> Der heutige Staat Israel ist sicher ein Kompromiss.
> Z.B. ist die fehlende Verfassung meines Wissens ein
> zugeständniss an die Orthodoxen.
> (Bitte berichtigen Sie mich hier, da mich dieser Punkt privat
> interessiert!)
Zugeständnis ist vielleicht nicht ganz der
richtige Begriff, aber es stimmt, dass es in Israel
keine geschriebene Verfassung gibt, weil man kaum
eine möglichkeit sieht, die Vorstellungen von
westlich orientierten und religiösen unter einen
Hut zu bringen.
Die einen würden sich nicht mit einer sekularen
Verfassung abfinden, die anderen nicht mit einer
religiösen. Es ist unklar, wie in Kompromiss
aussehen könnte. Also läßt man es offen und
wurschtelt sich so durch.
> Dem mag ich ich keinesfalls widersprechen. Aber der real existierende
> Staat Israel ist ja in gewisser Weise das Ergebniss eines "melting
> pots" all dieser Strömungen, mithin ist von allem ein wenig
> enthalten.
Israel ist ein pluralistisches Land, deshalb ist selbstverständlich,
dass es dort von allem etwas gibt.
Die Ausgangsfrage war aber nicht, was es in Israel heute gibt,
sondern die Behauptung im Forum, der Zionismus sei im Geiste
verwandt mit der Blut- und Boden-Ideologie des Nationalsozialismus.
Das wies und weise ich in scharfer Form zurück.
> Er ist nationalistisch, sicher auch in Folge der
> ständigen Bedrohung bzw. des permanenten Krieges,
> die eine Bunkermentalität unterstützen
Sicher gibt es eine Bunkermentalität.
Die läßt sich auch ohne arabische Bedrohung aus der
jüdischen Geschichte erklären.
> und er ist sozial.
Sozial ist er, aber nicht sozialistisch, das ist was anderes.
> (Witzigerweise kenne ich viele Details der israelischen
> Zivilgesellschaft aus den von mir verschlungen Büchern von Ephraim
> Kishon.)
Seit Beginn der Selbstmordanschläge mitte der Neunziger
hat sich wohl einiges an der Stimmung im Land verändert.
> Der Begriff "Nationalsozialistisch" ist durch eine spezielle Bewegung
> in Deutschland okkupiert, wenn man aber die Worte auseinander nimmt,
> ist es doch eigentlich nichts schlechtes.
Aber durch die Geschichte ist das Unterstellen einer
nationalsozialisitischen Gesinnung ein sehr
schwerwiegender Vorwurf.
> Nebenbei: Der deutsche Nationalsozialismus war meiner Meinung nach
> weder National und noch viel weniger sozialistisch.
Sicher war der Nationalsozialismus ziemlich nationalistisch.
Der sozialisitische Teil der Bewegung wurde durch die Ermordung
Strassers durch Hitlers SS-Schergen 1934 begraben.
> Das verbindende Glied ist der von Ihnen unterschlagene Kolonialismus.
> I.Ü. meinte ich den Zeitgeist Herzl's(ausgehendes 19Jhd.) und nicht
> die Gegenwart.
Der Begriff Kolonialismus scheint mir auch ziemlich unangebracht.
Schliesslich vertraten die Auswandere keine Grossmacht
mit wirtschaftlichen Interessen, im Gegenteil.
Das ist eher vergleichbar mit der Auswanderung von Europäern,
die in der Neuen Welt ihr Glück suchten und sich dabei auch keine
Gedanken darüber machten, dass es dort auch eine andere
Bevölkerung gibt.
Im übrigen war eine zentrale Losung des Zionismus
"Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land."
Vielleicht etwas naiv, aber doch ein Hinweis darauf, dass
das Ziel hier nicht Unterdrückung oder sowas war.
> > Und Herzl Rassismus zu unterstellen, ist wirklich ziemlich
>
> > albern. Das gilt nicht unbedingt für Jabotinski.
>
> Die Selbstverständlichkeit, mit der dieses Volk, dessen Geschichte
> ganz und gar nicht kriegerisch oder aggressiv war, einfach fremdes
> Land nahm ist für mich verblüffend.
Naja, ganz so fremd war das Land ja nicht.
Schliesslich hat dort (mit unterbrechung) über 1200 Jahre ein
jüdischer Staat existiert.
Und wohl eher daher und nicht bloss aus dem
von anderen hier im Forum so bezeichneten "Märchen"-Buch
Bibel beruht der jüdische Anspruch auf dieses Land.
Mal abgesehen davon: die jüdischen Siedler haben den arabischen
Landbesitzern das Land *abgekauft*. An der Finanzierung
war massgeblich die bekannte Familie Rothschild beteiligt.
Zu tatsächlichen Eroberungen kam es erst 1948, als
die arabische Seite den UNO-Teilungsplan ablehnte und
den von ihnen begonnenen Krieg verloren.