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  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

Paraphrase

Herzlichen Dank für die vielen Argumentationshilfen, die dieser Artikel liefert.

Zum einen natürlich die Angst vor der Niederlage. Zum anderen aber paradoxerweise auch die Angst vor dem Sieg.

Persönlich kenne ich das aus dem Schachspiel. Mein Spielniveau ist bescheiden, reicht aber doch, um gegen andere dann und wann-Spieler intakte Chancen zu haben. Obwohl ich mir eine gute Ausgangslage verschafft hatte, verlor ich in jüngeren Jahren dennoch regelmässig. Genau in diesen Situationen unterlief mir ein dummer Fehler, der mich auf die Verliererstrasse brachte. Erst als es mir gelang, den Gegner gleichsam zu vergessen und ich mich ausschliesslich auf das Spiel konzentrierte, änderte sich das. Leicht paradoxerweise eine Illustration dieser Artikelpassage:

Alfie Kohn fragt daher ganz zu Recht: "Wie können wir unsere beste Leistung erzielen, wenn wir unsere Energie damit vergeuden, andere zu besiegen?" Konkurrenz und Drucksituationen verhindern also gerade ein Ausschöpfen des eigenen Potenzials.

Wie die Kooperation ist das agonistische Moment im Menschen angelegt, ist aber sekundär. Es macht Spass, sich im spielerischen Rahmen gelegentlich zu messen. Wobei man sich im Grunde in erster Linie an sich selber misst. Die Betonung liegt auf den spielerischen Rahmen, also nicht der 'Ernstfall', und auch auf das gelegentliche, also nicht ununterbrochen. Die neoliberale homo oeconomicus-Theorie unterstellt das Gegenteil. Ständiger Wettbewerb, Konkurrenz aller gegen alle - fight or parish. Damit befördert man unerwünschte, asoziale Verhaltensweisen. Wenn Siegen lebenswichtig ist, werde ich alles, wirklich alles dafür tun. Mich an keine Regel mehr halten, jeden noch so fiesen Trick anwenden, korrumpieren, lügen, betrügen. (Mit einem Wort, mich verhalten wie Tronald.) Wie im Artikel aufgezeigt - die Gesamtleistung, z. B. eine Volkswirtschaft, ist mir egal, Hauptsache ich bin oben. Deshalb auch sind Anti-Korruptionsmassnahmen so wirkungslos. Wenn die Motivation dafür statt geschwächt zu werden, nur immer weiter verstärkt wird, werde ich einen Korrupten entlarven, während gleichzeitig drei neu korrupt werden.

Dennoch war die Ideologie des Marktes, Wettbewerbes noch nie so mächtig wie heute. In unzähligen Medienberichten wird mehr davon gefordert, unzählige Politiker versuchen auf immer neuen Gebieten Wettbewerb zu erzeugen. Tückisch ist, dass solche Massnahmen anfangs oft eine Wirkung im erwünschten Sinn zeigen. Erst nach einer gewissen Zeit häufen sich die negativen Effekte, denen man dann sozialtechnologisch beizukommen versucht. Schlimm ist auch, dass sich das Wettbewerbsdenken im Einzelnen wie eine Sucht auswirkt, von der man nur schwer wieder loskommt. Und dass dieses Denken praktisch das gesamte politische Spektrum infisziert hat. Eine Impfung dagegen gibt es noch nicht, ja es ist fraglich ob überhaupt ernsthaft daran gearbeitet wird.

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