Dem Autor fällt ein eigenartiges Phänomen auf, daß selbst eingefleischte Kapitaldiener wie die „Financial Times“ oder chinesische Profiteure, die etwas tiefgehender denken als üblich, die Konsequenzen aus der Entwicklung der Produktivkräfte zur manueller Arbeit befreiten Güterproduktion nicht übersehen können. Kurioser weise gehen sie dabei um einiges weiter, als so manche sich marxistisch nennenden Theoretiker es wagen. So einmalig ist diese Betrachtungsweise nebenbei bemerkt jedoch nicht, hat doch die FT bereits in den 80-er Jahren den Financial Report von Günther Reimann übernommen, einem ausgewiesenen marxistischen Politiker und Analytiker, der mit diesem Report die fachlich exklusive Anerkennung maßgeblicher Finanzkreise der Welt erwarb und damit die Gültigkeit der Marxschen Analysetheorie bewies, während Reimann eine tiefe Feindschaft aus dem „realsozialistischen“ Lager erfuhr.
Konicz nimmt die FT-Darlegungen zum Anlaß, auf das Illussionäre in diesen Gedanken hinzuweisen, da diese auf marktideologischen Fundamenten aufbauen und die Lösung der sich aufbauenden Widersprüche zwischen Kapitalverwertung und Negation der menschlichen Handarbeit, die das Ende der Fahnenstange andeuten und letzteres ihm richtigermaßen einzige Quelle der Wertschaffung ist, mittels Reformen der Warenwirtschaft vorschweben.
Hier setzt jedoch Kritik auf Marx beruhend an. Es ist nicht die menschlichen Handarbeit, die allein Wert schafft, sondern die lebendige Arbeit. Die ist nicht abhängig von der unmittelbaren Rolle der menschlichen Hand bei der Güterproduktion, es kann auch der Kopf lebendige Arbeit vollziehen. Wie es aussieht, würde bei Einbeziehung der lebendigen Kopfarbeit in die Kalkulation das Verhältnis zwischen lebendiger Arbeit und vergegenständlichter ein ganz anderes Bild entstehen. Dann wäre die Quelle der Ausbeutung beträchtlich erweitert. Nur, weil die alten Methoden zur Erfassung der lebendiger Arbeit weiter gepflegt werden, kann die übliche mechanistische Erfassung noch dominieren, die Realität wird aber so nicht widergespiegelt. Hier ergibt sich ein Ansatzpunkt zur Diskussion.
Ein weiterer Punkt bedarf der Nachfrage, des Autors Auffassung zum Wert. „Bei Überproduktionskrisen werden entsprechende Berge an unverkäuflichen Waren akkumuliert, die dann irgendwie entsorgt werden müssen, weil der in ihnen enthaltene Wert nicht mehr auf den Markt realisiert werden kann.“ Diese Sicht behandelt den Wert wie das Ergebnis einer dritten Art von Arbeit neben der lebendigen und vergegenständlichten, die wertschaffende Arbeit, die ein Quantum von Arbeit in die Ware bringt und dort bis zu ihrer Realisierung ruht. Dem gemäß ist der Wert auch quantifizierbar. Das jedoch ist nicht mit Marx vereinbar, was auch mit „Das Kapital 1.5 Die Wertform“ inzwischen deutlich geworden sein müßte. Der Wert ist ein rein immaterielle Sache, ein Produktionsverhältnis, also keine direkt meßbare Größe. Hier begibt sich der Autors auf das Niveau alter marxistischer Schule, auch die Erkenntnisse eines Eric Hobsbawms, Marxens ökonomisch-philosophisches Grundkonzept aus Band 1 Kap. 1, den Grundrissen und der Kritik der Politischen Ökonomie erstmal richtig aus zugraben und dann durchdacht und immer impliziert in alle anderen Überlegungen einzubringen, wird ignoriert. Darüber gilt es zu diskutieren.
Durchaus zustimmen kann man dem Autor, wenn er den altbackenen Vorstellungen über einen zentral geschaffenen und geleiteten Kommunismus, wie sie in den kritisierten Artikeln und Aussagen zu finden sind, eine Abfuhr erteilt. Interessant ist dabei sein Verweis auf die eine dezentrale Organisation verlangenden objektiven Forderungen der automatisierten Produktion. Ebenso seine Einschätzung, daß die technologischen Voraussetzungen zu einer anderen Produktionsweise gegeben wären. Seine Argumentation, daß die kritisch betrachteten Vorschläge eigentlich alles beim alten belassen, weil sie auf Fortbestand der Warenwirtschaft einschließlich von Märkten ausgehen und damit die autonome stete Reproduktion des Kapitalismus in sich bergen, ist zu folgen. Allerdings scheut er vor dem letzten logischen Schritt, die Aufhebung des Kapitalismus über die Aufhebung von Ware und Wert und damit auch des Kapitals sowie des Marktes zu folgern. Die wichtigsten Produktionsverhältnisse, und diese sollen ja revolutioniert werden, sind Ware und Wert. Darauf basiert das Kapitalsystem mittels Geld. Eine Abschaffung des Kapitalismus ist wohl nur über die Abschaffung von Ware und Wert möglich. Aber dazu und wo ein Ansatzpunkt wäre hat der Autor schon erste Gedanken. Die gilt es auszubauen.
Alles in allem jedoch kann man dem Autor den Nachweis bescheinigen, daß auch journalistisch ein hohes Niveau theoretischen Gerüstes möglich und notwendig ist.
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