Hinsichtlich der deutschen Debatte sollte man die Entstehungsgeschichte des Begriffes „Singularität“ bedenken. Er wurde geprägt /verwendet als Antwort auf eine durch den Historiker Ernst Nolte und seine Epigonen ausgelöste Verharmlosung des Holocaust. Hier hatte der Begriff seine volle, zugleich konkrete und politische Berechtigung! Allerdings: Begriffe, die im Verlauf wissenschaftlicher, insbesondere aber politischer Auseinandersetzungen, entstehen, bzw. mit einer spezifischen Bedeutung versehen werden, sind oft nicht präzise und kaum übertragbar.
Zur spezifischen Kennzeichnung historischer Ereignisse eignet sich der Begriff „Singularität“ methodisch wenig, schon weil letztendlich alle historischen Ereignisse einmalig sind (Selbst in der Physik wiederholt sich kein „Ereignis“ 1 zu 1 – es sei denn (eventuell) in der Quantenwelt). Hier wird es dann sprachlogisch tautologisch und damit (unangemessen!) trivial. Es dürfte sinnvoller sein, die Besonderheiten des Holocausts im Vergleich zu anderen Verbrechen jeweils konkret und spezifisch zu benennen.
Für den sachlichen Diskurs schädlich ist schließlich die Ausbildung einer politisch-ideologischen „Ranking-Kultur“ für Verbrechen und Opfer. Man kann schließlich (insbesondere) den Opfern anderer Verbrechen nicht die Einnahme einer eigenen Perspektive absprechen. Wer sollte befugt sein, hierüber zu richten? Am Ende noch wir als Nachfahren der Holocaust-Täter? Letztendlich werden so Opfer gegeneinander ausgespielt.
Und ja: „Vergleiche“ müssen immer zulässig sein. Sie sind Grundlage aller kognitiven Prozesse zur Differenzierung. Auch Äpfel und Birnen kann man nur unterscheiden, indem man sie vergleicht. Ein Vergleich ist keine Gleichsetzung.
Eine Gleichsetzung von Vergleich und Gleichsetzung hingegen ist logisch absurd und intellektuell unredlich, aber im politischen und medialen Sprachgebrauch inzwischen leider üblich.
Sicher können auch Vergleiche unredlich und entwürdigend sein. Soweit dabei Straftatbestände erfüllt werden, haben die Regeln des Strafrechts zu gelten. Aber für die Debatte ist das Gegenargument das richtige Mittel, nicht jedoch das politisch-ideologisch Verbot, Singularitäten gedanklich zueinander in Bezug zu setzen.