Sehr geehrter Molodyez,
Molodyez schrieb am 26. April 2002 14:57
> Ich würde ungefähr zustimmen, aber nur ungefähr.
> Sie übersehen nämlich, daß die zionistische Bewegung aus
> zahlreichen Teilströmungen bestand (und besteht), die
> sich scharf bekämpfen.
> Der politische Zionismus Herzlscher Prägung hatte mit
> Religion überhaupt nichts am Hut, im Gegenteil.
> Sein Traum war ja gerade, das jüdische Volk aus seiner
> durch Diaspora und Religion geprägten historischen
> Sonderrolle zu befreien, es also zu einem "normalen" Volk
> zu machen, indem es auch ein geschlossenes Siedlungsterritorium
> bekommt. Sein Wunsch war strikte Trennung von Staat
> und Religion, im Grund einen Staat moderner westlicher
> Prägung. Diese Trennung ist im Staate Israel nicht der Fall.
Der heutige Staat Israel ist sicher ein Kompromiss. Z.B. ist die
fehlende Verfassung meines Wissens ein zugeständniss an die
Orthodoxen.
(Bitte berichtigen Sie mich hier, da mich dieser Punkt privat
interessiert!)
> Als Reaktion gründete sich nämlich parallel und in
> Konkurrenz dazu ein religiöser Zionismus.
> Eine dritte Strömung war ein sozialistischer Zionismus,
> der den neu entstehenden Staat als Biotop für
> "progressive" Ideen sah.
> Eine vierte war die revisionistische Strömung eines
> Jabotinski, der in der Tat nationalistische Töne
> anschlug.
> Aber ich lege Wert darauf, dass man diese Strömungen
> sauber auseinanderhält.
> Dann kommt man nämlich auch nicht auf die verwegene
> Idee, die Wörter "national" und "sozialistisch" im
> Bezug auf Zionismus in die von Ihnen angedeutete
> Beziehung zu setzen.
Dem mag ich ich keinesfalls widersprechen. Aber der real existierende
Staat Israel ist ja in gewisser Weise das Ergebniss eines "melting
pots" all dieser Strömungen, mithin ist von allem ein wenig
enthalten.
Er ist nationalistisch, sicher auch in Folge der ständigen Bedrohung
bzw. des permanenten Krieges, die eine Bunkermentalität unterstützen
und er ist sozial.
(Witzigerweise kenne ich viele Details der israelischen
Zivilgesellschaft aus den von mir verschlungen Büchern von Ephraim
Kishon.)
Der Begriff "Nationalsozialistisch" ist durch eine spezielle Bewegung
in Deutschland okkupiert, wenn man aber die Worte auseinander nimmt,
ist es doch eigentlich nichts schlechtes.
Nebenbei: Der deutsche Nationalsozialismus war meiner Meinung nach
weder National und noch viel weniger sozialistisch.
> Es gibt genauso wenig "den Zionismus", wie
> es "die Juden" gibt.
Logisch! Es gibt ja auch nicht "Die Deutschen", "Die Franzosen" usw.
Es soll aber angeblich "Die Sozialdemokratie", den "Faschismus" oder
den "Kommunismus" geben.
> Ich unterstelle Ihnen, dass Sie dies aus Unwissenheit
> und nicht in verleumderischer Absicht so dargestellt
> haben. Nächstes Mal wissen Sie es dann besser.
Für diese wohlwollende Unterstellung muß ich, meine anderen Posts
rekapitulierend, mich wahrscheinlich sogar bedanken.
Schön, daß meine teilweise überspitzte Rhetorik und Kritik am
Antiantisemitismus nicht als Antisemitismus mißverstanden wird.
> > imperialer Kolonialismus bzw, Rassismus: siehe Nationalismus.
> Diese drei Begriffe so zu vermengen ist unabhängig vom hier
> diskutierten Kontext illegitim.
> Imperialismus richtet sich nach aussen und hat etwas mit
> politischen und ökonomischen Interessen zu tun.
> Rassismus ist eine Ideologie, die die vermeintliche
> Überlegenheit der eigenen ethnischen Gruppe bzw
> die Unterlegenheit einer oder mehrerer anderer
> ethnischer Gruppen propagiert.
> Am Beispiel Deutschland kann man studieren, dass
> der Rassismus sicher nicht den ökonomischen Interessen
> Deutschlands genutzt hat.
Das verbindende Glied ist der von Ihnen unterschlagene Kolonialismus.
I.Ü. meinte ich den Zeitgeist Herzl's(ausgehendes 19Jhd.) und nicht
die Gegenwart.
> Und Herzl Rassismus zu unterstellen, ist wirklich ziemlich
> albern. Das gilt nicht unbedingt für Jabotinski.
Meine Detailkenntnisse der zionistischen Theorie bzw. der Geschichte
ihrer Entwicklung und insbesondere ihrer Strömungen lassen sich
offensichtlich nicht mit den Ihrigen messen. Jabotinski kenne ich
nicht. Ich versuchte auch nur mit meinem (natürlich) begrenzten
Wissen den Zionismus zu definieren und nicht Herzl's persönliche
Überzeugungen zu beschreiben.
Allerdings kenne ich die Geschichte und die reale Umsetzung der
Errichtung der Heimstatt.
Sicherlich waren die Auswanderer und später die Flüchtlinge keine
böswilligen Eroberer oder Rassisten, obwohl solche Leute
wahrscheinlich auch dabei waren. Sie waren sicherlich überwiegend
Menschen, die mit viel Pioniergeist und teilweise aus großer Not
heraus an einer fernen Küste, eine neue Zukunft finden und aufbauen
wollten. Natürlich suchten viele auch einfach nur ein Asyl.
Allerdings scheinen sie dabei, nicht sonderlich darüber nachgedacht
zu haben, daß dort ja schon Menschen lebten.
Die Selbstverständlichkeit, mit der dieses Volk, dessen Geschichte
ganz und gar nicht kriegerisch oder aggressiv war, einfach fremdes
Land nahm ist für mich verblüffend.
> > Damals war es normal, "unterentwickelte" Rassen bzw.
> > ihren Boden zu kolonisieren.
> Ist da nicht ein Widerspruch zu Ihrer Behauptung,
> man habe die Existenz einer "Urbevölkerung" geleugnet?
> Wie kolonisiert man jemand, dessen Existenz man leugnet?
Die Frage muß ich nicht beantworten, da zwischen Rasse und Boden
"bzw." und nicht "und" stand. "bzw." war als logische
Oder-Verknüpfung gemeint.
Rasse ohne Boden geht kaum, Boden ohne Rasse schon. Immerhin sind ja
auch einige wenige wirklich unbesiedelte Gebiete kolonisiert worden,
allerdings nicht von den Juden. I.Ü. wollte ich mit dem Wort "Rasse"
nur den damaligen Zeitgeist illustrieren und mithin den Bezug zu
"Rassismus" finden.
> Das hat er wohl eher als Wiener Kaffeehausliterat,
> weniger als Jude gesagt. Wenn er es überhaupt so gesagt hat.
> Quelle?
Im Original heißt es wohl Bastion und nicht Brückenkopf. Das Zitat
habe ich vor 3 Wochen in der Jungen Welt gelesen, hab das Papier
allerdings inzwischen in die Blaue Tonne gelegt, kann also die
dortige Quellenangabe nicht wiedergeben. Im Online-Archiv erschien
der Titel auch nicht, da er wohl eine auszugsweise Wiedergabe einer
anderen Publikation war. Google gibt allerdings Treffer auf dieses
Zitat.
Mit einer sauberen Quellenangabe kann ich also leider nicht dienen.
Wenn es eine ungerechte Unterstellung sein sollte, stammt sie
zumindest nicht von mir persönlich.
Allerdings entspricht sie ja dem damaligen europäischen Zeitgeist.
Teil 2 folgt
Molodyez schrieb am 26. April 2002 14:57
> Ich würde ungefähr zustimmen, aber nur ungefähr.
> Sie übersehen nämlich, daß die zionistische Bewegung aus
> zahlreichen Teilströmungen bestand (und besteht), die
> sich scharf bekämpfen.
> Der politische Zionismus Herzlscher Prägung hatte mit
> Religion überhaupt nichts am Hut, im Gegenteil.
> Sein Traum war ja gerade, das jüdische Volk aus seiner
> durch Diaspora und Religion geprägten historischen
> Sonderrolle zu befreien, es also zu einem "normalen" Volk
> zu machen, indem es auch ein geschlossenes Siedlungsterritorium
> bekommt. Sein Wunsch war strikte Trennung von Staat
> und Religion, im Grund einen Staat moderner westlicher
> Prägung. Diese Trennung ist im Staate Israel nicht der Fall.
Der heutige Staat Israel ist sicher ein Kompromiss. Z.B. ist die
fehlende Verfassung meines Wissens ein zugeständniss an die
Orthodoxen.
(Bitte berichtigen Sie mich hier, da mich dieser Punkt privat
interessiert!)
> Als Reaktion gründete sich nämlich parallel und in
> Konkurrenz dazu ein religiöser Zionismus.
> Eine dritte Strömung war ein sozialistischer Zionismus,
> der den neu entstehenden Staat als Biotop für
> "progressive" Ideen sah.
> Eine vierte war die revisionistische Strömung eines
> Jabotinski, der in der Tat nationalistische Töne
> anschlug.
> Aber ich lege Wert darauf, dass man diese Strömungen
> sauber auseinanderhält.
> Dann kommt man nämlich auch nicht auf die verwegene
> Idee, die Wörter "national" und "sozialistisch" im
> Bezug auf Zionismus in die von Ihnen angedeutete
> Beziehung zu setzen.
Dem mag ich ich keinesfalls widersprechen. Aber der real existierende
Staat Israel ist ja in gewisser Weise das Ergebniss eines "melting
pots" all dieser Strömungen, mithin ist von allem ein wenig
enthalten.
Er ist nationalistisch, sicher auch in Folge der ständigen Bedrohung
bzw. des permanenten Krieges, die eine Bunkermentalität unterstützen
und er ist sozial.
(Witzigerweise kenne ich viele Details der israelischen
Zivilgesellschaft aus den von mir verschlungen Büchern von Ephraim
Kishon.)
Der Begriff "Nationalsozialistisch" ist durch eine spezielle Bewegung
in Deutschland okkupiert, wenn man aber die Worte auseinander nimmt,
ist es doch eigentlich nichts schlechtes.
Nebenbei: Der deutsche Nationalsozialismus war meiner Meinung nach
weder National und noch viel weniger sozialistisch.
> Es gibt genauso wenig "den Zionismus", wie
> es "die Juden" gibt.
Logisch! Es gibt ja auch nicht "Die Deutschen", "Die Franzosen" usw.
Es soll aber angeblich "Die Sozialdemokratie", den "Faschismus" oder
den "Kommunismus" geben.
> Ich unterstelle Ihnen, dass Sie dies aus Unwissenheit
> und nicht in verleumderischer Absicht so dargestellt
> haben. Nächstes Mal wissen Sie es dann besser.
Für diese wohlwollende Unterstellung muß ich, meine anderen Posts
rekapitulierend, mich wahrscheinlich sogar bedanken.
Schön, daß meine teilweise überspitzte Rhetorik und Kritik am
Antiantisemitismus nicht als Antisemitismus mißverstanden wird.
> > imperialer Kolonialismus bzw, Rassismus: siehe Nationalismus.
> Diese drei Begriffe so zu vermengen ist unabhängig vom hier
> diskutierten Kontext illegitim.
> Imperialismus richtet sich nach aussen und hat etwas mit
> politischen und ökonomischen Interessen zu tun.
> Rassismus ist eine Ideologie, die die vermeintliche
> Überlegenheit der eigenen ethnischen Gruppe bzw
> die Unterlegenheit einer oder mehrerer anderer
> ethnischer Gruppen propagiert.
> Am Beispiel Deutschland kann man studieren, dass
> der Rassismus sicher nicht den ökonomischen Interessen
> Deutschlands genutzt hat.
Das verbindende Glied ist der von Ihnen unterschlagene Kolonialismus.
I.Ü. meinte ich den Zeitgeist Herzl's(ausgehendes 19Jhd.) und nicht
die Gegenwart.
> Und Herzl Rassismus zu unterstellen, ist wirklich ziemlich
> albern. Das gilt nicht unbedingt für Jabotinski.
Meine Detailkenntnisse der zionistischen Theorie bzw. der Geschichte
ihrer Entwicklung und insbesondere ihrer Strömungen lassen sich
offensichtlich nicht mit den Ihrigen messen. Jabotinski kenne ich
nicht. Ich versuchte auch nur mit meinem (natürlich) begrenzten
Wissen den Zionismus zu definieren und nicht Herzl's persönliche
Überzeugungen zu beschreiben.
Allerdings kenne ich die Geschichte und die reale Umsetzung der
Errichtung der Heimstatt.
Sicherlich waren die Auswanderer und später die Flüchtlinge keine
böswilligen Eroberer oder Rassisten, obwohl solche Leute
wahrscheinlich auch dabei waren. Sie waren sicherlich überwiegend
Menschen, die mit viel Pioniergeist und teilweise aus großer Not
heraus an einer fernen Küste, eine neue Zukunft finden und aufbauen
wollten. Natürlich suchten viele auch einfach nur ein Asyl.
Allerdings scheinen sie dabei, nicht sonderlich darüber nachgedacht
zu haben, daß dort ja schon Menschen lebten.
Die Selbstverständlichkeit, mit der dieses Volk, dessen Geschichte
ganz und gar nicht kriegerisch oder aggressiv war, einfach fremdes
Land nahm ist für mich verblüffend.
> > Damals war es normal, "unterentwickelte" Rassen bzw.
> > ihren Boden zu kolonisieren.
> Ist da nicht ein Widerspruch zu Ihrer Behauptung,
> man habe die Existenz einer "Urbevölkerung" geleugnet?
> Wie kolonisiert man jemand, dessen Existenz man leugnet?
Die Frage muß ich nicht beantworten, da zwischen Rasse und Boden
"bzw." und nicht "und" stand. "bzw." war als logische
Oder-Verknüpfung gemeint.
Rasse ohne Boden geht kaum, Boden ohne Rasse schon. Immerhin sind ja
auch einige wenige wirklich unbesiedelte Gebiete kolonisiert worden,
allerdings nicht von den Juden. I.Ü. wollte ich mit dem Wort "Rasse"
nur den damaligen Zeitgeist illustrieren und mithin den Bezug zu
"Rassismus" finden.
> Das hat er wohl eher als Wiener Kaffeehausliterat,
> weniger als Jude gesagt. Wenn er es überhaupt so gesagt hat.
> Quelle?
Im Original heißt es wohl Bastion und nicht Brückenkopf. Das Zitat
habe ich vor 3 Wochen in der Jungen Welt gelesen, hab das Papier
allerdings inzwischen in die Blaue Tonne gelegt, kann also die
dortige Quellenangabe nicht wiedergeben. Im Online-Archiv erschien
der Titel auch nicht, da er wohl eine auszugsweise Wiedergabe einer
anderen Publikation war. Google gibt allerdings Treffer auf dieses
Zitat.
Mit einer sauberen Quellenangabe kann ich also leider nicht dienen.
Wenn es eine ungerechte Unterstellung sein sollte, stammt sie
zumindest nicht von mir persönlich.
Allerdings entspricht sie ja dem damaligen europäischen Zeitgeist.
Teil 2 folgt