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  • Feldor

286 Beiträge seit 05.09.2023

Re: Von welchem Sieg ist hier die Rede?

Wunderlicher Fex schrieb am 03.10.2023 23:06:

Feldor schrieb am 03.10.2023 22:57:

Ein interessanter, nachdenklich machender Beitrag. Ich glaube, das Hauptproblem ist, dass die Verfechter der ukrainischen Offensive irgendwie ganz andere Denkstrukturen zu haben scheinen: Danach sind mögliche schlimme Folgen des eigenen Handels dadurch zu rechtfertigen, dass der Russe eben angefangen hat. Man kann dann immer weiter eskalieren - in einer Diskussion irgendwo hier im Forum sagte man mir sinngemäß, dass, falls es zum nuklearen Weltkrieg käme, dann eben der Russe Schuld sei, weil der ja angefangen hat. In dieser Weltsicht spielen mögliche negative Folgen des eigenen Handels keine Rolle, solange man selbst moralisch auf der richtigen Seite steht.

Wenn man der von Max Weber und anderen genannten Unterscheidung zwischen Gesinnungs-und Verantwortungsethik folgt, dann sind die Befürworter der Ukraine-Offensive Gesinnungsethiker. Die Argumentation Ihres Beitrags ist hingegen von Verantwortungsethik geprägt, da es Ihnen weniger um die richtige Gesinnung, sondern eher um die Folgen des eigenen Handelns geht. Das mag für den Verantwortungsethiker erstaunlich oder nicht nachvollziehbar sein, aber nach meinem Eindruck können Leute, die gesinnungsethisch argumentieren, diese Argumentation meist einfach nicht nachvollziehen. Unsere menschlichen Gehirne scheinen da sehr unterschiedlich zu funktionieren, wodurch dann diese extrem gegensätzlichen Bewertungen der gleichen Situation zustande kommen.

Zum einen erst einmal Danke für die sachliche Antwort.
Ich war selber Soldat, und als solcher in 2 Auslandseinsätzen. 1998 Bosnien und 1999 im Kosovo. Ich habe live gesehen was Krieg ist.
Damals war ich noch so naiv zu glauben, mit meiner Präsenz als Soldat etwas Gutes zu bewirken.
Als ich dann feststellen musste, dass der Grund dahin zu gehen eine einzige Lüge gewesen ist, habe ich angefangen umzudenken.
Seit dem ist mein Streben nur eis: Frieden!

Diese Erfahrung erlaubt mir, beide Seiten Scheiße zu finden. Die Russen, die in die Ukraine einmarschiert sind, als auch die NATO Länder, die das Feuer überhaupt erst gelegt haben. Und ich bekomme dabei keinen Knoten im Kopf.

Ja, es gibt für beide Seiten immer irgendeine Erklärung. Aber für niemanden eine Rechtfertigung.
So lange es 99% der Menschheit nur bleibt die eigene Haut zu Markte zu tragen, damit sich 1% die Taschen voll machen können, so lange wird das immer so weiter gehen.
In allen Kriegen dieser Welt haben diejenigen die etwas besitzen nie etwas verloren, sondern immer hinzu gewonnen.
Um Geld geht es dabei schon lange nicht mehr.
Und nachdenklich zu machen war auch mein Ziel!

Nach der Erfahrung mit diesem CEO habe ich schon öfter zynisch darüber nachgedacht, ob es in gewissen Kreisen nicht zum Sport geworden ist, wer mehr Menschen umbringen kann, und ungestraft davon kommt.

Das ist sehr interessant, was Sie da beschreiben, da Ihr Fall doch sehr gut zeigt, wie persönliche Erfahrungen einen zum Umdenken bringen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass viele auch einfach gar keine Vorstellung von dem Leid haben, das Krieg mit sich bringt, wenn sie diese Erfahrung nicht einmal persönlich gemacht haben. Solange man darüber nur in den Medien etwas erfährt, ist Krieg eher etwas abstraktes.

Zu Beginn des 1. Weltkriegs sind auch viele junge Deutsche mit Begeisterung in den Krieg gezogen, weil sie glaubten, ihrem "Vaterland" etwas Gutes zu tun. Dann, im Laufe der Zeit, haben sie immer mehr verstanden, was es bedeutet, wenn um einen herum die Granaten explodieren und von den Jungs, mit denen man anfangs losgezogen ist, immer mehr ums Leben kommen oder grauenhaft verstümmelt werden. Und der Kalte Krieg ist meiner Meinung nach auch deshalb so "glimpflich" verlaufen, in dem Sinne, dass er zu keinem großen Weltkrieg geführt hat, weil die damalige Politiker-Generation einfach noch die Schrecken zweier Weltkriege vor Augen hatte und eine Wiederholung um jeden Preis vermeiden wollte. Ich glaube, das Problem, das wir heute haben, ist, dass diese Generation mittlerweile ausgestorben ist, und wir Zeitgenossen die Schrecken der zwei Weltkriege selbst nicht mehr miterlebt haben. Dadurch sinkt die Eskalations-Hemmschwelle auf beiden Seiten.

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