Nun war es also soweit, trotz diverser vorweihnachtlicher Probleme war
der Heilige Abend vorbei und Sabrina, welche mich - obgleich ich es
nicht geschafft hatte, mit ihr rechtzeitig nach Amerika zu fliegen um
dort eine Münze für ihren Daddy zu ersteigern - sogar zu
einem winzigkleinen Essen am Heilig Abend eingeladen hatte,
überraschte mich erneut damit, dass sie mich auf ein paar
Häppchen auch zum 1. Feiertag einlud. Nun würden sich diese
paar winzigkleinen Häppchen sicherlich auf meiner
Kreditkartenrechnung niederschlagen, doch angesichts der Tatsache, dass
Sabrina mich in einem wahrhaft traumhaften Kleid aus tannengrünen
Samt erwartete und mir nicht nur ein gehauchtes "Darling"
sondern vielmehr auch noch einen Kuss auf die Wange dazu hauchte,
vergass ich derartige Kleinigkeiten recht schnell.
"Darling" Sabrina deutete mit einer weit ausschweigenden
Geste zu ihrem Tannenbaum (welchen ich erst vor zwei Tagen mit Plag und
Müh aufgestellt hatte) und lächelte mich strahlend an.
"Darling, Du hast mir ja so ganz ganz wunderbare Sachen
geschenkt."
Nun war ich auch monatelang schon auf der Suche gewesen, denn ein
passendes Geschenk für Sabrina war nicht leicht zu finden. Dennoch
schien ich mit den Smaragd-Ohrringen sowie dem passenden Kollier ihren
Geschmack getroffen zu haben. Ich atmete auf.
Sabrina füllte von jenem wunderbaren Glühwein in zwei
Gläser, welchen sie stets selber aus edlem Rotwein und dem Rezept
ihrer Großmutter kreierte. "Darling, ich muss ja noch einen
ganz ganz furchtbaren Anschlag auf Dich verüben."
Das klang Unheil verkündend, denn scheinbar hatte Weihnachten
Sabrinas Hang zur Dramatik nicht gedämpft.
Ich nahm ein Glas mit Glühwein und akzeptierte die ebenfalls
dargebotenen noch warmen Lachshäppchen.
"Darling, wo bekomme ich einen Pinguin?"
In letzter Sekunde gelang es mir, das Lachshäppchen aufzufangen,
bevor es - höchstwahrscheinlich dem Gesetz des Murphy folgend mit
der Lachs-Seite nach unten - auf Sabrinas wunderbar flauschigem Teppich
landete. Ein Pinguin?
Sabrinas Wünsche waren schon immer recht ausgevollen gewesen, doch
ein Haustier hatte sich dabei noch nie gefunden. Und warum
bitteschön einen Pinguin? Im Geiste rechnete ich bereits aus, wie
sich eine artgerechte Haltung auf meiner Rechnung bemerkbar machen
würde, als Sabrina meine aufkommende Panik glücklicherweise
wieder drosselte.
"Darling, natürlich keines dieser wunderbaren
entzückenden lebendigen Tux-Träger. Einen Tux selbst."
Hm, sicherheitshalber legte ich das restliche Lachshäppchen
beiseite und spähte vorsichtig in die Küche. Sollte es sein,
dass Sabrina bei der Zubereitung ihres legendären Glühweines
ein wenig zu oft abgeschmeckt hatte oder warum kam mir ihr Wunsch ein
wenig wirr vor. Ich rekapitulierte noch einmal - einen Pinguin wollte
sie also. Aber keinen lebendigen Tux-Träger (der deutsche Begriff
Frack war nach Sabrinas Meinung schlichtweg vulgär), sondern einen
Tux. Also einen Frack. Oder etwa...?
"Darling, dieses entzückende kleine plüschige Tierchen,
das zu diesem ganz ganz wunderbaren kleinen System passt."
Mir stockte einen Moment lang der Atem. Sabrina sprach wirklich von Tux
- wobei sie allen Ernstes jenen sonnig lächelnden
Plüschpinguin meinte, welcher mehr und mehr die Stuben und
Büros der Linux-User zierte. Sabrina und Linux?
Undenkbar! Sabrina, die zwar einen Hang dazu hatte, Informationen aus
diversen Newsticker und Foren wie ein Schwamm aufzusaugen (welche sie
auch oft genug in Probleme stürzten, welche ich lösen
musste), Sabrina, die Linux bisher schon allein wegen dieser ganz ganz
furchtbaren grauen Oberfläche ablehnte, welche sie
unästhetisch nannte. Sabrina, die die Erwähnung dieser
furchtbaren Zeile, in der man jenem wunderbaren, jedoch auch so
furchtbar kompliziertem Programm, sagte, was es denn freundlicherweise
tun solle, schon wegen des Namens "Kommando-Zeile" mit einem
Stirnrunzeln quittierte (Darling, könnte man sie nicht wenigstens
in Freundliche-Aufforderungs-Zeile umbenennen? Kommando klingt so
furchtbar furchtbar rüde)?
"Darling" Sabrina seufzte ein wenig und nahm sich selbst ein
Häppchen mit Krabben. Ich wartete bis sie sich den Mund abtupfte
und dann weiter erläuterte, wie es zu ihrer plötzlichen
Affinität zu jenem wunderbaren plüschigen kleinen Wesen
gekommen war.
"Weiß Du, es wird doch jetzt gerade über diesen ganz
ganz wunderbaren kleinen Schutz gegen diese bösen Kopien
gesprochen."
Richtig, der Kopierschutz, der ja zur Zeit wieder durchgehäkelt
wurde - diesmal im Zusammenhang mit einem bereits in die Festplatten
integriertem Kopierschutz.
Aber warum sollte dies Sabrina dazu bewegen, sich einen kleinen
Plüschpinguin anzuschaffen? Ich tappte weiterhin im Dunkeln.
"Darling, wenn nun aber dieser wunderbare kleine Entwurf
durchgesetzt wird, dann kann doch bald etwas gegen diese ganz
furchtbaren Kopien getan werden, nicht wahr?"
Nun, das war natürlich der Zweck der Übung - meiner Meinung
nach lediglich vorgeschoben, aber das tat nichts zur Sache.
"Aber wenn dann diese furchtbaren Kopien nicht mehr gemacht werden
können, dann kann ich doch auch andere Dinge, die ich in diesem
wunderbaren kleinen High-Tech-Gerät gespeichert sind, auch nicht
mehr kopieren, oder?"
Ich nickte vorsichtig und nahm das Lachshäppchen wieder auf,
während ich fasziniert auf Sabrinas volle roten Lippen starrte
während sie weitersprach.
"Ach, Darling, dann muss ich jetzt ganz ganz furchtbar schnell
dieses wunderbare kleine Linux-Programm lernen. Denn sonst komme ich in
ganz ganz furchtbar große Schwierigkeiten. Und wenn ich schon
dieses wunderbare kleine Programm mit dieser furchtbaren unfreundlichen
Zeile lernen soll, dann möchte ich auch diesen entzückenden
kleinen plüschigen Pinguin neben mir haben, Darling."
Nun, das leuchtete ein - wenn Sabrina etwas tat, dann tat sie es stets
standesgemäß. Dennoch fragte ich mich, was Sabrina
befürchtete, sie hatte nie den Drang verspürt, CDs zu
kopieren oder zu brennen, geschützte Programme zu
entschlüsseln oder ähnliches. Ihr als typischem
entzücktem "Ich-bin-drin-User" musste es doch eigentlich
egal sein, was an Kopierschutz durchgesetzt wurde. Zumindest konnte ich
mich nicht erinnern, jemals irgendwelche speichernswerte Daten bei ihr
gefunden zu haben.
"Darling" Sabrina füllte Rotwein nach und ich bemerkte
mit dem Auge eines Luchses (und zugegebenermaßen den Gedanken
eines Chauvis), dass sie unter dem Samtkleid, welches
großzügig ihren Busen betonte, keinen BH Trug.
"Darling, wenn ich jetzt aber keine dieser ganz ganz furchtbar
vielen Informationen auf meinen kleinen High-Tech-Gerät mehr auf
einer anderen Festplatte speichern kann und wenn mir dann vielleicht
ein ganz ganz furchtbares Missgeschick passiert und diese kleine
wunderbare Festplatte plötzlich einen ganz furchtbaren Fehler hat
- was soll ich dann tun? Denn dann komme ich doch überhaupt nicht
mehr an diese ganz ganz furchtbar wichtigen Informationen heran bevor
nicht die neue Festplatte sozusagen genehmigt wurde, oder?" Nun,
so ähnlich stellte sich die Situation dar, da hatte sie Recht. Im
Falle einer Festplattenschadens würde man etwas in Bedroille
kommen. Doch es blieb die Frage: Was würde dies für Sabrina
für ganz ganz furchtbare Schwierigkeiten mit sich bringen?
"Aber, Darling, wenn mir dann vielleicht zu Weihnachten einmal
diese wunderbare kleine Festplatte nicht mehr weiterhilft..."
Sabrina sah ein wenig verlegen aus.
"Darling, ich habe doch immer in dieses wunderbare kleine
Gerät eingegeben, was mir mein Cousin zu Weihnachten
schenkt." Ich schauderte kurz bei dem Gedanken an Sabrinas Cousin,
welcher - genau wie Sabrina - stets sämtliche Sätze mit
"Darling" begann, was in Anbetracht der Tatsache, dass er
ansonsten den Anschein eines Latin Lover machte, mir immer ein etwas
ungutes Gefühl in der Magengrube bescherte.
"Darling, er schickt mir doch oft diese ganz ganz furchtbaren
Kleinigkeiten, die er so liebt. Und ich kann ich doch nicht sagen, dass
ich sie nicht so sehr liebe - er wäre ganz ganz furchtbar
gekränkt." Sie seufzte erneut. "Ja, und deshalb gebe ich
das einfach immer in dieses wunderbare kleine Gerät ein und wenn
Raffael anruft, so bedanke ich mich immer ganz ganz furchtbar lieb
für sein wunderbares Geschenk." Sie sah mich - noch immer
verlegen - an. "Ich weiss, Darling, ich bin eine ganz ganz
furchtbar schlimm Heuchlerin, aber ich möchte ihm eben nicht
wehtun, Darling. Aber stell Dir nur vor - wenn jetzt diese kleine
Festplatte plötzlich ihre wunderbare Arbeit verweigert, so bin ich
doch in einer ganz ganz furchtbaren Bedroille, wenn ich nicht irgendwo
speichern konnte, was ich bekommen habe und es nicht mehr weiss.
Raffael wäre doch ganz ganz bestimmt ganz ganz furchtbar
gekränkt, Darling..."
Ich erhob mich und dachte daran, dass eine neue Version des SuSe-Linux
sowie ein Tux, fein säuberlich verpackt, in meinem Wagen lagen.
Eigentlich waren sie ja für den Sohn meines Mitarbeiters gedacht,
aber man musste Prioritäten setzen.