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170 Beiträge seit 18.01.2000

Zionismus

Verehrter Wahrer Frosch,

> > Oder wie definieren Sie Zionismus?

> Ich will mal meine Definition darlegen:

> Der Zionismus: Nationalistische Ideologie, enstanden im Zeitgeist des
> imperialen Kolonialismus bzw. Rassismus und unter dem Eindruck der
> europäischen Judenverfolgung mit begrenzten auf die Mitglieder des
> jüdischen Volkes beschränkten sozialistischen Ideen und unter
> Ausnutzung religiöser Aspekte.

Ich würde ungefähr zustimmen, aber nur ungefähr.
Sie übersehen nämlich, daß die zionistische Bewegung aus
zahlreichen Teilströmungen bestand (und besteht), die
sich scharf bekämpfen.
Der politische Zionismus Herzlscher Prägung hatte mit
Religion überhaupt nichts am Hut, im Gegenteil.
Sein Traum war ja gerade, das jüdische Volk aus seiner
durch Diaspora und Religion geprägten historischen
Sonderrolle zu befreien, es also zu einem "normalen" Volk
zu machen, indem es auch ein geschlossenes Siedlungsterritorium
bekommt. Sein Wunsch war strikte Trennung von Staat
und Religion, im Grund einen Staat moderner westlicher
Prägung. Diese Trennung ist im Staate Israel nicht der Fall.

Als Reaktion gründete sich nämlich parallel und in
Konkurrenz dazu ein religiöser Zionismus.
Eine dritte Strömung war ein sozialistischer Zionismus,
der den neu entstehenden Staat als Biotop für
"progressive" Ideen sah.
Eine vierte war die revisionistische Strömung eines
Jabotinski, der in der Tat nationalistische Töne
anschlug.
Aber ich lege Wert darauf, dass man diese Strömungen
sauber auseinanderhält.
Dann kommt man nämlich auch nicht auf die verwegene
Idee, die Wörter "national" und "sozialistisch" im
Bezug auf Zionismus in die von Ihnen angedeutete 
Beziehung zu setzen.

Es gibt genauso wenig "den Zionismus", wie
es "die Juden" gibt.

Ich unterstelle Ihnen, dass Sie dies aus Unwissenheit
und nicht in verleumderischer Absicht so dargestellt
haben. Nächstes Mal wissen Sie es dann besser.

> Um Mißverständnissen vorzubeugen, habe ich meinen Ausdruck verbiegen
> müssen, nur damit die Worte "National" und "Sozialistisch" möglichst
> weit voneinander getrennt sind.

> Zur Erklärung:
> Nationalismus: Überbetonung der eigenen Nation und Negation der
> Rechte anderer. Von Anfang an hat Herzl die Heimstatt auf fremdem
> Boden errichten wollen. Die Existenz der Ureinwohner wurde nie
> erwähnt, d.h. im Grunde negiert. Die Folge dieses Ansatzes kann nur
> Vertreibung bedeuten.

> imperialer Kolonialismus bzw, Rassismus: siehe Nationalismus. 

Diese drei Begriffe so zu vermengen ist unabhängig vom hier
diskutierten Kontext illegitim.
Imperialismus richtet sich nach aussen und hat etwas mit
politischen und ökonomischen Interessen zu tun.
Rassismus ist eine Ideologie, die die vermeintliche
Überlegenheit der eigenen ethnischen Gruppe bzw
die Unterlegenheit einer oder mehrerer anderer
ethnischer Gruppen propagiert.
Am Beispiel Deutschland kann man studieren, dass
der Rassismus sicher nicht den ökonomischen Interessen
Deutschlands genutzt hat.

Und Herzl Rassismus zu unterstellen, ist wirklich ziemlich
albern. Das gilt nicht unbedingt für Jabotinski.

> Damals war es normal, "unterentwickelte" Rassen bzw. 
> ihren Boden zu kolonisieren. 

Ist da nicht ein Widerspruch zu Ihrer Behauptung,
man habe die Existenz einer "Urbevölkerung" geleugnet?
Wie kolonisiert man jemand, dessen Existenz man leugnet?

> Herzl wollte einen europäischen Brückenkopf im Fleisch
> der asiatischen Barbarei errichten. (O.-Ton Herzl)

Das hat er wohl eher als Wiener Kaffeehausliterat,
weniger als Jude gesagt. Wenn er es überhaupt so gesagt hat.
Quelle?

> Daher auch die heutige Verbundenheit des Westens zu 
> Israel gegen die islamischen Barbaren. 

Seit wann ist "der Westen" mit Israel verbunden?
Die USA sind es zum Teil, der Grund steht in 
http://www.zeit.de/2002/18/Politik/200218_lobby.html
Beispielsweise von Frankreich kann man das sicher
nicht behaupten.

Die existierende Verbundenheit hat wohl auch was
damit zu tun, dass die israelische Kultur
(bedingt durch die Herkunft der Bevölkerung)
stark europäisch geprägt ist (Musik, Literatur, ...), 
in letzter Zeit auch zunehmend amerikanisch.
(Konsum, Kino, MacDonalds, ...)

> Die rassistische Komponente war bis vor 10 Jahren ja auch an den
> herzlichen Beziehungen zum Apartheidstaat zu erkennen.

Das gehört sicher nicht in den Bereich "Herziche Verbundenheit",
sondern eher in die Kategorie "Realpolitik".
Ist sicher kein ruhmreiches Kapitel.
Der Westen hatte ja auch Beziehungen zu Irak und Libyen.
Daran will sich nur plötzlich keiner mehr erinnern.

> Judenverfolgung: Herzl war säkular und dachte integriert zu sein.
> Unter dem Eindruck der Dreyfuss-Affäre mußte er leider umdenken.

Stimmt.

> sozialistische Ideen: gemeinsame Heimstatt, Kibuzzim usw. 
> allerdings ein nationaler Sozialismus.

> (Meine das so, wie's da steht. Ist kein
> Hinweis auf eine zufällig genauso genannte Partei.) Da ja die
> Existenz der anderen negiert wurde und das Ziel ein exklusiver
> Judenstaat war, bleibt kein anderer Schluß.

Welcher Schluss? Dass es Ziel des Zionismus gewesen sei,
die dort vorhandene Urbevölkerung (zu der übrigens
auch Juden gehörten) zu unterdrücken?
Die Juden aus der sozialistischen Bewegung standen wohl
eher dem Internationalismus nahe.
Sie fabrizieren da ein fragwürdiges Durcheinander.

Mal abgesehen davon: Bis 1933, als der Zuwanderungsdruck
vor allem aus Deutschland die Einwanderung vervielfachte,
gab es auch friedliche Koexistenz.

> Der Begriff Heimstatt hat aber schon gewisse Ähnlichkeiten 
> zur Idee der Volksgemeinschaft.

Schauen Sie doch mal bitte in einem Wörterbuch
nach, was da bei "Heimstatt" steht. Sie werden Ihren
Irrtum sicher rasch eingestehen.

> religiöse Aspekte: dieser Teil tat not, um die einfachen
> strenggläubigen Juden zu rekrutieren. 

Der politische Zionismus wollte diese gar nicht rekrutieren,
die konnten Herzl eher gestohlen bleiben.
Die religiösen Juden haben von sich aus eine eigene Bewegung
gegründet, um ein Gegengewicht zu schaffen.

> Außerdem war zum damaligen Zeitpunkt die Religion 
> neben der Verfolgung natürlich der einzige einigende 
> Aspekt des jüdischen Volkstums. 
> Ein jüdisches Volk gab es eigentlich nicht.

Was ist mit der jüdischen Kultur und Tradition?
Aber es stimmt sicher, dass die Entfremdung zwischen assimilierten
Juden in Westeuropa und traditionellen Juden in Osteuropa
schon ziemlich gross war.
Und zum Volk im ethnischen Sinne siehe unten.

> Der faschistische Blut- und Rassenunsinn hat keinerlei Grundlage.

Der Haupt-"unsinn" liegt ja nicht darin festzustellen,
dass es Leute gibt, die anders als die Mehrheit sind, 
sondern darin, aus deren Anderssein die Berechtigung 
abzuleiten, sie zu benachteiligen, zu entrechten und 
schliesslich zu ermorden.

> Man hat z.B. festgestellt, daß die Juden jeweils die gleiche
> statistische Blutgruppenverteilung hatten, wie das jeweilige Volk,
> "unter" bzw. mit dem sie lebten. D.h. polnische Juden sind eher mit
> Polnischen Katholiken verwandt als z.B. mit spanischen Juden.

Das Argument ist leider nicht tragfähig.
Aus der Blutgruppenverteilung Aussagen über Verwandschaftsgrade
ableiten zu wollen, erscheint mir recht verwegen.
Allerdings bin ich kein Biologe oder Mediziner.

Nach meinem Kenntnisstand haben Untersuchungen auf
gentechnischer Basis im Gegenteil festgestellt, dass Juden
eine signifikant stärkere Verwandtschaft untereinander
haben als zur nichtjüdischen Bevölkerung des ihres
Landes. Das ist auch nicht weiter erstaunlich, denn
man hat über 3000 Jahre streng darauf geachtet, nur
untereinander zu heiraten, um das Judentum als
Religion überleben zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Molodyez

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