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Avatar von marenghi
  • marenghi

mehr als 1000 Beiträge seit 03.12.2020

Re: Statistiken sind das eine, die erlebte Wirklichkeit der Bevölkerung das Ande

Die erlebte gefühlte Wirklichkeit (wer erlebt schon einen Mord mit?) ist aber wohl der schlechteste Fühler einer Wahrheit - das kennen wir aus allen möglichen Bereichen.

Ganz konkret ist die gefühlte Wirklichkeit bei der Entwicklung Schwerkriminalität eindeutig falsch und diese Diskrepanz zwischen Fühlen und Realität seit langem bekannt:

Seit Jahrhunderten ist die Zahl der Morde pro Einwohner in vielen westlichen Ländern extrem stark rückläufig. Und nach einem Anstieg seit den 60ern bis 90er in westeurop Ländern und den USA wieder seit den 90ern rückläufig:

https://ourworldindata.org/grapher/homicide-rates-across-western-europe?country=NLD~England~ITA~ESP~CHE~BEL~FRA~DEU~England+and+Wales~Corsica+and+Sardinia~SWE~IRL

https://de.wikipedia.org/wiki/Mord_(Deutschland)#Polizeiliche_Kriminalstatistik

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Es gibt auch einleuchtende Erklärungen, WARUM unser Gefühl anders ist als die Wirklichkeit:

- Das Gefühl wird u.a. durch das Erleben bestimmt. Das Erleben von "Morden" kommt aber nicht dadurch, dass wir jede Woche nun drei statt vorher zwei Morde mitbekommen in der Nachbarschaft und somit eine valide persönliche Statistik haben. Sondern dass wir heute zehn Mal mehr Medieninput haben und auch noch den letzten Mord und Gruppenvergewaltigung auf der Welt, geschweige denn in D, mitbekommen können, wenn wir die geeigneten Medien anklicken. Ich hatte bspw keinen blassen Schimmer über "die größten Serienmörder aller Zeiten", bis ich die entsprechenden Wiki-Artikel gelesen habe. https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_serial_killers_by_number_of_victims Natürlich erscheint mir nach der Lektüre die Welt grausamer als davor.

- Die Intoleranz gegenüber Gewalt ist gestiegen: Vor 60 Jahren haben sich wenige über die Tracht Prügel für die Kinder, das Ohrwaschelziehen für die Schüler, den Klaps für die Sekretärin, und die Wirtshausrauferei am Wochenende aufgeregt. Heute kommt da das Jugendamt, die Staatsanwaltschaft, die Gleichstellungs-/Antidiskriminierungsbeauftragte/Rechtsabteilung und das USK angerollt. Habe ich mehr Intoleranz gegenüber einer Sache, empfinde ich das gleiche Maß als schlimmer - siehe den Aufschrei von Aktivisten bei "Mohrenapotheken" u.ä.

- Im persönlichen Erleben ist die Gegenwart immer gefährlicher als die Vergangenheit. Weil wir mit dem Alter ebenfalls vorsichtiger und intoleranter gegen Normenverletzungen werden: Heute regen wir uns über die lauten Bengel auf, die wir früher selbst waren.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (10.04.2024 10:45).

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