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  • Der nette Junge von nebenan

293 Beiträge seit 28.07.2012

Eindrücke aus meiner Promotionn in theoretischer Physik

Ich habe in theoretischer Physik promoviert und kann ein paar subjektive Eindrücke beisteuern. Thema war in der Computerphysik zur Morphogenese von Geweben, also durchaus ein Gebiet mit Anwendungsszenarien (Krebsforschung) und Experimenten.
Ich kann Hrn. Unzickers Kritik zum Teil bestätigen, würde aber die Gründe anders gewichten. Es liegt mMn nicht vorrangig an den abstrakten Themen (Stringtheorie, Teilchenphysik, ...) die experimentellen Untersuchungen nur schwer oder gar nicht zugänglich sind, sondern vor allem an der Art und Weise wie die Institution Wissenschaft heutzutage funktioniert. Es fehlt ein Rückkopplungsmechanismus der schlechte Wissenschaft ausbremst, da allzu oft die gleichen Leute die mangelhafte Wissenschaft betreiben gleichzeitig über die Finanzierung von ebendieser Wissenschaft entscheiden.
Mangelhafte Wissenschaft bedeutet dabei oft nicht nicht plumpe Fälschungen oder Erfindung von Daten, da ist man schon lange weiter, wie der Autor mMn richtig festgestellt hat. In vielen Projekten wird Wissenschaft wie ein Cargo-Kult betrieben: oberflächlichen Kriterien genügend, im Kern jedoch unwissenschaftlich oder zumindest fraglich.
Beispiele:
- Themen die schon lange abgegrast wurden werden aus der Mottenkiste geholt, neu bearbeitet und in einem anderen Journal publiziert
- Kritische Schritte in der Herleitung werden nicht dargestellt und unkritisch übernommen, da keiner Zeit hat seitenweise Rechnungen nachzuvollziehen (manchmal wird auch geschummelt und ohne Angabe von Gründen Terme weggelassen weil nur so das rauskommt was man möchte)
- Tatsächliche praktische Anwendbarkeit wird übertrieben

Das funktioniert weil sich in vielen Themenbereichen Communities etabliert haben die sich gegenseitig die Gelder zuschanzen. Klar, wer in einem Vergabegremium über Gelder zu entscheiden hat, der darf i.d.R. nicht seiner eigenen Gruppe die Gelder direkt zuschanzen, aber der ist mächtig genug Freunde in der Wissenschaft zu finden die seine eigenen Projekte unterstützen. So beurteilt man sich gegenseitig die Publikationen äußerst Wohlwollend. Das Peer-Review eine unbezahlte Angelegenheit ist, die von den Gruppenleitern auf häufig überarbeitete Doktoranden abgewälzt wird tut ihr übriges: Der Peer-Review ist häufig oberflächlich.

Häufig ist da gar kein böser Wille nötig, diese Dynamik ergibt sich aus dem knallharten Wettbewerb um Geld, Publikation und Ansehen, welcher durch idiotische Indices (h-Index, Impact-Factor, ...) ständig angefeuert wird.

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