Rezessionen entstehen durch Fehlallokation von Ressourcen, nicht durch Sparen.
.
Stellen wir uns eine Insel im Ozean mit 100 Einwohnern vor. Der Einfachheit halber seien Sushi-Rollen deren einziges Konsumgut. Jeden Tag rudern 25 Inselbewohner zum Fischen aufs Meer. Weitere 25 ernten wilden Reis. Weitere 25 verarbeiten den Fisch und den Reis (des Vortages) zu schmackhaften Sushi-Rollen. Die verbleibenden 25 schließlich sind tagtäglich für die Instandhaltung der Ruderboote und Fischernetze zuständig. Auf diese Art werden täglich 500 Sushi-Rollen produziert. Das sind 5 Sushi-Rollen am Tag für jeden Inselbewohner, tagein, tagaus. Dieses ökonomische Gleichgewicht kann ewig andauern.
Doch eines Tages strandet ein keynesianischer Ökonom auf der Insel. Dieser begutachtet die bescheidene Inselwirtschaft und gibt den Inselbewohnern Empfehlungen, wie sie ihren Lebensstandard erhöhen können. Er zeigt ihnen den intakten und noch vollgetankten Außenbordmotor seines Schiffswracks und sie sind fasziniert.
Der Ökonom kann die Inselbewohner zudem überzeugen, dass die Verwendung des Außenbordmotors eine Änderung der Arbeitskräfteverteilung nötig macht. 30 Inselbewohner fahren jetzt mit den Booten zum Fischen raus, von denen eines jetzt den Außenbordmotor hat. Die zahlreicheren Fischer arbeiten jetzt in Schichten mit den gleichen Booten und Netzen. Weitere 30 Inselbewohner ernten Reis. Weitere 30 verarbeiten den Fisch und den Reis zu Sushi-Rollen. Neuerdings durchstreifen 5 Inselbewohner die Insel auf der Suche nach synthetischen Herstellungsmöglichkeiten für Treibstoff und Schmieröl für den Außenbordmotor. Dann bleiben nur noch 5 Inselbewohner für die tägliche Instandhaltung der Ruderboote und Fischernetze übrig. Durch das Zauberwort Außenbordmotor ließen sich die Inselbewohner glauben machen, dass 5 dafür jetzt ausreichend wären.
Einige Monate lang halten die Inselbewohner den Ökonom für ein Genie. Jeden Tag werden 606 Sushi-Rollen produziert. Der Konsum eines jeden Inselbewohners erhöht sich von 5 auf 6 Sushi-Rollen einschließlich 6 Sushi-Rollen für den Ökonomen. Man erlebt einen Aufschwung (Boom). Die Inselbewohner glauben, die Produktionserhöhung sei ein Resultat des Außenbordmotors. In Wirklichkeit ist sie aber hauptsächlich ein Resultat einer Neuordnung des Anteils der verschiedenen, spezialisierten Tätigkeiten. Auch ohne Außenbordmotor wären die Sushi-Produktion und der Konsum um 20% gestiegen, unter der Voraussetzung, dass die Inselbewohner für jede der Arbeiten gleichermaßen qualifiziert wären und die Natur genug Fisch und Reis herzugeben hätte. Der Außenbordmotor hat genaugenommen nur den Fisch für die 6 Sushi-Rollen erwirtschaftet, die der Ökonom konsumiert. Es wurde der Konsum stimuliert und erhöht.
Doch mit der Zeit schädigt die Reduzierung der Instandhaltung der jetzt auch noch mehr genutzten Ruderboote und Fischernetze schließlich zwangsläufig die Produktion. Die Netze und Boote werden löchriger mit der Zeit. Also kehren die 30 Fischer nun jeden Tag nicht mehr mit soviel Fisch zurück. Jene 30, die Reis und Fisch zu Sushi verarbeiten, sind jetzt in der Klemme, denn jetzt gibt es ein Ungleichgewicht zwischen Reis und Fisch. Sie beginnen zu betrügen, indem sie kleinere Stückchen Fisch in jede Sushi-Rolle einfügen. Die Inselbewohner bekommen weiterhin 6 Sushi-Rollen pro Tag, aber nun ist jede Sushi-Rolle etwas kleiner, da sie weniger Fisch enthält. Darüber sind die Inselbewohner jetzt erbost.
Der keynesianische Ökonom schlägt jetzt vor, dass 2 der Reispflücker und 2 der Sushi-Rollen-Hersteller nun die Fischer unterstützen sollen. Die nun 34 Fischer sind in der Lage, täglich fast soviel Fisch zu fangen wie vorher, obwohl sie jetzt löchrige Boote und Netze benutzen, die sich aber nun noch schneller abnutzen. Der Ökonom hat gerade genug Arbeiter versetzt, sodass der von 34 Inselbewohnern gefangene Fisch ein Gleichgewicht bildet mit dem von 28 Inselbewohnern geernteten Reis. Mit diesem Fisch und Reis können die 28 Sushi-Rollen-Hersteller 556 Rollen pro Tag herstellen. So kann jeder ungefähr 5 ½ Rollen alter Größe pro Tag verbrauchen.
Die Inselbewohner sind jetzt etwas besorgt. Als sie den Rat des Ökonomen das erste Mal beherzigten, stieg ihr Konsum von 5 auf 6 Rollen pro Tag. Als die Sushi-Rollen-Qualität schlechter wurde, gelang es dem Ökonom, die schlimmsten Koordinationsprobleme zu beseitigen, aber der Konsum sank auf 5 ½ Rollen pro Tag. Der Ökonom erinnert daran, dass 5 ½ Rollen immer noch besser als 5 sind.
Irgendwann entscheiden die 5 Inselbewohner der Instandhaltung, der zwangsläufigen Flickschusterei bei der Instandhaltung der Boote und Netze ein Ende zu bereiten. Eine korrekte Instandhaltung aller Boote und Netze war nur mit 25 Personen möglich. Jetzt hingegen wollen sich die dafür verbliebenen 5 Inselbewohner auf 20% der Boote und Netze konzentrieren, die sie jetzt perfekt in Schuss halten. Somit ist es erst recht unmöglich, die bisherige tägliche Sushi-Rollen-Produktion aufrechtzuerhalten. Anstatt eines allmählichen Produktionsverfalls, der zum Produktionsstillstand geführt hätte, gibt es jetzt einen plötzlichen Produktionseinbruch bis zu einem Punkt, an dem die Produktion nicht weiter verfällt (Gesundschrumpfung). Der Aufschwung ist umgeschlagen in eine Krise (Bust).
Um zu ihrer ursprünglichen, tragfähigen Sushi-Rollen-Produktion von 5 Rollen pro Person und Tag zurückzukehren, müssen die Inselbewohner jetzt eine Periode der Entbehrung durchmachen, eine Depression, während der sich wieder mehr Inselbewohner, zeitweise sogar mehr als ursprünglich der Boot- und Fischernetzreparatur oder vielleicht gar -neuherstellung widmen müssen.
Die 5 Inselbewohner, die bisher nach synthetischen Herstellungsmöglichkeiten für Treibstoff und Schmieröl gesucht haben, müssen diese Arbeit aufgeben, weil sie für die primitive Investitionsgüterstruktur der Inselbewohner zu keinem Zeitpunkt angemessen war. Die Inselbewohner werden natürlich den Außenbordmotor nicht mehr benutzen, sobald der verbleibende Treibstoff ausgegangen ist.
Während einer Übergangszeit werden einige Inselbewohner arbeitslos sein. Grund: Die Fischer haben bereits genug Leute, um mit den noch nutzbaren Booten und Netzen zu fischen. Die Reispflücker und Sushi-Rollen-Hersteller haben eine entsprechende Anzahl von genügend Leuten, um den jetzt geringen Fischfang zu Sushi-Rollen zu verarbeiten. Zum Reparieren oder gar Neuherstellen von Booten und Netzen wurden bereits genug Inselbewohner abgestellt und es wäre nutzlos, noch mehr Inselbewohner einer Neuherstellung zuzuführen, denn so viele Leute würden schlussendlich mehr Boote und Netze herstellen als langfristig gebraucht werden und instandzuhalten sind. Natürlich könnten die Arbeitslosen versuchen, Fisch mit den bloßen Händen zu fangen. Doch das wird als Zeitverschwendung angesehen. Sie könnten stattdessen auch Reis ernten, den dann aber keiner essen will, da wir voraussetzen, dass die Inselbewohner auf ein ganz bestimmtes Fisch-Reis-Verhältnis in einer Sushi-Rolle bestehen. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage während der Übergangszeit wird entschieden, dass einige Inselbewohner arbeitslos bleiben, obwohl jeder Inselbewohner hungrig ist. Soweit ist es gekommen, weil man den Vorschlag des keynesianischen Ökonomen angenommen hatte.
Schlussfolgerung
Menschen benutzen Investitionsgüter (Arbeitsmittel), um ihre Produktivität bei der Umwandlung der Gaben der Natur in Konsumgüter zu erhöhen. Die Produktion hat eine zeitliche Dynamik. Boote und Netze verschleißen bei mangelnder Instandhaltung nicht sofort sondern erst mit der Zeit. Aufgrund dieser Dynamik ist es möglich, den Konsum aller Menschen zeitweilig zu erhöhen aber nur auf Kosten der Bewahrung und/oder Innovation von Investitionsgütern (Boote und Netze), die auf diese Art „konsumiert“ (verfrühstückt) werden. Zu einem bestimmten Zeitpunkt holt dann die Realität die Menschen ein und keine „Stimulierung“ kann mehr einen starken Konsumeinbruch verhindern.
Die zu ertragenden Entbehrungen haben verschiedene Ursachen. Durch den Verfall von Booten und Netzen ist die Produktion eingebrochen, sodass bereits aufgrund dieses Produktionseinbruchs weniger konsumiert werden kann. Die Arbeitslosen sollen miternährt werden, sodass deshalb nochmals der Pro-Kopf-Konsum eingeschränkt wird. Die Inselbewohner, die jetzt nicht in ihren bisherigen Tätigkeiten sondern zusätzlich in der Reparatur und Neuherstellung arbeiten, müssen ebenfalls miternährt werden, was zu einer weiteren Einschränkung des Pro-Kopf-Konsums führt. Diese Einschränkung zugunsten der Arbeitslosen und zusätzlichen Arbeiter in der Neuherstellung sind reale Ersparnisse, von denen nur jene einen Nutzen für die Zukunft bringen, die für die zusätzlichen Arbeiter investiert werden. Ohne diese Investitionen ist es unmöglich, aus der Krise herauszukommen. Die Einschränkungen zugunsten der Arbeitslosen sind keine Investition sondern Sozialausgaben und bringen für den zukünftigen Konsum keinen Nutzen.
Nicht Konsum-Stimulierung sondern das Gegenteil, reale Ersparnisse, also Konsumverzicht sind nötig, um eine Wirtschaft aus einer Krise herauszuholen und/oder weiterzuentwickeln.
Die Sushi-Geschichte demonstriert die wesentlichen Charakteristiken eines Konjunkturzyklus. Nach dem ersten Vorschlag des Ökonomen fühlten sich die Inselbewohner reicher. Sie vermuteten keine Wirtschaftsstruktur, die nicht aufrechtzuerhalten gewesen wäre. Und wenn sie es doch sahen, haben sie sich täuschen lassen durch die Behauptung, allein der Außenbordmotor würde einen wirtschaftlichen Aufschwung bringen. Das ist analog zur Argumentation der „New Economy“ während der Dot-Com-Blase oder analog zum Vertrauen in neue Finanzinstrumente während der Subprime-Immobilienblase. Jeder Aufschwung hat seine Ausreden, warum es „diesmal anders ist“.
In der Sushi-Wirtschaft war der anfängliche Aufschwung eine Illusion. Obwohl es Vorteile durch die neue Technologie gab, wurde der Hauptteil des Extrakonsums durch das Verfrühstücken von Kapital, von Investitionsgütern ermöglicht. Man ließ zu, dass Boote und Netze verfielen.
Auszug aus dem „Sushi-Artikel“
https://mises.org/library/importance-capital-theory
mit eigenen Anpassungen und Ergänzungen