Auch Gerleit wiegt sich in Illusionen. Nachdem er mit seinem Hinweis auf Derrida und einigen Geschichtssplittern sich als Intellektueller auszuweisen versucht und gleichzeitig damit vermeidet, die entscheidende jüngere und jüngste Geschichte zu erwähnen, hageln die tendenziösen Sentenzen nur so auf den Leser herunter:
Putins Sprache weist auf eine verstaubte, dem Westen feindlich gesinnte, Ideologie hin.
Ja, wenn man nur seine jüngeren Äusserungen berücksichtigt. 2004 im Bundestag, auch 2007 an der Münchner Konferenz, klang es noch deutlich anders. Aber wie auch Gerleit hier wieder demonstriert, hatte der Westen kein Musikgehör dafür. Die Vorstellung, Russland sei der Feind, ist tief im Westen verankert, in der kommunistischen Zeit mit allen propagandistischen Mitteln so weit wie nur möglich verstärkt. Der Westen hat sich als komplett unfähig erwiesen, von seinem Verfeindungsdenken auch nur ansatzweise abzugehen. Um alles an seinem angestammten Platz zu halten, wird immer wieder gelogen, dass sich die Balken biegen. In den letzten Wochen etwa mittels der Behauptung, das Denken in Einflusszonen sei atavistisch, jeder Staat auf Erden sei souverän. Die Realität ist eine andere. Wenn etwa ein afrikanischer Staat einen leoninischen Handelsvertrag der EU nicht unterzeichnen will, wird er via wirtschaftskriegerischen Massnahmen dazu gezwungen.
Aber warum so weit schweifen. Man muss nur 'Ukraine' durch 'Kuba' ersetzen und an die gleichnamige Krise denken. Ach, ist schon 60 Jahre her? Wie wärs mit einem Test-bis?
Vielleicht war Beijing doch etwas überrascht, wie weit Putin zu gehen bereit ist, um sich als starker Mann an der Spitze einer Weltmacht zu gerieren.
Vielleicht waren die Chinesen in der Tat etwas überrascht, aber aus anderen Gründen. Die Beweggründe Putins leuchten ihnen ein, bloss hätten sie wohl ein wenig anders gehandelt. Ganz gewiss geht es nicht um eine Personalfrage.
China ist sich also Taiwans sicher, egal wie der Ukraine-Konflikt ausgeht. Und ein militärisches Einschreiten der USA in einem solchen Fall wäre tatsächlich noch unwahrscheinlicher als eine direkte Konfrontation mit Russland im Ukraine-Krieg.
Das nun ist blanker Unsinn. In Wirklichkeit gab es unter Tronald und erst recht unter Biden viel entgegengesetzte Bewegung. Am 22.10. letzten Jahres gab Biden eine direkte Beistandserklärung an Taiwan ab (siehe www.handelsblatt.com/politik/international/us-praesident-biden-warnt-china-usa-wuerden-taiwan-bei-angriff-verteidigen/27728602.html).
Dass China in den usa als der eigentliche Gegner und Feind angesehen wird, ist allgemein bekannt, was aber noch nicht bis zu Gerleit vorgedrungen zu sein scheint. Es ist ein weiteres deutliches Zeichen von westlichem Realitätsverlust, wenn er hofft, China werde sich nun von Russland abwenden. In Wirklichkeit hat der Westen diese Allianz nun endgültig besiegelt. Beide Riesenstaaten wissen, dass sie nur zusammen die westlichen Attacken überdauern können. China hätte es allerdings gewiss lieber gesehen, militärische Grossauseinandersetzungen noch so lange wie möglich zu vermeiden. Übrigens hat sich im Sicherheitsrat auch Indien enthalten, was wohl eine herbe Enttäuschung war, denn das von einer faschistoiden Partei geführte Land wähnte man schon sicher auf der eignen Seite.