunion im Grabe rotieren lässt. Dazuhin hat Russland ohne Not die laut Macron hirntote Nato auf eine Weise wiederbelebt, die vor 2 Jahren noch unvorstellbar war. Anstatt die Struktur friedlich entschlafen zu lassen, ist sie jetzt wieder die zentrale Sicherheitsstruktur Europas. Mit einer um 1300km verlängerten Grenze zu Russland. Und eines Europas, das seine Sicherheit nicht mit, sondern gegen Russland denken muss.

Nichts davon wird sich ändern, ganz egal wie der Krieg in der Ukraine sich militärisch entwickelt. Da hätten die Kremler mal besser vorher ihren Clausewitz gelesen, bevor sie vor lauter Wunderwaffenbesoffenheit einen politisch nicht zu gewinnenden Krieg vom Zaun gebrochen haben.

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