...von teils extrem gewalttätigen alltagsrealitäten und damit
einhergehender traumatisierung sind es, die im artikel beschrieben
werden. ökonomische armut alleine erklärt das nicht, auch wenn sie
zweifellos verschärfend wirkt.
wer sich noch an die 1970/80er jahre erinnert, mit den vielen
faschistoiden militärdiktaturen in mittel- und südamerika, den
diversen gegen sie kämpfenden guerillaorganisationen (zb. fmln in el
salvador, fsln in nicaragua u.a.) sowie den vielen teils extrem
grausamen massakern und anschlägen in der region, wie zb. in morazon
(el salvador - http://www.npla.de/poonal/p440.htm#es ), der findet
hier die typischen bedingungen dafür, die für das auftreten solcher
strukturen wie im artikel beschrieben nötig sind:
- gewalt als gewohntes und alltägliches mittel zur "konfliktlösung"
- staatliche strukturen und institutionen, die dem großteil der
bevölkerung rein repressiv begegnen
- innerstaatliche fluchtbewegungen
- verschärfung der ökonomischen situation, erschwerte
überlebensmöglichkeiten
- allgemeines soziales klima von angst, mißtrauen und vielfältigen
psychopathologischen zerfallsprozessen bestimmt
- starke ausbildung "klassisch" krimineller, mafiöser strukturen
incl. einer "schattenökonomie"
- dazu kommt in der region noch ein vermutlich mehr als anderswo
ausgeprägter geschlechtsspezifischer aspekt hinzu: der machismo, der
gerade bei der gangbildung eine nicht unwesentliche rolle zu spielen
scheint.
die oben erwähnten und grob skizzierten zerfallsprozesse im bereich
des sozialen lassen sich weltweit als typische - und breitflächige -
folgen in gesellschaften beobachten, die durch phasen von
diktatorischen systemen und/oder kriegen gegangen sind. dabei sind
imo die überall sichtbaren zeichen einer lähmenden sozialen agonie
das bedrohlichste dabei, und ein deutliches indiz für eine
epidemische verbreitung von traumastrukturen, die individuell
gleichfalls mit verlust von (welt-)vertrauen, motivationslähmungen,
hilflosigkeit, ohnmacht und resignation einhergehen können, unter
bestimmten bedingungen auch mit einer reproduktion von gewalt im
sinne von re-inszenierungen:
- südafrika: nach dem ende des rassistischen regimes lange jahre
berühmt-berüchtigt für eine der höchsten kriminalitätsraten, gerade
bei schwerer gewaltkriminalität, auf dem planeten:
"Hillbrow Hospital liegt in einem schwarzen Viertel von Johannesburg.
Das Krankenhaus ist groß und einigermaßen gut ausgestattet.
Allerdings ist die Kriminalität im Stadtteil so hoch wie in kaum
einem anderen. Täglich müssen Ärzte und Pflegepersonal in der ständig
überfüllten Notaufnahme schwere Schuß- und Stichverletzungen
versorgen. Alltag auch für Kathrin Brand, die drei Monate im Hillbrow
Hospital arbeitete und auch die Burn-out-Symptome der Kollegen
erlebte."
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=8411
"Nach der Kriminalitätsstatistik von 2004 sind 38400 Frauen und
Mädchen vergewaltigt worden und 172500 Fälle schwerer
Körperverletzung registriert. Eine südafrikanische Spezialität ist
„Carjacking“ bei der das Auto gewaltsam entführt und der Fahrer, wenn
er versuchen sollte, Widerstand zu leisten - aber auch ohne
Widerstand, um ihn als Zeugen auszuschalten - häufig erschossen wird.
2004 wurden auf diese Weise 11500 Autos entführt, weitere 81900 auf
übliche Weise gestohlen und in 142450 Autos eingebrochen bzw. die
Einbrüche gemeldet."
(daten aus wikipedia-artikel zu südafrika)
- in unterschiedlichem ausmaß alle staaten des ehemaligen ostblocks,
als beispiel hier besonders rußland:
"Generalstaatsanwalt Ustinov verkündete, dass im Jahr 2001 mehr als
7700 vorsätzliche Morde, 15700 Raubüberfälle und 70700 Fälle von Raub
nicht aufgeklärt wurden. Staatsanwaltliche Kontrollen haben ergeben,
dass im selben Jahr 122000 gemeldete Verbrechen nicht verfolgt
wurden. Jedes Jahr, so Präsident Putin, verschwinden mehr als 30000
Personen, ohne dass je wieder von ihnen gehört wird."
http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_90b/T08.HTM
dazu ist in rußland ebenfalls die existenz von breiten mafiaähnlichen
strukturen in den (macht-)relevanten teilen der gesellschaft zu
beobachten, ebenfalls eine mächtige schattenökonomie. eine
tatsächliche aufarbeitung der folgen der stalinistischen diktatur
fehlt bis auf rudimentäre ausnahmen bis heute.
- serbien und auch andere balkanstaaten:
http://www.swp-berlin.org/produkte/diskussionspapier.php?id=1662&acti
ve=none&print=true
hier wird besonders auf den punkt der regelmässigen involviertheit
von staatlichen repressionsorganen mit den strukturen der
organisierten kriminalität eingegangen, die sich in den anderen
erwähnten fällen ebenfalls beobachten lässt. und auf die der artikel
gleichfalls bezug nimmt.
für länder wie zb. algerien oder kambodscha lassen sich ähnliche
zerfallssymptome beschreiben, ruanda, irak...die liste ist groß.
kaum bekannt ist dazu, dass es nach den beiden weltkriegen in de.
ebenfalls ein starkes problem mit kriminalität (bzw. nach dem wk2
besonders mit jugendbanden) hier gab:
"Nach dem Ersten Weltkrieg steigt die Kriminalitätsrate in
Deutschland stark an. Grund sind die wirtschaftlichen und politischen
Krisen der unmittelbaren Nachkriegszeit. Wer keine Arbeit hat,
beschafft sich oft seinen Lebensunterhalt mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln, und wer seinen politischen Willen durchsetzen
will, schreckt auch vor Mord nicht zurück. Karl Liebknecht, Rosa
Luxemburg und Walter Rathenau sind nur die prominentesten Opfer
dieser Zeit.
(anmerkung von mir: hier werden die individuellen prägungen durch die
repressiven erziehungsmethoden der monarchistischen diktatur
einerseits sowie die brutalisierung und traumatisierung der
kriegsgenerationen vernachlässigt, die sowohl bei den beschriebenen
phänomenen als auch später beim aufstieg der nazis eine unheilvolle
rolle spielten).
Daneben beschäftigen Serienmörder wie Friedrich Haarmann oder Peter
Kürten Kriminalpolizei und Öffentlichkeit in den Zwanzigerjahren. Die
Zeitungen berichten auch ausführlich über sog. Ringvereine. Das sind
vereinsähnlich organisierte Verbrechergruppen, die ihren
»Mitgliedern« bei Bedarf einen Anwalt beschaffen, die Familien
unterstützen oder rauschende Feste feiern.
(...)
In der Nachkriegszeit herrschen Chaos und Gesetzlosigkeit in
Deutschland. Viele Schwerverbrechen bleiben unaufgeklärt. Erst mit
der besseren Organisation der Polizei ändern sich die Verhältnisse
wieder. Allerdings steigen in Westdeutschland trotz oder gerade wegen
des Wirtschaftswunders die Kriminalitätsraten."
http://www.wdr.de/tv/nachtkulturundgeschichtszeit/gztatorte.html
auf die psychiatrischen/psychologischen/neurologischen diskussionen
und konflikte zum thema trauma, die teils sehr interessant sind, kann
ich hier nicht weiter eigehen. interessierten sei zum einstieg dieses
buch empfohlen:
http://www.antipsychiatrieverlag.de/versand/titel/herman.htm
und auch dieses interview:
http://www.diplomatie.gouv.fr/label_france/DEUTSCH/IDEES/cyrulnik/pag
e.html
wo u.a. zu lesen ist:
"...denn die Kinder, die diese Akte begehen, sind oft Kinder, die
orientierungslos und allein gelassen sind. Sie schließen sich gerne
Sekten und Banden an, die Gewalt und Brutalität verherrlichen, und in
denen Regeln und Gesetze herrschen, die oft sehr ungnädig sind."
die beschriebenen gang-/bandenbildungen sind schlicht und einfach
eine option, um unter unerträglichen sozialen bedingungen einerseits
ökonomisch zu überleben, und sich andererseits eine art ersatzfamilie
zu verschaffen. das diese option dysfunktional und auch letztlich
selbstzerstörerisch ist, ist ein anderes thema.
mein folgendes fazit lässt sich vielfach belegen: nur komplette
ignoranten können ernsthaft daran glauben, das besonders das extrem
gewalttätige letzte jahrhundert keine relevanten zerstörerischen
folgen hervorgebracht hätte. selbst unser heutiges soziales leben ist
in vielen bereichen dadurch offensichtlich verrückt geworden. und
verbrecher sind schlichtweg die, die davon ausgehen, dass eine
typisch verrückte bewältigungsstrategie - "mehr desselben", also mehr
repressionen, knäste, gegengewalt - tatsächlich irgendetwas
qualitativ zum besseren ändern könnte.
mfg
mo
einhergehender traumatisierung sind es, die im artikel beschrieben
werden. ökonomische armut alleine erklärt das nicht, auch wenn sie
zweifellos verschärfend wirkt.
wer sich noch an die 1970/80er jahre erinnert, mit den vielen
faschistoiden militärdiktaturen in mittel- und südamerika, den
diversen gegen sie kämpfenden guerillaorganisationen (zb. fmln in el
salvador, fsln in nicaragua u.a.) sowie den vielen teils extrem
grausamen massakern und anschlägen in der region, wie zb. in morazon
(el salvador - http://www.npla.de/poonal/p440.htm#es ), der findet
hier die typischen bedingungen dafür, die für das auftreten solcher
strukturen wie im artikel beschrieben nötig sind:
- gewalt als gewohntes und alltägliches mittel zur "konfliktlösung"
- staatliche strukturen und institutionen, die dem großteil der
bevölkerung rein repressiv begegnen
- innerstaatliche fluchtbewegungen
- verschärfung der ökonomischen situation, erschwerte
überlebensmöglichkeiten
- allgemeines soziales klima von angst, mißtrauen und vielfältigen
psychopathologischen zerfallsprozessen bestimmt
- starke ausbildung "klassisch" krimineller, mafiöser strukturen
incl. einer "schattenökonomie"
- dazu kommt in der region noch ein vermutlich mehr als anderswo
ausgeprägter geschlechtsspezifischer aspekt hinzu: der machismo, der
gerade bei der gangbildung eine nicht unwesentliche rolle zu spielen
scheint.
die oben erwähnten und grob skizzierten zerfallsprozesse im bereich
des sozialen lassen sich weltweit als typische - und breitflächige -
folgen in gesellschaften beobachten, die durch phasen von
diktatorischen systemen und/oder kriegen gegangen sind. dabei sind
imo die überall sichtbaren zeichen einer lähmenden sozialen agonie
das bedrohlichste dabei, und ein deutliches indiz für eine
epidemische verbreitung von traumastrukturen, die individuell
gleichfalls mit verlust von (welt-)vertrauen, motivationslähmungen,
hilflosigkeit, ohnmacht und resignation einhergehen können, unter
bestimmten bedingungen auch mit einer reproduktion von gewalt im
sinne von re-inszenierungen:
- südafrika: nach dem ende des rassistischen regimes lange jahre
berühmt-berüchtigt für eine der höchsten kriminalitätsraten, gerade
bei schwerer gewaltkriminalität, auf dem planeten:
"Hillbrow Hospital liegt in einem schwarzen Viertel von Johannesburg.
Das Krankenhaus ist groß und einigermaßen gut ausgestattet.
Allerdings ist die Kriminalität im Stadtteil so hoch wie in kaum
einem anderen. Täglich müssen Ärzte und Pflegepersonal in der ständig
überfüllten Notaufnahme schwere Schuß- und Stichverletzungen
versorgen. Alltag auch für Kathrin Brand, die drei Monate im Hillbrow
Hospital arbeitete und auch die Burn-out-Symptome der Kollegen
erlebte."
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=8411
"Nach der Kriminalitätsstatistik von 2004 sind 38400 Frauen und
Mädchen vergewaltigt worden und 172500 Fälle schwerer
Körperverletzung registriert. Eine südafrikanische Spezialität ist
„Carjacking“ bei der das Auto gewaltsam entführt und der Fahrer, wenn
er versuchen sollte, Widerstand zu leisten - aber auch ohne
Widerstand, um ihn als Zeugen auszuschalten - häufig erschossen wird.
2004 wurden auf diese Weise 11500 Autos entführt, weitere 81900 auf
übliche Weise gestohlen und in 142450 Autos eingebrochen bzw. die
Einbrüche gemeldet."
(daten aus wikipedia-artikel zu südafrika)
- in unterschiedlichem ausmaß alle staaten des ehemaligen ostblocks,
als beispiel hier besonders rußland:
"Generalstaatsanwalt Ustinov verkündete, dass im Jahr 2001 mehr als
7700 vorsätzliche Morde, 15700 Raubüberfälle und 70700 Fälle von Raub
nicht aufgeklärt wurden. Staatsanwaltliche Kontrollen haben ergeben,
dass im selben Jahr 122000 gemeldete Verbrechen nicht verfolgt
wurden. Jedes Jahr, so Präsident Putin, verschwinden mehr als 30000
Personen, ohne dass je wieder von ihnen gehört wird."
http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_90b/T08.HTM
dazu ist in rußland ebenfalls die existenz von breiten mafiaähnlichen
strukturen in den (macht-)relevanten teilen der gesellschaft zu
beobachten, ebenfalls eine mächtige schattenökonomie. eine
tatsächliche aufarbeitung der folgen der stalinistischen diktatur
fehlt bis auf rudimentäre ausnahmen bis heute.
- serbien und auch andere balkanstaaten:
http://www.swp-berlin.org/produkte/diskussionspapier.php?id=1662&acti
ve=none&print=true
hier wird besonders auf den punkt der regelmässigen involviertheit
von staatlichen repressionsorganen mit den strukturen der
organisierten kriminalität eingegangen, die sich in den anderen
erwähnten fällen ebenfalls beobachten lässt. und auf die der artikel
gleichfalls bezug nimmt.
für länder wie zb. algerien oder kambodscha lassen sich ähnliche
zerfallssymptome beschreiben, ruanda, irak...die liste ist groß.
kaum bekannt ist dazu, dass es nach den beiden weltkriegen in de.
ebenfalls ein starkes problem mit kriminalität (bzw. nach dem wk2
besonders mit jugendbanden) hier gab:
"Nach dem Ersten Weltkrieg steigt die Kriminalitätsrate in
Deutschland stark an. Grund sind die wirtschaftlichen und politischen
Krisen der unmittelbaren Nachkriegszeit. Wer keine Arbeit hat,
beschafft sich oft seinen Lebensunterhalt mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln, und wer seinen politischen Willen durchsetzen
will, schreckt auch vor Mord nicht zurück. Karl Liebknecht, Rosa
Luxemburg und Walter Rathenau sind nur die prominentesten Opfer
dieser Zeit.
(anmerkung von mir: hier werden die individuellen prägungen durch die
repressiven erziehungsmethoden der monarchistischen diktatur
einerseits sowie die brutalisierung und traumatisierung der
kriegsgenerationen vernachlässigt, die sowohl bei den beschriebenen
phänomenen als auch später beim aufstieg der nazis eine unheilvolle
rolle spielten).
Daneben beschäftigen Serienmörder wie Friedrich Haarmann oder Peter
Kürten Kriminalpolizei und Öffentlichkeit in den Zwanzigerjahren. Die
Zeitungen berichten auch ausführlich über sog. Ringvereine. Das sind
vereinsähnlich organisierte Verbrechergruppen, die ihren
»Mitgliedern« bei Bedarf einen Anwalt beschaffen, die Familien
unterstützen oder rauschende Feste feiern.
(...)
In der Nachkriegszeit herrschen Chaos und Gesetzlosigkeit in
Deutschland. Viele Schwerverbrechen bleiben unaufgeklärt. Erst mit
der besseren Organisation der Polizei ändern sich die Verhältnisse
wieder. Allerdings steigen in Westdeutschland trotz oder gerade wegen
des Wirtschaftswunders die Kriminalitätsraten."
http://www.wdr.de/tv/nachtkulturundgeschichtszeit/gztatorte.html
auf die psychiatrischen/psychologischen/neurologischen diskussionen
und konflikte zum thema trauma, die teils sehr interessant sind, kann
ich hier nicht weiter eigehen. interessierten sei zum einstieg dieses
buch empfohlen:
http://www.antipsychiatrieverlag.de/versand/titel/herman.htm
und auch dieses interview:
http://www.diplomatie.gouv.fr/label_france/DEUTSCH/IDEES/cyrulnik/pag
e.html
wo u.a. zu lesen ist:
"...denn die Kinder, die diese Akte begehen, sind oft Kinder, die
orientierungslos und allein gelassen sind. Sie schließen sich gerne
Sekten und Banden an, die Gewalt und Brutalität verherrlichen, und in
denen Regeln und Gesetze herrschen, die oft sehr ungnädig sind."
die beschriebenen gang-/bandenbildungen sind schlicht und einfach
eine option, um unter unerträglichen sozialen bedingungen einerseits
ökonomisch zu überleben, und sich andererseits eine art ersatzfamilie
zu verschaffen. das diese option dysfunktional und auch letztlich
selbstzerstörerisch ist, ist ein anderes thema.
mein folgendes fazit lässt sich vielfach belegen: nur komplette
ignoranten können ernsthaft daran glauben, das besonders das extrem
gewalttätige letzte jahrhundert keine relevanten zerstörerischen
folgen hervorgebracht hätte. selbst unser heutiges soziales leben ist
in vielen bereichen dadurch offensichtlich verrückt geworden. und
verbrecher sind schlichtweg die, die davon ausgehen, dass eine
typisch verrückte bewältigungsstrategie - "mehr desselben", also mehr
repressionen, knäste, gegengewalt - tatsächlich irgendetwas
qualitativ zum besseren ändern könnte.
mfg
mo