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  • Guckstu

mehr als 1000 Beiträge seit 18.03.2024

Re: Sekundärsanktionen und Völkerrecht ?

Raistlin666 schrieb am 30.08.2024 19:44:

Also entweder ist das Völkerrecht und dessen Einhaltung uneingeschränkt wichtig oder nicht.

Wichtig immer, uneingeschränkt wichtig noch nie.

Es geht halt doch auch um die Details, und so grob Holzschnittartiges "entweder uneingeschränkt wichtig oder nicht" wird der Realität halt nicht gerecht.

Und falls Sie denken, Sie haben mich jetzt, die Völkerrechtswidrigkeit des Ukrainekrieges habe ich nie geleugnet. Wir machen uns aber komplett unglaubwürdig wenn wir Rosinenpickerei betreiben beim Völkerrecht und entwerten es damit komplett !

Nein, das wird nicht komplett entwertet.
Beispielsweise nehmen wir die Unverletzlichkeit der Grenzen Ernst. Der Westen besteht darauf, dass Russland als Staat nichts abtreten muss, was innerhalb der völkerrechtlich anerkannten Grenzen ist.
Und das, obgleich Russland genau dieses Prinzip und obendrein eigene ratifizierte Verträge zum Thema mit Füßen getreten hat.

Also, Unverletzlichkeit durch Militärgewalt.
Wird eine Volksabstimmung organisiert, greift das Selbstbestimmungsrecht, und das steht höher.
Details halt, die Details sind immer relevant.

Und letztlich zählt fürs Handeln der Staaten (egal welcher) nicht das, was irgendein Forumspropagandist meint, sondern das, wie andere Staaten das Handeln interpretieren.
Wenn jemand das Völkerrecht verletzt, kommt ja keine Polizei, die den schuldigen Staat vor Gericht bringt, es gibt ja keine über den Staaten stehende Instanz mit einem Gewaltmonopol, also bleibt die Beurteilung den anderen Akteuren mit Gewalt überlassen.
Und ich bin nicht sicher, wie das beurteilt würde, wenn der Westen jetzt anfinge, Russland zu filetieren und annektieren. Vielleicht "selbst Schuld, kein Mitleid"? Vielleicht Sorge, ob man selber mal betroffen ist, also wird der Westen modifizierte Regeln verkünden, die anderen Staaten vor solchen Ambitionen schützt - Selbstbeschränkung ist da weise? Wahrscheinlich aber doch Beibehaltung der Unverletzlichkeit der Grenzen, das Risiko, dass manche Staaten dann doch ernsthaft besorgt sind, ist einfach keinen Gewinn aus russischem Boden Wert.
Und ja, das ist eine Gewinn-/Verlust-Rechnung, keine moralische Entscheidung. Der Westen schielt mehr auf den langfristigen Gewinn, weil er wenig Kurzfristiges benötigt, das verwechseln viele mit moralischen Prinzipien, darunter auch viele Politiker, vor allem in Sonntagsreden; aber es bedeutet eben auch, dass Langfristiges mit moralischen Prinzipien ein bisschen kompatibler ist, unterm Strich passt das also schon so einigermaßen zusammen.
Nur sollte man halt die Sonntagsreden nicht mit einem echten moralischen Anspruch verwechseln. Der ist nett, wenn er ebenfalls erfüllt wird, aber im Zweifelsfall wird das eben doch zurückgestellt.

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